„Voyeurismus zur Prime-Time!“ – RTL 2 „Hartz aber herzlich“ aus Trier-West sorgt für Kritik

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Hannelore und Ralf sind schon sehr lange vom Staat abhängig. Foto: RTL2

TRIER. Am heutigen Dienstagabend läuft die erste Folge von „Hartz aber Herzlich“, abgedreht im Trierer Westen, auf RTL 2. „Echt, unverfälscht, aber immer wieder auch ausgelassen, und vor allem herzlich“, beschreibt der Sender sein eigenes TV-Format. Doch ist das durch die Sendung vermittelte Bild wirklich so echt und unverfälscht?

Insbesondere Menschen die sich seit Jahren und Jahrzehnten in Trier-West einbringen, gesellschaftlich wichtiges Engagement zeigen und Verantwortung übernehmen, sehen dies komplett anders. „Voyeurismus zur Prime-Time!“, kritisiert beispielsweise der „Der Runde Tisch Trier-West/Pallien“ in einer Stellungnahme das TV-Format. Auch der Ortsbeirat Trier-West/Pallien übte schon Kritik an dem vermittelten Bild des Trierer Bezirks.

In einer aktuellen Stellungnahme des Vereins „Der Runde Tisch Trier-West/Pallien“– eines der Stadtteilnetzwerke Triers, welches die Stadtteilentwicklung in Bezug auf die Wohn- und Lebenssituationen seiner Bewohner*innen positiv beeinflussen möchte und sich seit Jahrzehnten für eine Verbesserung der Lebensqualität in den Stadtteilen Trier-West und Pallien einsetzt – heisst es:

Mit großer Sorge blickt der Runde Tisch der Ausstrahlung des TV-Formates Hartz & Herzlich entgegen, das ohne Mitwissen der Institutionen in unseren Stadtteilen aufgezeichnet wurde. Wir distanzieren uns von einem TV-Beitrag, der die Stadtteile und deren Bewohner*innen deutschlandweit in einem falschen Licht präsentiert. Dieses Unterhaltungsformat, das ausschließlich darauf ausgelegt ist, die vermeintlich negativen Lebensverhältnisse der Menschen zu portraitieren, stellt die wirkliche Lebenssituation in den Quartieren falsch dar und bereichert sich an der Stigmatisierung. Bloßstellung, Inszenierung und Falschaussagen prägen dieses TV-Format und die TV-Zuschauer*innen werden dazu eingeladen Vorurteile gegenüber den Stadtteilen aufzubauen.

„Wir sehen unsere jahrelange positive Stadteilarbeit durch die Ausstrahlung einer solchen Sendung stark gefährdet. Die Protagonist*innen werden in den nächsten Wochen einer öffentlichen Hetze ausgeliefert sein, welche für sie jetzt noch nicht absehbar ist. Der Runde Tisch Trier-West/Pallien setzt sich daher für die Menschen und deren Familien ein, die in der Sendung vorgeführt und bloßgestellt werden.“

Um sich ein wirkliches Bild der Situation zu machen, lädt der „Runde Tisch“, „alle Triererinnen und Trierer ein, sich unsere Stadtteile Trier-West und Pallien mit eigenen Augen anzusehen und sich ein Bild zu machen von der Lebenssituation der Menschen und von den vielen positiven Entwicklungen, die bereits erkennbar sind und den westlichen Teil Triers zu einem liebenswerten, bunten und von Vielfalt geprägten Lebensort machen.“

„Fernseher aus! Diesem voyeuristischem TV-Format keine Beachtung schenken! Klischees keinen Raum bieten!“, fordert der Verein abschließend.

„Armutszeugnis – wie das Fernsehen die Unterschichten vorführt“

Unterstützung findet die Position auch in den Medienwissenschaften. „Vorgeführt wird ein Extremismus des Elends, gecastet werden krasse Charaktere, suggeriert wird aber: So sind sie, die ‚Unterschichten‘“, beschreibt Medienwissenschaftler Bernd Gäbler in seinem Papier mit dem Titel „Armutszeugnis – wie das Fernsehen die Unterschichten vorführt“, die Vorgehensweisen der einschlägigen TV-Sendungen, die sich mit Menschen in prekären Lagen befassen.

Anstatt Menschen verschiedener sozialer Hintergründe darzustellen, werde nur das Stereotyp des armen, faulen und verwahrlosten Hartzers bedient, schlussfolgert Gäbler.

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10 Kommentare

  1. Wer solch einen Sender wie RTL2 schaut, ist selbst schuld. Die sind noch unter dem Bild Niveau und das ist schon echt schwer. Fernseher aus und gut ist. In Trier West wohnen keine „Assis“, das sind ganz normale und übrigens auch sehr hilfsbereite Menschen, so wie immer kommt es im übrigen drauf an, wie man in den Wald ruft….

  2. Ich finde die Folge absolut nicht schlimm oder übertrieben. Jeder Trierer kennt die Magnerichstraße am Fuße des Markusberges und weiß, dass es dort seit Jahrzehnten genauso wie in der Sendung aussieht und zugeht. Sehe daher kein Problem in der Ausstrahlung. Alle machen freiwillig mit, werden dafür bezahlt und können sich auch selbst denken, dass es anschließend vor Ort Publikum geben wird.

