Von bedrückend bis sehr zufrieden: Reaktionen auf Europawahl in Rheinland-Pfalz

Das Europawahl-Ergebnis hallt im politischen Rheinland-Pfalz nach, ganz unterschiedlich. Es wird nach Berlin gezeigt und über Mediennutzung geredet. Abwarten ist bei den Kommunalwahlen angesagt.

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Menschen gehen in Trier zum Wahlraum, um Stimmen für die Europa- und die Kommunalwahl abzugeben. Foto: Harald Tittel/dpa

MAINZ. Großer Wahlsieger CDU, erstarkte AfD, lange Gesichter bei SPD und Grünen. So lassen sich das Ergebnis der Europawahl in Rheinland-Pfalz und dessen Folgen grob zusammenfassen.

Entsprechend fielen die Reaktionen in der Landespolitik aus, die zudem noch auf Ergebnisse der Kommunalwahlen wartet.

Die CDU holte bei der Europawahl am Sonntag 30,7 Prozent der Stimmen. Das waren zwar 0,6 Prozentpunkte weniger als vor fünf Jahren, und doch wurde die Union in allen zwölf kreisfreien Städten sowie allen 24 Landkreisen stärkste Partei. 2019 hatten noch die Grünen in den Universitätsstädten Mainz, Landau und Trier die meisten Stimmen eingefahren.

Mit der Marke um die 30 Prozent sei er sehr zufrieden, sagte Gordon Schnieder, CDU-Generalsekretär und Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag, am Montag in Mainz. Es sei aber durchaus noch Luft nach oben.

AfD sieht sich auf Weg zur Volkspartei

Der zweite Wahlgewinner war die AfD, die mit 14,7 Prozent (plus 4,9) drittstärkste Kraft wurde. In Germersheim landete sie bei der Europawahl sogar mit 27,2 Prozent auf Rang eins. Landeschef Jan Bollinger nannte den Wahlausgang am Sonntagabend einen «wichtigen Meilenstein» auf dem Weg, in Rheinland-Pfalz eine Volkspartei zu werden.

Die im rheinland-pfälzischen Landtag vertretenen Freien Wähler erhielten 5,2 Prozent (plus 2,3), für den stellvertretenden Landesvorsitzenden Christian Zöpfchen ein herausragendes Ergebnis. Besonders erfreulich sei, dass der rheinland-pfälzische Spitzenkandidat Joachim Streit den Einzug in das Europaparlament geschafft habe. Damit muss auch der Posten des Fraktionschefs der Freien Wähler im Landtag in Mainz neu vergeben werden.

Ganz anders die Gemütslage beim Gros der Ampel-Parteien, die in Rheinland-Pfalz die Landesregierung stellen. Die SPD erzielte ein Ergebnis von 17,5 Prozent (minus 3,8), die Grünen kamen auf 9,3 Prozent (minus 7,4) und die FDP auf 5,9 Prozent (plus 0,1). Die SPD-Fraktionschefin Sabine Bätzing-Lichtenthäler nannte das Abschneiden der Sozialdemokraten enttäuschend, mit Blick auf die Werte der AfD bedrückend.

Bätzing-Lichtenthäler: Menschen haben Ventil gesucht

Ein Stück weit hätten die Menschen ein Ventil gesucht für den Frust, den sie mit der Ampel im Bund verspürten, sagte Bätzing-Lichtenthäler am Montag. Sie hoffe, dass nun verstanden werde, dass offener Streit einzudämmen sei. «Man kann um die besten Lösungen ringen, aber nicht in der Öffentlichkeit.» Gleichzeitig halte sie nichts davon, nun kurzfristig über Personalwechsel nachzudenken.

Grünen-Fraktionschefin Pia Schellhammer bezeichnete das Resultat der Europawahl als «herben Dämpfer». Die Verluste etwa bei jungen Wählern schmerzten. Entscheidend werde, wie junge Menschen wieder erreicht werden könnten. Richtung Bundes-Ampel müsse klar gemacht werden, dass die Art der Kommunikation deutlich besser werden müsse. Bei allem dürfe aber auch nicht vergessen werden, dass die Grünen bei der Europawahl 2019 ein herausragendes Ergebnis eingefahren hätten, auf dem Höhepunkt der Klimaproteste.

Deutlich positiver reagierte FDP-Fraktionschef Philipp Fernis auf den Ausgang der Europawahl. In einer Gemengelage, in der der FDP auch Existenzfragen gestellt worden seien, nehme er das Ergebnis mit Zufriedenheit zur Kenntnis, sagte Fernis am Montag. Seine Partei habe das Thema der Entlastungen von Bürgerinnen und Bürgern richtig gesetzt. Dagegen müsse sich die SPD ganz andere Fragen stellen. Das Thema Sozialstaat etwa sei für arbeitende Menschen ein viel kleineres als für die organisierte Sozialdemokratie.

Mehrere Politiker haben Tiktok im Blick

Er habe die Hoffnung, Menschen, die diesmal AfD gewählt hätten, zurückzugewinnen. «Gerade bei jungen Menschen sind die Chancen enorm hoch», sagte Fernis. Eine zentrale Frage sei, wie mit der Veränderung des Mediennutzungsverhaltens umgegangen werde. Wenn man sehe, dass die AfD auf Tiktok mehr Follower habe als alle anderen Parteien, müsse man sich fragen, inwieweit das an der Logik und dem Funktionieren des Netzwerks liege.

CDU-Fraktionschef Schnieder sagte, auch wenn es noch zu früh für eine eingehende Analyse sei, müsse über Tiktok geredet werden, wo sehr oft einfache und kurze vermeintliche Antworten gegeben würden. Insgesamt sei ein enormer Vertrauensverlust in alle etablierten Parteien zu spüren, es brauche wieder mehr Verlässlichkeit in der Politik. Eine Europawahl sei immer ein Stück weit eine Protestwahl.

Als Protest wertete Schnieder auch das Abschneiden der neuen Partei BSW von Sahra Wagenknecht, die auf Anhieb bei der Europawahl auf 4,7 Prozent in Rheinland-Pfalz kam. Parteimitglied Andreas Hartenfels, der als fraktionsloser Abgeordneter auch im Landtag sitzt, sprach mit Blick auf das Gesamtergebnis der Europawahl von einer «klaren roten Karte für die Ampelregierung in Berlin».

Anders als das Ergebnis der Europawahl lag das landesweite Resultat der Kommunalwahl in Rheinland-Pfalz noch nicht vor. Bei der Abstimmung für die Kreistage, Stadt- und Gemeinderäte sowie Ortsbeiräte war es möglich, mehrere Stimmen zu vergeben. Die Wählerinnen und Wähler konnten ihre Stimmen auf verschiedene Kandidaten verteilen oder einem einzelnen Bewerber mehrere geben. Wegen dieses komplizierten Systems wird erst Mitte der Woche mit dem abschließenden Ergebnis gerechnet.

Klar ist bereits, dass die CDU-Fraktion einen neuen Parlamentarischen Geschäftsführer braucht. Der bisherige, Martin Brandl, wurde am Sonntag bereits im ersten Wahlgang zum neuen Landrat des pfälzischen Kreises Germersheim gewählt, mit 50,0 Prozent der gültigen Stimmen. «Es ist ein Traumjob, Verantwortung für den Heimatkreis zu übernehmen», sagte Brandl am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Das sei seine Hauptmotivation gewesen, von Mainz nach Germersheim zu wechseln.

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