Zeuge: Dramatischer Anruf in Flutnacht bei Lagezentrum

Selbst ein erfahrener Hubschrauberpilot kann sich nicht an Bilder erinnern, wie er sie am Abend der Sturzflut im Ahrtal gesehen hat. Ein Mitglied seiner Besatzung schilderte dem Lagezentrum des Innenministeriums mit deutlichen Worten die Situation.

0
Foto: dpa / Symbolbild

MAINZ. Die bei der Flutkatastrophe im Ahrtal eingesetzte Besatzung eines Polizeihubschraubers hat im Untersuchungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags von schwierigen und belastenden Flügen berichtet. Ein Flugtechniker, der an Bord war, telefonierte nach eigener Aussage nach dem ersten Flug am Abend des 14. Juli 2021 mit dem Lagezentrum des rheinland-pfälzischen Innenministeriums und teilte seine Einschätzung mit, dass alles, was an Polizei verfügbar sei, ins Ahrtal geschickt werden müsse. Es sei die «wahrscheinlich schlimmste Lage», die Rheinland-Pfalz und die Polizei je zu bewältigen gehabt hätten, sagte er am Freitag in einer Sitzung des Gremiums in Mainz aus.

Der Untersuchungsausschuss soll möglichen Behördenfehlern in der Reaktion auf die Flutkatastrophe nachgehen. Bei der Sturzflut im Ahrtal waren mindestens 134 Menschen ums Leben gekommen.

Bei einem späteren Flug in der Nacht beobachteten Pilot und Flugtechniker nach eigenen Aussagen, wie auf der Autobahn 61 in Richtung Norden zahlreiche Fahrzeuge mit Blaulicht unterwegs gewesen seien. Der Pilot berichtete, so eine Situation wie im Ahrtal habe er zuvor in seinen 35 Dienstjahren bei der Polizei noch nicht erlebt. Er sei am Abend des 14. Juli und in der darauffolgenden Nacht insgesamt dreimal mit dem Hubschrauber unterwegs gewesen.

Die Sichtverhältnisse seien schwierig gewesen, berichtete er weiter. Zu erkennen gewesen sei beim ersten Flug unter anderem die sehr stark vom Hochwasser betroffene Ortslage Altenahr. Ein Kollege an Bord des Hubschraubers habe Bilder mit seinem Handy gemacht, da die eigentlich dafür vorgesehene Kamera wohl wegen der einbrechenden Dunkelheit nicht richtig fotografieren konnte.

In den überflogenen Gebieten sei offensichtlich der Strom ausgefallen gewesen. «Es war völlig dunkel im Ahrtal», sagte der Pilot. Menschen hätten sich mit Taschenlampen bemerkbar gemacht. Eine Rettung mit dem Hubschrauber sei aber nicht möglich gewesen, da es keine entsprechende Ausrüstung dafür gegeben habe. Später sei die Hubschrauberbesatzung zum Abdrehen aufgefordert worden, um den Menschen in Not keine falschen Hoffnungen zu machen.

Ein weiteres Besatzungsmitglied berichtete, er habe nach dem Einsatz alle Filmaufnahmen, die er gemacht habe, gespeichert und dann «irgendwo in der Dienststelle hinterlegt». Er fügte hinzu, normalerweise würden die Daten nicht gesichert, sondern an die Dienstelle weitergegeben. «In diesem Fall haben wir uns gesagt, wir sichern erst einmal alles», sagte er. Nach dem Einsatz sei keine Rede davon gewesen, die Aufnahmen irgendwo hinzuschicken. Dazu gebe es auch gar keine Möglichkeiten, da die Datenmengen zu groß seien. Derartige Daten würden in der Regel auf USB-Sticks gespeichert und dann mit der Post verschickt.

Der Koordinator des Hubschraubereinsatzes berichtete, dass es an dem Abend zahlreiche Telefonate mit dem Lagezentrum gegeben habe. Als weiterer Zeuge sagte der damalige Leiter der Hubschrauberstaffel aus, es habe in der Nacht die Aufforderung an die Flugbesatzungen gegeben, Videoaufzeichnung zu machen. In solchen Fällen sei es selbstverständlich, dass die Daten weitergegeben werden. Er habe angeordnet, dass keine Bild- und Videodaten von den Einsatzflügen gelöscht werden. Er wisse nicht, ob die übergeordneten Polizeistellen, die den Auftrag für die Aufklärungsflüge gaben, später nach den Aufnahmen gefragt hätten.

Die Polizei hat eingeräumt, die Filme vom 14. Juli 2021 zu spät an die Staatsanwaltschaft und den Untersuchungsausschuss übermittelt zu haben.

In diesem Zusammenhang und wegen weiterer offener Frage zu seiner Rolle in der Flutnacht war Innenminister Roger Lewentz (SPD) in den vergangenen Tagen immer stärker unter Druck geraten. Am Mittwoch trat er schließlich zurück und begründete diesen Schritt damit, die politische Verantwortung «für in meinem Verantwortungsbereich gemachte Fehler» übernehmen zu wollen.

Vorheriger Artikel++ Tanken in Luxemburg: Preissprung bei Super98 – Das kostet der Sprit ab Mitternacht ++
Nächster ArtikelEinbruch am hellichten Tag: Diebe klauen Schmuck und Bargeld in Bitburg

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Die Redaktion behält sich vor, Lesermeinungen zu kürzen. Es besteht kein Anspruch auf die Veröffentlichung Ihrer zugesandten Meinungen. Klarname ist nicht erforderlich. Eine E-Mail-Adresse muss angegeben werden, wird aber nicht veröffentlicht.