FRANKENTHAL. Kinderheime, Drogen, abgebrochene Ausbildung – es ist ein trostloses Bild, das die beschuldigten Eltern im Prozess um die Misshandlung ihres kleines Sohnes am zweiten Verhandlungstag von ihrem eigenen Leben zeichnen. Sie sei mit der Situation nach der Geburt des Kindes überfordert gewesen, räumt die angeklagte Mutter im gut gefüllten Gerichtssaal in Frankenthal am Dienstag ein.
Aber niemals habe sie dem Säugling willentlich Schaden zugefügt. Die lebensgefährlichen Verletzungen müssten von ihrem Lebensgefährten stammen. Der 24-Jährige äußerte sich nicht dazu. Er gibt an diesem Tag zwar Auskunft über seine Kindheit und Jugend. Sonst aber schweigt er.
Die Anschuldigungen wiegen schwer: Die Staatsanwaltschaft wirft dem Paar aus Ludwigshafen vor, im Oktober 2018 das damals erst sieben Wochen alte Kind schwer misshandelt zu haben. Der Säugling soll schwerste Verletzungen im Rektal- und Genitalbereich sowie Schädel- und Rippenfrakturen erlitten haben. Der 26 Jahre alten Mutter drohen bei einer Verurteilung wegen Körperverletzung, Misshandlung und sexuellen Missbrauchs 5 bis 15 Jahre Gefängnis, dem Vater 1 bis 10 Jahre. In einer Pause bezweifelt eine Vertreterin der Staatsanwaltschaft die Schilderung der Mutter. «Das ist nicht das, wovon wir ausgehen.»
Gleich zu Beginn des Verhandlungstages lässt die Angeklagte ihren Anwalt mitteilen: Sie gehe davon aus, dass ihr nach einer Kneipentour alkoholisierter und aggressiver Lebensgefährte seinen Zorn an dem sieben Wochen alten Kind ausgelassen habe. Der Mann, der schon früher oft jähzornig gewesen sei, habe in der Vergangenheit das weinende Kind an den Beinen hochgezogen sowie möglicherweise fallengelassen.
Zunächst habe sie gedacht, sie habe dem Kind die Verletzungen im Analbereich aus Versehen beim Fiebermessen zugefügt. Aber sie sei sicher, das Thermometer nicht zu weit eingeführt zu haben. Sexuelle Misshandlungen des Kindes schließt die 26-Jährige ganz aus. Auch der Vater habe sich ihres Wissens nach nie an dem Jungen vergangen.
In Handschellen, das Gesicht hinter einem Aktenordner versteckt, war die Mutter in den Saal geführt worden. Ihr Lebensgefährte verhüllte seinen Kopf mit der Kapuze eines Kapuzenpullovers. Der Prozess in der pfälzischen Stadt wird von starken Sicherheitsvorkehrungen begleitet, ein Grund dafür sollen Drohungen im Internet gegen das Paar sein.
«Ich hatte stets den Wunsch nach einer glücklichen Familie», betont die Angeklagte. Ihre Mutter arbeitete demnach als Prostituierte, ihren Vater hat sie nie kennengelernt. Sie wächst in Heimen auf und schafft die mittlere Reife, tut sich aber mit Ausbildungen schwer. Unsicher, überfordert, unter Druck – diese Situationen habe sie immer wieder erlebt. Eine Zeit lang nahm sie Drogen, von Männern fühlt sie sich ausgenutzt. Am Ende ihrer Erklärung wischt sie sich Tränen weg.
Auch der Angeklagte hat seinen Vater nach eigenen Angaben nie kennengelernt. Auch er berichtet von Heimaufenthalten, von Drogenkonsum und einem unstabilen Arbeitsleben.
Nach den Aussagen der Angeklagten stand die Anhörung erster Zeugen an. Dazu hatte das Gericht eine Kinderärztin und eine Sprechstundenhilfe geladen. Angesetzt sind in Frankenthal Verhandlungstage bis Mitte Juni.