MAINZ. Die Meinungen zu einem möglichen weitgehenden Verbot von abgekürzt PFAS genannten Chemikalien gehen in Rheinland-Pfalz deutlich auseinander. Das Land ist im Verbund mit Umweltministern anderer Bundesländer für ein umfassendes Verbot der in vielen Produkten verwendeten Chemikalien, so wie es Deutschland und andere Staaten vorgeschlagen haben. Der in Ludwigshafen sitzende weltgrößte Chemiekonzern BASF warnt vor möglichen Folgen einer solchen Maßnahme. Die Chemieverbände Rheinland-Pfalz raten zu einer «differenzierten Betrachtung» von PFAS.
PFAS steht für per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, dahinter verbirgt sich eine Gruppe künstlich hergestellter Chemikalien, zu der geschätzt mehr als 10.000 einzelne Substanzen gehören. Menschen können sie laut Bundesumweltministerium vor allem über Lebensmittel oder Trinkwasser aufnehmen. PFAS stecken in Alltagsprodukten wie Anoraks, Pfannen oder Kosmetik und sind Teil von Industrieprozessen.
Nach Erkenntnissen der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA sind vor allem tierische Lebensmittel mit PFAS belastet. Nach Auswertungen der Umweltprobenbank des Bundes hat die Belastung junger Erwachsener mit bestimmten PFAS in den vergangenen Jahrzehnten zwar deutlich abgenommen. Dennoch besteht nach Einschätzung des Bundesumweltministeriums Handlungsbedarf, um neuen Erkenntnisse zu den Wirkungen dieser Stoffe zu gewinnen.
Deutschland, die Niederlande, Dänemark, Norwegen und Schweden haben im Januar vorgeschlagen, die Herstellung, Verwendung und das Inverkehrbringen von PFAS fast komplett zu verbieten. Der Vorschlag sieht je nach Anwendung Übergangsfristen von bis zu dreizehneinhalb Jahren vor. Für einige wenige Bereiche gäbe es unbegrenzte Ausnahmen. Im März begannen auf europäischer Ebene öffentliche mehrmonatige Konsultationen. Nach Ablauf einer Frist am 25. September will die EU-Chemikalienagentur ECHA ein Verbot beurteilen, entscheiden wird dann die EU-Kommission mit den Mitgliedsstaaten.
Ein solches weitgehendes Verbot für die Stoffgruppe wäre insofern etwas Besonderes, weil nur für relativ wenige der Substanzen direkt nachgewiesen ist, dass sie eine Gefahr darstellen. Es wäre also eher eine Vorsichtsmaßnahme, um Gesundheit und Umwelt zu schützen, wie es die Initiatoren erklären. Wegen der enormen Vielfalt an Verbindungen ist ein Großteil der Stoffe bislang noch nicht untersucht. «Von den relativ wenigen, gut untersuchten PFAS gelten die meisten als mittel- bis hochtoxisch, vor allem für die Entwicklung von Kindern», schreibt die Europäische Umweltagentur (EEA).
Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) betonte kürzlich, es müsse genau geschaut werden, dass es nur dort Ausnahmeregelungen gebe, wo PFAS nicht ersetzt werden könnten. «Vor dem Hintergrund der Gesundheitsschädlichkeit und mangelnder Umweltverträglichkeit ist die Unterstützung eines Verbots auf europäischer Ebene durch Rheinland-Pfalz alternativlos.»
PFAS bauten sich kaum ab, diese «Ewigkeitschemikalie» belaste die Umwelt nachhaltig. Selbst bei sofortiger weltweiter Einstellung aller PFAS-Anwendungen würde es bis zur Reduzierung solcher Stoffe in der Umwelt viele Jahrzehnten dauern, erklärte das Ministerium in Mainz.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schreibt in einem Positionspapier von 2021, PFAS würden wegen ihrer einzigartigen Merkmale in einer Vielzahl von Produkten verwendet. Die Stoffe seien chemisch stabil, auch große Hitze mache ihnen nichts aus. Zudem haben sie eine sehr niedrige Oberflächenspannung, sind so sowohl öl- als auch wasserabweisend.
