
TRIER. Nach einem 16-jährigen Marathon ist die Restaurierung des Nordflügels des frühgotischen Kreuzgangs der Trierer Benediktinerabtei St. Matthias abgeschlossen. Ein neues, schönes und denkmalpflegerischen Anforderungen entsprechendes Dach ersetzt das jahrzehntelange Provisorium des Notdaches aus den 50ern. Abt Ignatius Maaß, der Kuratoriumsvorsitzende und ehemalige Trierer OB Helmut Schröer und Architekt Karl Feils freuen sich über den krönenden Abschluss des Mammutprojekts, der mit einem großen Kreuzgangfest am 13. Juli gefeiert wird.
Von Alexander Scheidweiler
Man merkte Abt Ignatius Maaß die Freude über den gelungenen Abschluss der 16-jährigen Restaurierung des Nordflügels des frühgotischen Kreuzgangs an: „Seit 210 Jahren ist der Mattheiser Kreuzgang nicht so schön gewesen wie jetzt“, so der Abt der Benediktinerabtei St. Matthias bei einem Pressetermin am heutigen Donnerstag. Das jahrzehntelange Provisorium des Notdaches über dem Nordflügel ist nun durch eine elegante, fast luftig-leichte Konstruktion ersetzt, deren schlanke Stahlstützen die neue, flachere Überdachung tragen und die beiden erhaltenen Joche links und rechts harmonisch integrieren. Die sehr lange Dauer der Restaurierung hat natürlich eine noch längere Vorgeschichte, die weit ins 19. Jahrhundert zurückreicht und von vielen überraschenden Wendungen in den Stürmen der Geschichte geprägt ist:
Nach der Auflösung des Klosters unter Napoleon im Jahre 1802 wurde im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts der Nordflügel des Kreuzgangs abgerissen, so dass Kreuzgang und Basilika baulich getrennt wurden, erläuterte der Abt. Die Klostergebäude wurden privatisiert und in der Folge von der Familie von Nell als Gutshof genutzt. Auf Betreiben des Trierer Bischofs Felix Michael Forum siedelten sich 1922 wieder Benediktiner an. Da die Familie von Nell die Räumlichkeiten aber weiterhin bewohnte, zogen die Mönche zunächst in das heutige Pfarrhaus, unter recht beengten Verhältnissen. Die Verhandlungen mit den von Nell zogen sich bis in die 30er-Jahre. Kaum war man sich endlich einig geworden, da löste das NS-Regime 1941 das Kloster im Rahmen des großen Raubzuges der Nazis gegen die katholischen Ordensgemeinschaften wiederum auf. Doch schon 1945 kehrten die Benediktiner erneut nach St. Matthias zurück. Erst ab diesem Zeitpunkt wurde das eigentliche Klostergebäude wieder für die Nutzung durch die Mönchsgemeinschaft hergerichtet, mit Zellen, Wohnbereich und Refektorium (Speisesaal). In den 50er-Jahren wurde auch der Kreuzgang restauriert, zunächst die drei noch bestehenden Flügel.

Bemerkenswert sind die im Rahmen der damaligen Restaurierung von dem Bildhauer Willi Hahn geschaffenen Kapitelle mit biblischen Szenen, wie der Abt unterstrich: „Das sind hervorragende Steinarbeiten, die die Heilsgeschichte darstellen, von der Schöpfung über die Neuschöpfung in Christus und die Kirchengeschichte bis hin zur Apokalypse, also dem Ende der Welt.“ Diese Kapitelle lieferten „Bilder in Stein, die im Grunde abbilden, was die Seele des Ganzen ist“: Es gehe um die Geschichte von Jesus und seinen Anhängern, von der her die Benediktiner ihr Leben gestalten. Diesen spirituellen Kern von St. Matthias stellten Hahns Kapitelle dem Betrachter vor Augen.
Der Nordflügel erhielt 1958 das erwähnte Notdach aus Anlass der Heilig Rock-Wallfahrt im darauffolgenden Jahr. Das Notdach war, wie die Bezeichnung nahelegt, als Provisorium gedacht, und zwar für nur vier Jahre – gehalten hat es dann stolze 66 Jahre. Da während der Heilig Rock-Wallfahrt festgestellt wurde, dass der Turm der Basilika einsturzgefährdet war, begann eine große statische Sicherung der Kirche. Der Nordflügel musste erstmal zurückstehen – für viele Jahrzehnte, wie sich zeigen sollte. Im Grunde sei der Nordflügel des Kreuzgangs somit „seit 1959 offene Baustelle geblieben“, so Abt Ignatius. Erst mit einem Beschluss des Konvents im Jahre 2009 kam der Nordflügel wieder in den Blick und Bewegung in die Sache. Planung, Voruntersuchung und Arbeiten begangen im Jahre 2010, nun sind sie zu einem krönenden Abschluss gelangt: „Jetzt ist das Ergebnis da und alle, die es bisher gesehen haben, sind mehr als sehr zufrieden“, freute der Abt sich. „Wir selber, als Gemeinschaft, die hier lebt, sind dafür sehr dankbar, aber auch unsere Besucher.“

