
MAINZ. Der Politologe David Sirakov sieht für das neue Nato-Ukraine-Kommando in Wiesbaden vor allem logistische Gründe. «Die Wahl kann mit einer verbesserten Effizienz und Schnelligkeit von Hilfsmaßnahmen begründet werden», sagte Sirakov der Deutschen Presse-Agentur.
In Wiesbaden befinde sich mit dem Hauptquartier der US-Army in Europa (USAREUR-AF) ein bereits heute strategisch bedeutender Standort für logistische und operative Planungen. «Überaus wichtig ist auch, dass das Kommando von den USA auf die Nato übergeht. Die Unterstützung der Ukraine wird damit auf breitere Schultern verteilt und deutlich stärker institutionalisiert», meinte der Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz. Die Ungewissheit, wie die US-Präsidentschaftswahl im November ausgehe, sei sicherlich auch einer der treibenden Faktoren. «Hinzu kommt, dass Deutschland geografisch günstig liegt, politisch weitgehend stabil ist und über eine gut entwickelte Infrastruktur verfügt.»
Ramstein-Treffen weiter möglich
Der neue Schwerpunkt Wiesbaden müsse nicht zwingend das Ende der Ukraine-Treffen in Ramstein bedeuten, sagte Sirakov. «Die Ramstein Air Base ist und bleibt eine der bedeutendsten Basen der US-Luftwaffe und ein zentrales Drehkreuz für militärische Operationen in Europa und Afrika.» Die Treffen könnten auch deshalb dort weiter stattfinden, da der Flugplatz in der Pfalz über entsprechende Möglichkeiten verfüge, ein größeres Flugaufkommen zu bearbeiten. «Dazu zählt, dass größere Flugzeuge in Ramstein ohne Probleme landen können. Mögliche Transfers etwa nach Wiesbaden wären dann nicht nötig.»
Die angekündigte Stationierung von weitreichenden US-Waffen in Deutschland sende ein Signal der Stärke und Abschreckung sowie des Engagements der Administration von US-Präsident Joe Biden zur Nato und zur Verteidigung Europas, betonte Sirakov. Gleichwohl müsse man die Erklärung der USA und Deutschlands mit Einschränkungen sehen.
«Der Beginn der Stationierung wird mit 2026 angegeben, und es handelt sich nur um ein Abkommen zwischen Regierungen – keinen Vertrag. Ein solcher müsste von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden – eine Hürde, die Biden im hoch polarisierten US-Senat nicht überspringen kann», meinte der Politologe. Damit werde viel vom Wahlausgang im November und den künftigen Beziehungen zwischen Berlin und Washington abhängen, ob und in welchem Umfang es tatsächlich zu einer Stationierung kommen werde. (Quelle: dpa)