
In feierlichem Rahmen wurden am gestrigen Mittwochabend in der Wissenschaftlichen Bibliothek der Stadt Trier zwei wichtige Neuerscheinungen zur Stadtgeschichte vorgestellt: der aktuelle Band des Kurtrierischen Jahrbuchs und die erste vollständige Geschichte der Wissenschaftlichen Bibliothek von den Anfängen bis zur Gegenwart. Der luxemburgische Nachwuchs-Historiker Bastien Dubuisson hielt den Festvortrag auf Grundlage seiner im Entstehen begriffenen Dissertation zu den Trierer Märtyrern.
Von Alexander Scheidweiler
Der Direktor der Wissenschaftlichen Bibliothek, Prof. Dr. Michael Embach, stellte am gestrigen Abend dem zahlreich erschienenen Publikum den aktuellen, 62. Band des Kurtierischen Jahrbuches vor, an dessen Herausgabe die Wissenschaftliche Bibliothek, der Verein Kurtrierisches Jahrbuch, das Bistumsarchiv und die Gesellschaft für Nützliche Forschungen beteiligt sind. Auf Nachrufe und bibliographische Zusammenstellungen folgen im vorliegenden Band für 2022 zwölf wissenschaftliche Beiträge, die Stadttrierische Chronik sowie sechs Rezensionen wissenschaftlicher Neuerscheinungen.

Das Spektrum der wissenschaftlichen Beiträge reicht von einem Aufsatz über Ausonius und den lateinischen Namen Bingens von Dr. Paul Dräger über eine Arbeit zu den Trierer Welschnonnen – „Bildung und Erziehung in einer katholischen Ordensschule der Frühen Neuzeit“ – von Dr. Walter Kuhfuß sowie eine Untersuchung zu Trierer Intellektuellen im Umfeld der Französischen Revolution, verfasst von Dr. Wolfgang Hans Stein, bis hin zu dem Vortrag, den Prof. Dr. Franz Dorn anlässlich der Feierstunde zum 75. Landesjubiläum von Rheinland-Pfalz in der Wissenschaftlichen Bibliothek über Entstehung und Entwicklung der Landesverfassung im Mai gehalten hatte (lokalo berichtete). „Ich denke, da könnte für manch einen was dabei sein“, resümierte Embach und fügte hinzu, dass das Jahrbuch mit einem Preis von gerade einmal 15 Euro „niemanden in den Ruin treiben dürfte“.
Bastien Dubuisson widmete sich im Festvortrag „Das Martyrium der thebaischen Legion und der Bürger von Trier“ der hagiographischen, also auf die Heiligen bezogenen, Überlieferung Triers im Mittelalter und der Frühen Neuzeit. Dubuisson dankte für die Gelegenheit, seine Forschungen zu den hagiographischen Handschriften Triers einem Trierer Publikum vorstellen zu können. Der Doktorand der Universität Luxemburg stellte zunächst dar, dass die Erhebung des Heiligen Rocks im Trierer Dom im Jahre 1512 „zur letzten großen hagiographischen Kampagne mit mittelalterlichem Charakter in der Stadt Trier führte“. Bei seinem Besuch in Trier anlässlich eines Reichstages erwies Kaiser Maximilan I. sich durch die Erhebung der Christusreliquie als „geschickter Stratege der politischen Kommunikation“, da diese „seinen cäsaropapistischen Ambitionen“ diente und „geschickt über den Druck verbreitet“ wurde. Zudem profitierte der Trierer Klerus von der Erhebung, da die sie zur Einrichtung einer Wallfahrt führte. In diesem Kontext kam es zur Abfassung von hagiographischen Schriften, um den Kult zu fördern und Kritiker zum Schweigen zu bringen.

Die außerhalb der damaligen Stadtmauern im Norden der Stadt gelegenen Kirchen verfügten über einige der wichtigsten Trierer Reliquien sowie über zu diesem Zeitpunkt bereits jahrhundertealte hagiographische Traditionen. Dies gilt für die Benediktinerabtei St. Maximin, die Stiftskirche St. Paulin sowie die Benediktinerabteien St. Maria ad martyres und St. Martin. War St. Maximin das älteste hagiographische Zentrum der Stadt, so war St. Paulin die Hauptverehrungsstätte der Trierer Märytrer, die während der antiken Christenverfolgungen getötet wurden.
Dubuisson zeigte, ausgehend vom Beispiel der im frühen 15. Jahrhundert entstandenen hagiographischen Schriften, dass sich das Verhältnis der nördlichen Trierer Kirchen mit dem aus der Volkswirtschaftslehre stammenden Begriff der Koopkurrenz beschreiben läßt, also einer Kombination aus Kooperation und Konkurrenz. Stets ging es darum, sich über die Konstruktion der hagiographischen Erzählung Reliquien oder den Vorrang hinsichtlich des Kultes bestimmter Heiliger anzueignen. „Das hagiographische Schreiben wurde während des gesamten Mittelalters von Konkurrenz und Oppositionsverhältnissen bestimmt.“ Jedoch gilt auch: „Auch auf hagiographischem Gebiet gab es Formen der Zusammenarbeit.“

Archivleiterin Dr. Simone Fugger von dem Rech leitete über zur Geschichte der Wissenschaftlichen Bibliothek der Stadt Trier. Sie trägt den Titel „Bibliotheca publica civitatis Trevirensis: Die Wissenschaftliche Bibliothek der Stadt Trier“, stammt aus der Feder des langjährigen Leiters des Hauses, Prof. Dr. Gunther Franz und bildet den 11. Band der Reihe „Publikationen aus dem Stadtarchiv Trier“. Sie ist zugleich Festschrift aus Anlass des 80. Geburtstages des Verfassers. Fugger von dem Rech sagte, sie habe sich anlässlich ihrer Bewerbung als Archivleiterin auf die Suche nach einer umfassenden Institutionengeschichte des Hauses begeben und habe feststellen müssen, dass eine solche nicht existierte. „Dass dieses Manko so kurze Zeit später behoben sein würde“, habe sie seinerzeit nicht geahnt, so die Archivleiterin. Umso mehr freue sie sich, dem Autor für das Schließen der Forschungslücke zu danken.
Franz stellte den Band, der 29 wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte des Hauses beinhaltet, exemplarisch vor. Seinen Wechsel von Tübingen nach Trier vor mittlerweile 40 Jahren habe er nie bereut, wie man an dem stark 500 Seiten umfassenden Werk auch sehen könne, so Franz. Der Bogen spannt sich von den vorkarolingischen Handschriften und Fragmenten und der Bibliothek der Trierer Franziskaner über die Verbindung von Stadtbibliothek und Stadtarchiv und deren Leiter bis 1981 und 1990 bis zu den Bemühungen um die Handschriftenkatalogisierung im Laufe von 200 Jahren und der Bedeutung des nahezu vollständigen Bestandes der Trierer Zeitungen aus 275 Jahren.
Das Kurtierische Jahrbuch und die Geschichte der Wissenschaftlichen Bibliothek der Stadt Trier sind im Trierer Verlag für Geschichte und Kultur erschienen.