BASF in Ludwigshafen unterstützt nach eigener Aussage generell «ausgewogene Regulierungsmaßnahmen für PFAS». «Wir befürchten aber, dass der neue Vorschlag zur Beschränkung von PFAS zu einer Unterbrechung von Wertschöpfungsketten führen kann und wichtige Anwendungen in Batterien, Halbleitern, Elektrofahrzeugen und der Produktion erneuerbarer Energien nicht mehr möglich sein werden.» Es sei noch zu früh, um im Detail zu sagen, wie sich die geplanten regulatorischen Maßnahmen auf das Geschäft des Konzerns auswirken würden. Für eine umfassendere Folgenabschätzung müssten die nächsten Schritte abgewartet werden.
Bernd Vogler, Hauptgeschäftsführer der Chemieverbände Rheinland-Pfalz, betonte, die Stoffe würden in der chemischen Industrie dringend benötigt. Unter anderem in Dichtungsringen für Leitungen oder für säurebeständige Verkleidung von Behältern gebe es keine Alternative zu PFAS. Wenn geeignete Alternativen zur Verfügung stünden, würden Betriebe diese auch einsetzen. «Ein pauschales Verbot der über 10.000 Substanzen, wie es die EU derzeit plane, hätte massive Auswirkungen auf die Unternehmen und die Innovationsfähigkeit der Industrie in Europa», warnte Vogler.
Dass Unternehmen wenn möglich auf Ersatzstoffe setzen, zeigen auch Untersuchungen in Rheinland-Pfalz. 2009 seien gewisse Branchen aufgefordert worden, künftig PFAS-Ersatzstoffe zu verwenden, teilte ein Sprecher des Umweltministeriums in Mainz mit. 2018 habe sich bei Messungen an Stellen, wo Abwasser aus Unternehmen dieser Branchen in Gewässer eingeleitet wird, dann gezeigt, dass viele Betriebe auf mutmaßlich weniger gefährliche Stoffe umgestellt hätten.
Grundsätzlich laufen in Rheinland-Pfalz seit 2006 Mess- und Monitoringprogramme zu PFAS. Konkret gibt es laut Ministerium unter anderem etwa alle drei bis vier Jahre flächendeckende Untersuchungen des Grundwassers. Dabei wurden an 214 Messstellen 924 Werte ermittelt, 29 Werte an 13 Messstellen lagen oberhalb einer gewissen Bestimmungsgrenze. Fazit des Umweltministeriums: «Vorkommen von PFAS sind im rheinland-pfälzischen Grundwasser also nicht flächendeckend verteilt, sondern sehr lokal zu finden.»
In der Folge seien Wasserversorger in der Nähe von Messstellen mit nachgewiesenen PFAS-Gehalten gebeten worden, die jeweiligen PFAS-Stoffe zu untersuchen. Hier lagen laut Ministerium einige PFAS-Werte über der Nachweisgrenze, außer im Fall eines Brunnens im Kreis Kaiserslautern musste aber nichts stillgelegt werden. Dort, wo die Nachweisgrenze überschritten worden sei, die Werte aber als unbedenklich eingestuft worden seien, fänden weitere Untersuchungen statt, erklärte das Ministerium. PFAS-Untersuchungen gibt es auch an größeren und kleineren Gewässern, auch Fische werden kontrolliert.
Zudem seien die Kommunen in Rheinland-Pfalz angehalten, ihre Klärschlämme zu untersuchen, weil ein relativ hoher Anteil in der Landwirtschaft genutzt werde. Und im Rahmen eines bundesweiten Programms zur Untersuchung von Böden durch das Umweltbundesamt werden 14 Acker- und 10 Grünland-Standorte in Rheinland-Pfalz regelmäßig angeschaut. Es wird also reichlich untersucht zwischen Westerwald und Pfalz. Im Fokus steht laut Umweltministerium bei all dem: «Im Falle kritischer Schadensfälle gilt zunächst als oberste Priorität, durch vorsorgliche Maßnahmen eine Gefährdung für Menschen auszuschließen.» (Quelle: dpa)