Kinder an Uni-Klinik sexuell misshandelt: Entschädigungen für Opfer gefordert

Der Missbrauchsskandal an der Uniklinik des Saarlandes war erst im Sommer 2019 ans Licht gekommen. Eine Expertenkommission hat die Geschehnisse nun aufgearbeitet. Vieles lief falsch.

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Ein kleines Kind hält sich die Hände vor das Gesicht; Symbolbild, Foto: dpa

HOMBURG/KIRKEL. Nach dem Skandal um sexuellen Missbrauch von Kindern am Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) hat sich eine Expertenkommission für eine finanzielle Entschädigung der Opfer ausgesprochen.

Für erlittenes Unrecht sollten Betroffene je nach Schwere der Belastung Summen von 5000 bis 50.000 Euro erhalten, teilte die Unabhängige Aufarbeitungskommission (UAK) am Mittwoch in ihrem Abschlussbericht mit. Zudem sollten Betroffene und Angehörige einen leichten Zugang zu dauerhaften therapeutischen Hilfen bekommen, empfahl die Kommission nach ihrer rund zweijährigen Analyse.

Auch Angehörige, die bis heute teils unter dem Geschehen litten, sollten finanziell berücksichtigt werden. «Es gibt Mütter, die sich massive Vorwürfe machen», sagte ein Sprecher. Die meisten Kinder waren zur Tatzeit fünf bis acht Jahre alt.

Der Skandal um mutmaßlichen Missbrauch an Kindern in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am UKS in Homburg von 2010 bis 2014 war erst im Jahr 2019 öffentlich geworden. Täter soll ein 2016 gestorbener Assistenzarzt gewesen sein, der die Kinder bei Untersuchungen missbraucht haben soll. Die Staatsanwaltschaft hatte damals wegen 34 Verdachtsfällen ermittelt – das Verfahren aber nach dem Tod des Arztes eingestellt. Die Eltern der betroffenen Kinder waren über Jahre nicht informiert worden.

Mehr als 80 Missbrauchsverdachtsfälle

Die Aufarbeitungskommission unter dem Vorsitz des früheren Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, hat laut Bericht mehr als 80 Missbrauchsverdachtsfälle registriert. Für die Aufarbeitung seien mehr als 800 Schreiben an möglicherweise betroffene Familien gegangen, 52 hätten schriftlich geantwortet. Von 30 mutmaßlich betroffenen Familien sei bisher keine Rückmeldung gekommen, hieß es.

Die UAK habe sieben Fälle mit besonders hoher Belastung festgestellt. Für diese Personen habe die Kommission dem Aufsichtsrat des UKS einen Betrag von je 50.000 Euro vorgeschlagen. In 31 Fällen mit Belastungen seien Summen von 5000 bis 30.000 Euro empfohlen. Eine unabhängige Stelle sollte nun rasch die Empfehlungen umsetzen und Kontakt zu den bisher bekannten Betroffenen aufnehmen.

«Das Vertrauen der betroffenen Menschen im Saarland in das Universitätsklinikum hat durch die Ereignisse schweren Schaden genommen», teilte die UAK mit. Wesentliche Ursache dafür sei vor allem «die ausgebliebene Information der Angehörigen nach der internen Aufdeckung der Verdachtsumstände im UKS» gewesen.

Verantwortlichkeiten für die Versäumnisse konnte auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss von 2020 bis Anfang 2022 nicht klären, personelle Konsequenzen gab es keine, wie die Kommission mitteilte. Ein Disziplinarverfahren gegen den Leiter der Klinik, in dem «der mutmaßlich pädosexuelle Arzt» beschäftigt war, wurde eingestellt. Viele Menschen seien «nach den Jahren des fruchtlosen öffentlichen Streits über Verantwortung und Konsequenzen» enttäuscht und müde geworden, teilte die UAK mit.

Im Oktober 2022 hatte sich die ärztliche Direktorin am UKS bei den Betroffenen und Angehörigen für erlittenes Leid entschuldigt. Zudem übernahm sie die institutionelle Verantwortung für sexuellen Missbrauch und für Verletzungen von Kindern im OP der Hals-Nasen-Ohren-Klinik in Homburg.

Laut Kommission gingen die Versäumnisse mit dem Umgang der Ereignisse auch «auf strukturelle Mängel» am Klinikum zurück. «Für Ärzte als mutmaßliche Täter, die Patienten missbrauchten, fehlte jegliche Vorstellungskraft und damit auch jegliche Prävention», teilte die UAK mit. Auch die Führungshierarchie habe «keine Kratzer am eigenen Image» zugelassen. «Eine gelebte Fehlerkultur, die Kritik belohnt und nicht bestraft, war nicht erkennbar.»

Auch außerhalb des Krankenhauses sei der Schutz der Kinder nicht hinreichend gesichert gewesen, teilten die Experten mit. Es habe «einen Kreislauf der Nichtverantwortlichkeit und Unzuständigkeit» unter anderem von Staatsanwaltschaft, Polizei, Jugendamt und Ärztekammern gegeben.

Die UAK empfahl daher, dass der saarländische Gesetzgeber sich auf Bundesebene dafür einsetzen sollte, dass die Jugendämter künftig «als Zentralstellen für die Aufgabenwahrnehmung bei Kindeswohlgefährdungen» dienen sollten. Bei ihnen sollten alle Informationen zusammenlaufen und sie sollten gesetzlich auch Dritte einschalten können, um Gefährdungen abzuwenden.

Zu den 39 Empfehlungen des rund 700 Seiten starken Abschlussberichts an den Aufsichtsrat gehört auch eine grundsätzliche Reform der Organisation mitsamt Unternehmenskultur und Binnenklima. Ziel müsse «eine wertschätzende Fehlerkultur im UKS sein», hieß es.

Die Kommission würdigte die Anstrengungen des Klinikums und ihrer Beschäftigten, Konsequenzen aus den Vorfällen zu ziehen – vor allem, das Schutzkonzept für Kinder weiterzuentwickeln. Als Grundlage für ein Frühwarnsystem seien zudem Risikoanalysen und Qualitätssicherung wichtig, schrieben die Experten.

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