Nach neuem Beschluss: Ein Coronatest pro Woche in großen Betrieben in Rheinland-Pfalz oft Alltag

Auch in Rheinland-Pfalz müssen Unternehmen ihren Beschäftigten künftig Coronatests anbieten. Was die Bundesregierung aktuell beschlossen hat, ist in einigen Firmen längst geübte Praxis. Scharfe Kritik an dem Beschluss kommt vom Unternehmerverband LVU und dem Bund der Selbständigen.

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Foto: dpa

MAINZ/BITBURG. Jedes Unternehmen soll nach dem Willen der Bundesregierung seinen Beschäftigten verpflichtend mindestens einen Corona-Test anbieten, wenn sie nicht im Homeoffice arbeiten.

Die Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU) kritisiert diese sogenannte Testangebotspflicht ohne eine damit einhergehende weiterführende Strategie als «politischen Akt der Verzweiflung». Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) haben Firmen nach wie vor Probleme, die Tests in ausreichender Zahl zu bekommen. In großen Betrieben in Rheinland-Pfalz können sich die Mitarbeiter schon längst einmal pro Woche kostenlos testen lassen. Ein Überblick:

BASF

Der weltgrößte Chemiekonzern stellt allen Mitarbeitenden, die aufgrund ihrer Tätigkeit regelmäßig am Standort Ludwigshafen anwesend sein müssen, auf Wunsch einmal pro Woche einen Selbsttest für daheim zur Verfügung. Sollte dieser positiv ausfallen, muss das dem Vorgesetzten gemeldet werden. Das ermögliche eine konsequente Nachverfolgung und Unterbrechung möglicher Infektionsketten innerhalb des Werkes, erklärte Sprecherin Claudia Schönfeld. Seit Mitte Oktober arbeiteten alle Beschäftigten am Standort Ludwigshafen, «deren Tätigkeiten es erlaubt», von zu Hause aus.

BOEHRINGER INGELHEIM

Der Pharmahersteller aus Rheinhessen bietet den Beschäftigten an seinen Standorten einen kostenlosen Coronatest pro Woche an. Der Fokus liege dabei auf Personal mit standortgebundenen Tätigkeiten beispielsweise in der Produktion oder der Infrastruktur, erklärte Unternehmenssprecher Matthias Reinig. Angeboten werden Antigen-Schnelltests durch den Arbeitsmedizinischen Dienst sowie Selbsttests. Seit März 2020 arbeiten rund 70 Prozent der Belegschaft im Homeoffice.

SCHOTT

Bei dem Mainzer Spezialglashersteller bekommen die Mitarbeiter im Homeoffice einen Corona-Selbsttest pro Woche und die Beschäftigten an den Standorten zwei. Letztere sollen sich zu Hause testen, bevor sie an ihren Arbeitsplatz gehen, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Bei einem positiven Ergebnis nehme der Werksärztliche Dienst einen PCR-Test vor, erklärte Unternehmenssprecher Salvatore Ruggiero. Homeoffice wurde den Mitarbeitern in der Verwaltung angeboten, davon Gebrauch machen 70 bis 80 Prozent.

DEBEKA

Bei der Versicherungsgruppe mit Hauptsitz in Koblenz arbeiten nach eigenen Angaben derzeit 95 Prozent der 16 000 Beschäftigten im Homeoffice. Somit ergebe sich nur für relativ wenige Mitarbeiter die Notwendigkeit für regelmäßige Corona-Schnelltests im Unternehmen. Direkt neben dem Stammsitz biete das Deutsche Rote Kreuz ohnehin Tests an – da könnten Mitarbeiter freiwillig zu bestimmten Zeiten einmal in der Woche hingehen. «Das wird angenommen», sagte Debeka-Sprecher Gerd Benner.

BITBURGER BRAUGRUPPE

Die Brauerei in der Eifel sieht sich für die anstehende Testangebotspflicht «bestens gerüstet». Bereits vor Monaten habe man ausreichend Schnelltests beschafft, damit sich die Belegschaft vor Ort testen lassen könne. Dafür seien eigens Mitarbeiter durch Gesundheitsdienste geschult worden, sagte der Leiter Personal der Bitburger Braugruppe, Stefan Schmitz. Seit März 2020 setze man auf Homeoffice, wo immer es möglich sei. In der Produktion seien die Abläufe so umgestellt worden, dass persönliche Begegnungen auf ein absolutes Minimum begrenzt oder vollständig vermieden werden könnten.

LANDESREGIERUNG

Die Beschäftigten der Landesregierung können sich einmal pro Woche auf das Coronavirus testen lassen. Falls gewünscht, können sie sich für einen zweiten Test freistellen lassen, wie die Landesregierung mitteilte.

WIRTSCHAFTSVERBÄNDE

Die LVU wirft der Bundesregierung mit Blick auf die Testangebotspflicht vor, sich im Klein-Klein zu verlieren. «Nach misslungener Impfstoffbeschaffung, nutzloser Corona-Warn-App und einem gescheiterten Osterlockdown wartet die Bundesregierung nun mit einer einseitigen Verpflichtung auf», kritisierte LVU-Hauptgeschäftsführer Karsten Tacke. Das bloße Vorhalten von Tests in Unternehmen führe zu nichts. Wo Tests in Betrieben angeboten würden, nutzten derzeit weniger als die Hälfte der Betriebszugehörigen diese Möglichkeit.

In einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier von Ende März hatte knapp die Hälfte aller rheinland-pfälzischen Unternehmen mitgeteilt, den Mitarbeitern bereits regelmäßig Corona-Schnelltests anzubieten oder dies vorzubereiten. «Bei der Umfrage stellte sich jedoch heraus, dass viele Unternehmen nicht wissen, wo sie die notwendigen Tests in ausreichender Menge bestellen können. Dieses Problem ist leider bis heute noch nicht gelöst», sagte Jan Glockauer, Hauptgeschäftsführer der IHK Trier. Der Wirtschaft sei es in einer gemeinsamen Anstrengung gelungen, gegenüber den ersten «sehr weitgehenden Regulierungsvorstellungen der Bundesregierung entscheidende Erleichterungen zu erreichen», sagte Glockauer.

Der Bund der Selbständigen (BDS) Rheinland-Pfalz und Saarland kritisierte, der Staat wälze durch die neue Regelung seine Pflicht zur Pandemiebekämpfung auf die Wirtschaft ab. Gerade für kleine Unternehmen sei es schwierig, Personal abzustellen, um die Testung zu überprüfen oder Schulungen zu bezahlen. «Das können sich nur große Unternehmen leisten», erklärte der BDS, der nach eigenen Angaben die Interessen von rund 2200 Unternehmern in Rheinland-Pfalz und dem Saarland vertritt.

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