
TRIER. Am gestrigen Dienstagabend startete die Herbst-/Winterstaffel der theologischen Gesprächsreihe „Theo-Talk“ der Katholischen Erwachsenenbildung Trier. Militärpfarrer Andreas Bronder gab einen abwechslungsreichen Einblick in die facettenreiche Tätigkeit der Militärseelsorge.
Von Alexander Scheidweiler
Eine Halbdekade ist der Theo-Talk der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) Trier jetzt alt. Demnächst wird das fünfjährige Jubiläum gefeiert. Doch bevor es soweit ist, startete am gestrigen Montagabend in gemütlicher Runde die Herbst-/Winterstaffel der theologischen Gesprächsreihe. Rund 30 Interessierte hatten sich im Kegel- und Bowlingcenter Trier-Heiligkreuz eingefunden, um den Vortrag „Krieg und Frieden – in der Welt und in mir“ zu hören, für den Militärpfarrer Andreas Bronder vom Katholischen Militärpfarramt Idar-Oberstein gewonnen werden konnte.
Als sie und ihr Mitorganisator Dr. Samuel Acloque die Veranstaltung bereits im letzten Wintergeplant hatten, so Katharina Zey-Wortmann von der KEB, ahnten sie nicht, dass Israel fast genau 50 Jahre nach dem Jom-Kippur-Krieg ausgerechnet am Tora-Fest Simchat Tora brutal von Terroristen der Hamas angegriffen werden würde. „Es ist einfach grauenhaft“, so Zey-Wortmann. Die schrecklichen Bilder zeigten auch, dass es Militärgeistliche brauche, um Soldaten beizustehen.

Militärpfarrer Andreas Bronder war für seinen Vortrag im Tarnfleck erschienen, im „Schutzanzug“, nicht in einer Uniform, wie er erläuterte, denn als Militärpfarrer ist er kein Soldat, hat keinen militärischen Rang und trägt auch keine Waffe. Zudem hatte Bronder einen Helm und eine schusssichere Weste mitgebracht. Diese enthalte eine Keramikplatte, die genau einem Treffer aus einem Kalaschnikow-Sturmgewehr standhalte – danach habe man zwar ein gebrochenes Brustbein, aber man überlebe. „Diese Welt ist einfach kein Ponyhof“, so Bronder mit Blick auf das eindrückliche Anschauungsmaterial. „Wir Menschen haben ein natürliches Aggressionspotential“, fuhr er fort.
Und dies festzustellen, hatte der 58-jährige Bronder, der seit 2015 als Militärpfarrer tätig ist, reichlich Gelegenheit: Der aus Eppelborn-Humes stammende Geistliche, der 1992 zum Priester geweiht wurde, war viereinhalb Monate als Seelsorger bei den deutschen Truppen in Mali und insgesamt sechseinhalb Monate in Afghanistan, u.a. am Hamid Karzai International Airport, der später durch die dramatische Evakuierung beim Abzug der westlichen Truppen im Sommer 2021 traurige Berühmtheit erlangte. Erst vor kurzem war er in Litauen eingesetzt. 2017 war er genau zu der Zeit in Mali, als ein deutscher Kampfhubschrauber vom Typ Tiger abstürzte, wobei zwei deutsche Soldaten ums Leben kamen – ein einschneidendes Erlebnis für ihn, wie Bronder erklärt. In Afghanistan erlebte er einen scharfen Alarm wegen eines mutmaßlichen Attentäters und musste sich in einem Bunker verstecken. Ein abenteuerliches Leben für einen Pfarrer, doch er könne sich gut vorstellen, die Arbeit als Militärpfarrer bis 65 weiterzumachen, so Bronder.

