Expertin: Verschwörungstheorien werden auch nach Corona florieren

Gibt es das neue Coronavirus überhaupt? Ist es eine Biowaffe oder nutzen die Regierenden die Krise aus, um Bürgerrechte zu beschneiden? In der Pandemie machen Verschwörungserzählungen die Runde. Neu ist so was nicht, sagt eine Expertin aus Mainz und warnt vor den Folgen.

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Foto: dpa-Archiv

MAINZ. Die vielen im Zuge der Corona-Krise kursierenden Verschwörungserzählungen werden nach Ansicht der Sozialpsychologin Pia Lamberty auch über die Pandemie hinaus wirken. «Ich befürchte, dass von den Narrativen etwas zurückbleibt», sagte die Wissenschaftlerin der Johannes Gutenberg-Universität der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. «Die Grenze des Sagbaren hat sich verschoben.» Das reiche bis hin zur Bagatellisierung des Holocausts, wenn auf Demonstrationen gegen Corona-Auflagen Menschen einen Judenstern trügen.

Lamberty forscht seit Jahren zu Verschwörungstheorien weltweit. Es dürfe nicht vergessen werden, dass es schon immer die Neigung zu Verschwörungen gegeben habe, zumal in Verbindung mit Epidemien oder Krankheiten. Das habe sich während der Pest gezeigt, da sei unter anderem behauptet worden, Juden hätten Brunnen verseucht. Auch während der Spanischen Grippe oder Ausbrüchen von Ebola oder des Zikavirus habe es Verschwörungsgeschichten gegeben. Impfgegner sähen sich als Opfer eines Impfzwangs, seien auch mit nachgeahmten Judensternen auf Demos gewesen.

Diese NS-Vergleiche im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien seien etwas Besonderes in Deutschland, sagte Lamberty. «Das habe ich in dem Maße woanders nicht gesehen.» Dass auch Corona-Verschwörungstheorien gerade hier, wo die Pandemie bislang vergleichsweise glimpflich verlief, Konjunktur haben, wundert die Wissenschaftlerin nicht.

Gerade dass sich die Krise in Grenzen halte, mache es einfacher, das Virus als gar nicht so schlimm darzustellen. In Italien sei es fast unmöglich, das neue Virus zu leugnen. In Deutschland glaubten auch mehr Menschen an Verschwörungstheorien über die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA als in den Vereinigten Staaten selbst.

Doch warum neigen Menschen zu Verschwörungstheorien? «Es ist eine Form des Umgangs mit einer Bedrohung, sie wird entweder heruntergespielt oder personalisiert», sagte Lamberty. Der Glaube, dass die Regierung das Coronavirus erfunden habe, mache die Situation greifbarer. Außerdem erhöhten Verschwörungstheorien die Urheber, sagte die Autorin und Sozialpsychologin. «Sie verfügen scheinbar über Geheimwissen, glauben Dinge zu kennen, von denen andere nichts wissen.» Der Urheber von Verschwörungstheorien erscheine als Widerstandskämpfer gegen Verschwörer. «Man ist in der eigenen Wahrnehmung heroischer», sagte Lamberty.

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5 Kommentare

  1. So eine „Grenze des Sagbaren“ finde ich eine tolle Sache. Ich ziehe die immer genau da, wo meine Meinung endet und die anderen Meinungen anfangen. So gewinne ich jede Debatte und muss mich nicht mehr über das dumme Geschwätz der dummen anderen Leute ärgern 🙂

  2. «Es ist eine Form des Umgangs mit einer Bedrohung, sie wird entweder heruntergespielt oder personalisiert», sagte Lamberty

    und im ÖR werden die Meinungen vorgegeben und wer davon abweicht ist direkt ein böser (womöglich noch rechter) Verschwörungstheoretiker. Einfach mal über den Tellerrand schauen, bei Google werden die Suchergebnisse auch gefiltert -> schon mal andere Suchmaschinen ausprobiert?

  3. “ Doch warum neigen Menschen zu Verschwörungstheorien? “

    Bei mir fing das an, als ich feststellen musste, dass unsere Regierenden sich schlichtweg nicht um Gesetze kümmern.

    Staatsanwaltschaften sind weisungsgebunden (unterliegen hierzulande also dem Diktat der SPD), wie soll da ein Rechtsstaat funktionieren? Wenn die Leute dann permanent mitbekommen, wie Gesetze konsequent von de Regierung gebrochen werden, führt das zu „Verschwörungstheorien“. So einfach ist das.

    Sollte Frau Sozialpsychologin Pia Lamberty noch Rückfragen dazu haben, stehe ich gerne zur Verfügung 😉

  4. Schön ist auch immer, wenn Verschwörungstheorien dann irgendwann zur Realität werden.
    Am besten ist, wenn wir alle immer schön dem Fernsehen ALLES glauben. Denn nur die kennen die WAHRHEIT.
    Das war schon immer so, auch in der DDR.

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