  3. -My 2 Cents-
    Vorweg: ich verzichte der Lesbarkeit halber auf weibliche Morpheme und Gendern

    Nun mal ganz ehrlich…
    … der “Der Runde Tisch Trier-West/Pallien” und Ortsbeirat Trier-West/Pallien scheint die Bürger für beschränkt und einfältig zu halten, dass sie durch Bevormundung und Tippgeben versuchen die Menschen vom Sehen solcher Sendungen abzuhalten. Nebenbei bemerkt denke ich, dass dadurch die Zuschauerzahlen massiv gesteigert wurden (Motto: „ich lasse mir nichts verbieten“).
    … Welcher vernunftbegabte Mensch glaubt denn ernsthaft, dass eine reißerische Sendung, die das Ziel hat sozial Schwache darzustellen und gerne große Einschaltquoten haben möchte, seriös und ohne Manipulation gestaltet wird?
    … sind die Protagonisten der Sendung wohl freiwillig auf ihre Teilnahme eingegangen.
    … denke ich, dass die Trierer unsere schöne Stadt und deren Viertel recht gut kennen. Klar ist zwar, dass West und Pallien einen hohen Anteil ärmerer Menschen beherbergt, dass liegt aber vor allem daran, dass da die Mieten noch halbwegs erschwinglich sind und eben diese Viertel noch nicht komplett in der Hand von Luxemburgern und den studierenden Kindern reicher Eltern überflutet und dominiert sind.
    … Die meisten Trierer wissen sicherlich auch, dass West und Pallien auch Ecken haben, welche vom Bildungsbürgertum bewohnt werden. Solche Ecken sind aber dann auch eher Exklusiv. Die Bewohner dieser Ecken haben selbstredend und verständlicherweise sicherlich die Befürchtung, dass ihre Häuser nun weniger wert sein könnten. (Meiner bescheidenen Meinung nach unbegründet).
    … die Stadtteilarbeit und der Ruf der Viertel sehe ich aus oben genannten Gründen nicht als gefährdet an. Selbstbestimmte Menschen haben (auch) eine eigene Meinung. Sie sind auch durchaus in der Lage zu differenzieren was in solchen Sendungen manipulativ geschnitten, klischeeverstärkend mit optischen Effekten versehen oder einfach nur semi-gescriptet ist.
    … „bunt und Vielfalt… es gibt da Menschen die sich gegenseitig helfen, schwule Ehegemeinschaften, Patchworkfamilien, schwer kranke Kinder usw. Darf es sowas nur in den besser gestellten Schichten geben?
    … Die Darstellung von Menschen die sich gegenseitig unterstützen und einander helfen kann doch den runden Tischen und dem Beirat kein Dorn im Auge sein? Ist es so, dass die Darstellung ärmerer Schichten in audiovisuellen Medien einigen Leuten vor Augen führen könnte, dass es Menschen gibt, die Probleme haben, welche jenseits von(Anti-) Impfdemos, FFF, Genderzwang und der weltbewegenden Frage welches von zweiunddrölfzigtausend Geschlechtern man denn heute gerne innehaben möchte, liegen?
    … ALG2 Empfänger werden als ARBEITSSUCHEND dargestellt, und nicht als „ faul“… (interpretieren Sie da Ihre Vorurteile hinein?)
    … Herr Gäbler: die Sendung heißt “Hartz aber Herzlich” und nicht „der psychologische Blick auf einen kompletten Querschnitt der Gesellschaft“… und ich denke nicht, dass ein normaldenkender, vernunftbegabter Mensch der Meinung ist, dass ALG2 Empfänger (die Sie ja so wertschätzend – oder plakativ/ironisch/als Metonymie- Harzer nennen) arm, faul und verwahrlost ist. Unterschätzen sie die Intelligenz der Trierer vielleicht?
    Fazit:
    1. Ich finde Trier ist schön (vielfältig, Bunt …), und dass in jeder Ecke.
    2. Der “Der Runde Tisch Trier-West/Pallien” und Ortsbeirat Trier-West/Pallien haben genau das getan, was sie anprangern: sie haben sich (gegen die Sendung) ein Vorurteil gebildet und es Postuliert, ohne auch nur 10 Minuten des Filmmaterials gesehen zu haben.
    3. Ich finde es traurig, dass man den Bürger/Trierer/Menschen für so dumm hält, dass man ihn bevormunden möchte! (das wäre ein gutes Beispiel für das Anprangern eines Armutszeugnisses)

    Ich habe fertig!

    • ooooh…
      P.S.:
      ich denke, liebe “Der Runde Tisch Trier-West/Pallien” und Ortsbeirat Trier-West/Pallien, wenn Sie beispielsweise ein Führungsangebot durch das Quartier (zur Sendezeit oder Zeitnah im Anschluss) der von Ihnen gewünschten Wirkung eher entgegengekommen wäre als das Postulierern von durchgegenderten und (auf Grund des Zeitpunktes – vor der Sendung ohne deren Inhalt zu kennen-) unfairen und vorurteilbeladenen Pamphleten.
      (und ja, NACH der Sendung wäre solch ein Aufruf o.k. gewesen)

  4. Ich habe selber Jahre lang in der Viktoriastraße direkt unterhalb der Magnerich gewohnt. Gab nie Probleme mit den Leuten in der Magna. Ich fand eher „problematisch“, was für Schund mit dem Kioskbesitzer getrieben wird. Ein hilfsbereite Mensch der schamlos ausgenutzt wird! Ich hoffe er bekommt noch sein Geld und die beiden „Mitbürger“ KEINEN Kredit in keinem Geschäft mehr!!!

    • Finanzamt hat gestern bestimmt auch zu gesehen.
      Ware ausgeben ohne was zu verbuchen? Zettelwirtschaft?
      Viel Spaß bei der Betriebsprüfung..

  5. Da gebe ich Tobi absolut recht. Niemand wird gezwungen. Ich war einmal in einer Sozialwohnung in Trier West um etwas abzugeben. Diese Wohnung war eine Schande. Dafür darf der Vermieter sich zu Recht schämen, den Menschen so etwas anzubieten.

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