Der Einsatz der Soldaten bei der Ahrflut habe der Bundeswehr Sympathien eingetragen, z.B. den Soldaten der Artillerie in Idar-Oberstein, wo Bronder tätig ist, die sehr schnell mit dem Bergepanzer in dem kleinen Eifelort Schuld, der besonders stark von der Naturkatastrophe betroffen war, präsent waren, um zu helfen. Er selbst war damals mit Schwarzenborner Jägern an der Leichensammelstelle am Flugplatz von Bad Neuenahr eingesetzt, auch dies eine dramatische Situation. Innerhalb der Bundeswehr sei die Militärseelsorge hoch geschätzt: Eine neue Umfrage unter 2000 Soldatinnen und Soldaten ergab eine über 90-prozentige Zustimmung. Selbst konfessionslose Soldaten haben vielfach Kontakt zur Militärseelsorge. „Wir werden von unserem menschlichen Engagement her sehr geschätzt“, sagte Bronder, der sein Tätigkeitsfeld so beschreibt: „Wir begleiten Menschen.“
Zwar spiele „das liturgische Kerngeschäft“ für einen Militärpfarrer nur eine untergeordnete Rolle. Der Gottesdienst werde mehr als „meditative Auszeit“ verstanden, i.d.R. halte er ihn als ökumenischen Wortgottesdienst. Doch gerade „viele Gespräche mit Leuten, die keinen Glauben haben, sind sehr bewegend.“ Und weiter: „Die Soldaten sind einfach froh, dass man da ist.“ Insbesondere nach dem tragischen Hubschrauberabsturz, bei dem die Absturzursache lange unklar blieb, habe er gespürt, dass die Soldaten einfach froh waren, dass jemand da war, der mit einer derart belastenden Grenzsituation umgehen konnte. Rituale seien dann wichtig, sagte Bronder. So habe er nach dem Absturz, der sich an einem Mittwoch ereignete, am darauffolgenden Donnerstag eine Gedenkandacht abgehalten, an der gut dreihundert Personen teilnahmen.
Bronder erläuterte die facettenreiche Tätigkeit des Militärgeistlichen abwechslungsreich und immer im Dialog mit beim Publikum, das er wiederholt ermunterte, Fragen zu stellen, wovon auch reichlich Gebrauch gemacht wurde, wenngleich er den Anwesenden am Ende lakonisch attestierte: „Ihr wart zu brav.“ Etwas kontroverser hätte er es gerne gehabt – was vielleicht daran liegt, dass er gewohnt ist, den Soldaten „lebenskundlichen Unterricht“ im Diskussionsstil zu erteilen. Denn auch das ist Aufgabe des Militärpfarrers: Durch den Unterricht sollen die Soldaten „ethisch-moralisch gebildet werden“. Unter dem Thema „Das Grundgesetz in meinem Alltag“ diskutiere er z.B. über den Gottesbezug in der Verfassung, den Begriff der Würde des Menschen, über Euthanasie oder die Todesstrafe. Dabei gehe es bisweilen auch hoch her. Ziel sei, „dass man eine Haltung für sein Leben aufbaut“.

Dieser Unterricht sei freilich kein Religionsunterricht: „Religion spielt da keine Rolle.“ Umso mehr war Bronder überrascht, als nach einer Sitzung ein Soldat fragte, ob man noch gemeinsam beten und einen Segen empfangen könne: „Ich stand da wie Moses am brennenden Dornbusch.“ Bronder bot dann Gebet und Segen auf freiwilliger Basis an – und acht von zwölf Soldaten nahmen das Angebot an.
Zum Thema des Krieges in eigenen selbst gab der Militärpfarrer den Zuhörerinnen und Zuhörern den Gedanken mit, dass häufig die Unzufriedenheit am Anfang der Aggression stehe. Dagegen helfe sich nicht ständig mit anderen zu vergleichen und für das dankbar zu sein, was man hat.
Katharina Zey-Wortmann überreichte dem Referenten als Dank ein Weinpräsent zum Abschluss und man lies den Abend bei Speisen und Getränken aus der Gaststätte des Kegel- und Bowlingcenters ausklingen.
Weitere Termine des Theo-Talks: 20.11.2023, 11.12.2023, 24.1.2024 und 26.2.2024, jeweils 19.00 Uhr im Bowlingcenter Trier-Heiligkreuz. Mehr Informationen unter: https://www.keb-trier.de/theo-talk.