Vom Evangelium her Orientierung geben – auch in der Sexualität

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Liebe und Sexualität sind ein schwieriges Thema für die Kirche. Aber sie will den Dialog mit den Menschen führen.

Trier. Es ist eines der schwierigsten Themen, mit dem sich die katholische Kirche zu befassen hat: die Sexualität. Lange wurde zu diesem Bereich geschwiegen oder es wurden Moralvorstellungen vertreten, die für viele, auch gläubige Katholiken mit der Realität nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Wie auf vielen Gebieten scheint es auch hier einen Aufbruch zu geben. Überfällig? Das mag gut sein. Das zweitägige Gesprächsforum zum Thema Sexualität war aber ein deutliches Zeichen des Aufbruchs.

Das Forum „Sexualität. Leben“ war von einer guten, offenen, angstfreien, respektvollen und wertschätzenden Gesprächsatmosphäre geprägt. Das hat nicht nur der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann am Ende der zweitägigen Veranstaltung betont, diese Rückmeldung gab es auch von zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Das thematische Forum am 24. und 25. April fand anlässlich der derzeit laufenden Synode im Bistum Trier statt. Dabei ging es um das Spannungsfeld zwischen offizieller Sexualmoral der Kirche und der gelebten Praxis der Menschen. Themen, die in Vorträgen, Gesprächsrunden, aber auch durch Musik, Kunst und Kabarett beleuchtet wurden, waren unter anderem Homosexualität, verschiedene sexuelle Identitäten, der Umgang mit Sexualität im Alter und der Zölibat.

Mit den Menschen wieder ins Gespräch kommen

Sein Anliegen als Bischof sei es gewesen, diesen Themen einen Raum für das Gespräch zu geben, betonte Bischof Ackermann am Ende. Denn auf der einen Seite gehe Sexualität jeden etwas an, jeder habe seine je eigenen biographischen Anteile und Zugänge zu dem Thema, es sei existentiell für jeden Menschen; auf der anderen Seite komme die Institution Kirche für viele Menschen als Gesprächspartner bei diesen Themen kaum noch in Frage. Das Anliegen der Kirche müsse es aber sein, mit den Menschen wieder ins Gespräch über diese Themen zu kommen, wenn man, wie Papst Franziskus es formuliert habe, eine dienende Kirche sein wolle. Ziel müsse es sein, „vom Evangelium her Orientierung zu geben in der Vielfalt“ der unterschiedlichen Lebens- und Zugangsformen von Sexualität, sagte der Bischof.

Sehen, was ist

„Die Kirche ist in Fragen der Sexualität als Institution nicht mehr gefragt“, lautete auch der Befund der Münsteraner Sexualpädagogin Ann-Kathrin Kahle in einer Podiumsrunde am Ende der beiden Tage. Die Kirche müsse stärker von der Realität ausgehen und einfach „sehen, was ist“, sagte Prof. Dr. Sigrid Müller, Professorin am Institut für Ethik und Recht an der Universität Wien, in der Gesprächsrunde. Die Kirche solle der „Sehnsucht der Menschen nach Gemeinschaft einen Ort geben“ und Sexualität nicht auf die Ehe reduzieren, denn Aufgabe der Kirche sei es, die Menschen in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen „zu begleiten, nicht sie zu verurteilen“.


Dr. Stephan Goertz, Professor für Moraltheologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, machte am Beispiel Homosexualität die Kluft zwischen Lehre und Leben deutlich. Wenn die kirchlichen Verlautbarungen deutlich machten, dass das Ideal der christlichen Liebe von Partnern mit gleichgeschlechtlicher Orientierung nicht gelebt werden könne, dann sei dies oft „nicht in ein Einklang zu bringen mit dem eigenen Empfinden“ dieser Menschen, erklärte Goertz. „Diese moralische Diskreditierung schmerzt enorm.“ Die Kirche müsse in Fragen der Sexualmoral neu „zu Antworten kommen, die der Tradition und der Bibel gerecht werden und heute passen“, sagte Goertz. Der Moraltheologe wertete das Trierer Forum als einen wichtigen Beitrag auf diesem Weg, weil es den Dialog zwischen Gläubigen, Theologen, Laien, Priestern und Amt ermögliche und damit auch dem „Volk Gottes als Quelle der Moral“ einen Raum gebe.

Eine Dekade des Dialogs

In den vergangenen Jahren sei in der Kirche in diesen Fragen viel in Bewegung gekommen, erklärte Bischof Ackermann am Ende – nicht zuletzt auch ausgelöst durch den Missbrauchsskandal. Dass man wieder über Sexualität spreche, sei „Herausforderung und Chance zugleich“. Ihn habe überrascht, mit welcher Offenheit auch die außerordentliche Weltbischofssynode zum Thema Familie über diese Fragen diskutiert habe, sagte Ackermann. Er sei gespannt auf die kommende Versammlung im November in Rom. Dabei werde es nicht einfach sein, den sehr unterschiedlichen kulturellen Prägungen in Fragen der Sexualität gerecht zu werden, sagte Ackermann, und verwies beispielhaft auf die Herausforderung, die die Polygamie etwa für die Kirche Afrikas bedeute. Vielleicht müsse man in diesen Fragen „globale Grundprinzipien“ entwickeln, von denen aus man dann zu „kontinentalen Konkretisierungen“ komme, sagte der Bischof. Eine „Dekade des Dialogs, in der wir global voneinander lernen“, regte Prof. Goertz für die Zeit nach der Familiensynode in Rom an.

An dem Forum „Sexualität. Leben“ nahmen rund 170 Wissenschaftler und Fachleute, kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Interessierte teil. Es war das zweite von drei thematischen Foren aus Anlass der Synode im Bistum Trier. Den Auftakt hatte das Forum „Geschieden – Wiederverheiratet“ gemacht; im kommenden Juli soll es um Frauen und Ämter“ in der Kirche gehen Weitere Infos: Synodensekretariat Liebfrauenstraße 8, 54290 Trier, Telefon (0651)7105-623, E-Mail [email protected], Internet www.synode.bistum-trier.de

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3 Kommentare

  1. Schön, wenn die Religionen mit ihren selbsternannten Gottesvertretern Ihre Macht und Mittel nutzen um Gutes zu tun für Bedürftige. Lobenswert, wenn sie Hilfesuchenden Beistand leisten. Das sind doch Aufgaben, die Sinn machen.
    Ansonsten sollen die sich bitte aus dem Leben anderer heraushalten und endlich damit aufhören sich für wichtiger zu nehmen als sie es tatsächlich sind!

  2. Soll heissen: Die Leute machen was sie wollen und lassen sich von euch nix mehr sagen und gluecklich dabei, weil sie merken dass eure verklemmten Moralvorstellungen sowieso nicht passen. und damit sie euch nicht ganz davonlaufen verbiegt ihr jetzt wieder eure Moralvorstellungen damit sie wieder mit denen der Leute uebereinstimmen, womit bewiesen ist, dass ihr auch nicht die letzte Wahrheit habt, obwohl ihr so tut als ob.

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