Der ehemalige Trierer Oberbürgermeister und Kuratoriumsvorsitzende Helmut Schröer sagte, dass schon 2007, im letzten Jahr seiner Amtszeit als OB, über das Projekt gesprochen wurde und schnell klar war, dass die Finanzierung aufgrund des siebenstelligen Finanzbedarfes schwierig werden würde. In der Folge wurde im selben Jahr die St. Matthias Stiftung und zwei Jahre später das Kuratorium gegründet, um den Bezug des Klosters zur Trierer Bevölkerung herzustellen und die Sanierung zu unterstützen. Schon eine erste Grobschätzung durch Architekt Karl Feils kam auf einen Finanzbedarf von 4,1 Millionen Euro. Diesen Betrag zu stemmen, war eine gewaltige Herausforderung. Zwei Pfunde gab es aber, mit denen man wuchern konnte: Erstens den Umstand, dass es sich bei St. Matthias um ein Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung handelt. Der Kreuzgang ist eines von nur drei Beispielen für die französische Frühgotik in Deutschland – die anderen beiden sind die Trierer Liebfrauenkirche und St. Elisabeth in Marburg. Das bedeutet zugleich, dass der Mattheiser Kreuzgang als Kreuzgang im Stil der französischen Frühgotik in Deutschland einzigartig ist. Das zweite Pfund besteht in der besonderen Bedeutung von St. Matthias für Trier und die Trierer: „St. Matthias ist ja nicht irgendeine Kirche“, sagte Schröer. „St. Matthias ist ein besonderes Stück der Stadt Trier.“ Die Klosterkirche sei nach dem Dom die zweitwichtigste Kirche der Stadt, so der ehemalige Oberbürgermeister, eine Einschätzung, die der Abt unter Verweis auf den Umstand, dass die ersten Bischöfe Triers in St. Matthias begraben sind und sich unter der Basilika das Apostelgrab befindet, bestätigte. Mit dem Abschluss der Sanierung werde zugleich ein weiterer Anziehungspunkt in der Stadt geschaffen, meinte Schröer.
Dieser besondere Rang von St. Matthias war die Grundlage dafür, dass Land und Bund die Sanierung finanziell unterstützten, und so die stolze Summe von letztendlich 4,4 Millionen Euro aufgebracht werden konnte. 100.000 Euro fehlen zwar noch, doch die Stiftung hofft auf weitere Spenden – 1,5 Millionen Euro an Spenden konnten bereits gesammelt werden, ein beeindruckender Beweis der Verbundenheit der Trierer Bevölkerung mit St. Matthias. Auch die Stadt Trier sei hilfreich gewesen, so Schröer.

Der Abschluss des Großprojektes soll selbstverständlich auch gebührend gefeiert werden. Zunächst lädt die Abtei am Benediktstag, dem 11. Juli, einem Freitag, zu „Gregorianik plus Gitarre“ ein, einem Abendlob in der Basilika um 19.30 Uhr. Die Mönche tragen gregorianische Gesänge vom Benediktsfest vor, Henrik Dewes, der Gewinner des Kompositionspreises des Deutschlandfunks im Rahmen des Deutschen Musikwettbewerbs 2024, musiziert auf der Gitarre. Zwei Tage später, am Sonntag, den 13. Juli, findet dann das große Kreuzgangfest statt, das um 10.00 Uhr mit einer Messe in der Basilika beginnt, die Bischof Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, zelebrieren wird. Der Schlusssegen des Gottesdienstes wird nicht in der Basilika erteilt, sondern im Kreuzgang, „weil wir nicht tote Steine segnen wollen, sondern die Gemeinschaft der Menschen“, so der Abt. Daran schließt sich die Gelegenheit zum Besuch des Kreuzgangs an. Im Speisesaal der Abtei wird eine Suppe angeboten, ab 14.00 Uhr Kaffe und Kuchen. Um 13.00 Uhr bietet Architekt Karl Feils eine Führung durch den Kreuzgang an. Mit einem offenen Singen im Kreuzgang, gestaltet von Martin Folz und den Mitgliedern des Jugendchores des Theaters Trier, endet um 15.00 Uhr das Kreuzgangfest.
Architekt Karl Feils sagte, man könne für das Projekt geradezu von einem dreifachen Marathon sprechen: Einem Marathon von der Zerstörung des Nordflügels im Zeitalter Napoleons an, einem Marathon von der Sanierung des Kreuzganges in den 50er-Jahren an und dem Marathon der vergangenen 16 Jahre, in denen der Nordflügel nun endlich saniert wurde. Er sei sehr dankbar dafür, so der Architekt, dass früh Einigkeit herrschte, die Restaurierung gründlich durchzuführen. Es war klar: „Ja, wir müssen ganz tief anpacken, ja wir müssen trockenlegen, wir müssen die Technik neu machen.“ Das seien alles Dinge, „mit denen man keine Punkte sammeln kann“, jedenfalls keine schnellen. Doch indem man unter Berücksichtigung der Erfordernisse von Archäologie und Statik methodisch in sieben Bauabschnitten vorging, ist nun eine ästhetisch befriedigende und denkmalpflegerisch grundsolide Lösung entstanden, die mit einer modernen Ergänzung die rekonstruktive Restaurierung der 50er-Jahre abschließt.

Eine rekonstruktive Restaurierung war für den Nordflügel allerdings keine Option. „Rekonstruktion hätte bedeutet, man hätte die Bögen vollständig ergänzen müssen, man hätte die kleinen Triforien und die Fünfpässe ergänzen müssen“, erklärte Feils. Es seien aber zu wenige Anhaltspunkte vorhanden, um genau rekonstruieren zu können, wie die bauliche Gestaltung des Nordflügels einst aussah. Eine Rekonstruktion wäre somit ein Stück weit spekulativ gewesen. Hinzu kommt, dass der Kreuzgang zwar auf den ersten Blick sehr einheitlich wirkt, der Fachmann jedoch erkennen kann, dass es „von Flügel zu Flügel immer wieder ganz leichte Variationen gibt“, sagte Feils. Der Kreuzgang zeugt also von einer langen Baugeschichte, angesichts derer der Nordflügel nicht einfach in einer Weise „rekonstruiert“ werden kann, die eine bestimmte baugeschichtliche Phase widerspiegelt.
Für das neue Dach habe man eine „minimalistisch Architektur“ gewählt, so der Architekt. Diese sei leicht und schlank und veranschauliche die Konstruktion, „genauso wie man im Mittelalter mit den Rippen das Tragwerk gezeigt hat und erlebbar gemacht hat, wie die Kräfte fließen“. Die schlanken Stahlträger, die die Konstruktion tragen, sind nur 25 Millimeter breit – „kein Industrieprofil“, wie Feils betonte. Sie liegen auf Basaltkonsolen, die an der Wand neu angebracht wurden und in die Masse der Kirchenaußenwand hineinspielen. Die Bogenfragmente der Joche eins und sieben links und rechts mussten stabilisiert werden und fügen sich jetzt in das Ganze ein.

Die Stahlstützen der neuen Dachkonstruktion ruhen auf den noch vorhanden Säulenstümpfen. Sie „haben natürlich eine architektonische Aussage: Sie sind leicht, sie signalisieren eine gewisse Transparenz und letzten Endes gibt es den Anklang an die runden Säulen, die ohnedies vorhanden sind.“ Es sei sehr schön zu sehen, welch ruhige Proportionen in den klaren Quadraten der Felder entstehen, so der Architekt. Auch der Blick auf die Südfassade der Kirche, der zuvor durch das steilere Notdach verdeckt war, werde nun freigegeben. Das flachere Dach fügt sich farblich und von der Textur her in das Ensemble der umgebenden Schieferdächer, wobei die erneute Verwendung von Schiefer wie im Falle des Notdaches nicht in Betracht kam, da Schieferdächer einen stärkeren Neigungswinkel benötigen, um schnell zu trocknen und nicht zu verwittern sodass die Fassade wiederum verdeckt worden wäre. Auch nehme die flachere Konstruktion dem Dach die unschöne Wichtigkeit, wie der Abt ergänzte.
Bereits seit einiger Zeit macht die Mönchsgemeinschaft an mehreren Sonntagen im Jahr den Kreuzgang als sog. „Offenen Kreuzgang“ Gästen und Pilgern zugänglich. An den jeweiligen Sonntagen kann der Kreuzgang nachmittags von 15.30 Uhr bis zur Vesper um 18.00 Uhr besucht werden, teilweise mit musikalischem Programm, etwa einem Orgelkonzert in der Basilika oder Lautenmusik in der Krypta. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Derartige Angebote könnten sich nun, da die Restaurierung abgeschlossen ist, weiterentwickeln, sagte Abt Ignatius. So fand etwa der Gottesdienst mit Kerzenprozession zu Mariä Lichtmess im Kreuzgang statt. Zudem sind Führungen möglich, Termine können unter [email protected] oder 0651/17090 vereinbart werden.
Und noch eine weitere Besonderheit wird es beim Kreuzgangfest am 13.7. geben: Das stark verblasste, aber kunstgeschichtlich bedeutende Fresko der thronenden Madonna, das sich über dem Eingang der Sakristei vom Kreuzgang aus befindet, wird in besonderer Weise präsentiert: Auf das Werk aus dem 13. Jahrhundert, das phasenweise mit Putz bedeckt war und Anfang des 20. Jahrhunderts wieder freigelegt wurde, werden die Konturen projiziert, die die Restauratoren identifizieren konnten, so daß die Figuren des Gemäldes erkennbar sein werden.
Spenden an die St. Matthis Stiftung sind unter folgenden Konten möglich: Sparkasse Trier: IBAN DE89 5855 0130 0000 4985 19, Volksbank Trier: IBAN DE21 5856 0103 0001 3710 06, Pax-Bank Trier DE30 3706 0193 3013 9080 19.
Weitere Informationen unter https://abteistmatthias.de/.