TRIER. Das Klinikum Mutterhaus beteiligt sich am bundesweiten „Safe a life day“ gegen Übergewicht. Anlässlich des bundesweiten „Save a life days“ führt das Team des Adipositaszentrums im Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen eine Magenverkleinerung bei einer stark übergewichtigen Patientin durch.
Starkes Übergewicht, in Fachkreisen Adipositas genannt, ist in Deutschland nicht als Krankheit anerkannt, obwohl die Weltgesundheitsorganisation WHO Adipositas ganz klar als Krankheit klassifiziert. Laut statistischem Bundesamt steigt die Zahl der extrem Übergewichtigen in Deutschland stetig. Das fehlende Wissen der Betroffenen über den Zusammenhang zwischen Adipositas und Folgeerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Schlafapnoe und Entstehung von Krebserkrankungen lassen diese meist erst einen Arzt aufsuchen, wenn die Adipositas bereits weit fortgeschritten ist. Und auch dann ist eine optimale Betreuung der Patienten äußerst kompliziert, da gerade im ländlichen Raum eine Versorgung durch Psychologen, Fachärzte, Ernährungsberater und Sportangebote schwach ausgeprägt ist und konservative Programme zur Gewichtsreduktion fehlen.
„Die primäre Behandlung der Adipositas besteht in einer konservativen multimodalen Therapie. Es ist wichtig für unsere Patienten, dass Sie einen Zugang zu diesem multimodalen Behandlungsansatz haben. Hierzu gehören Ernährungsberatung, Bewegungstherapie und eine psychologische Betreuung. Bringt die konsequente konservative Therapie keinen Erfolg, so ist bei entsprechenden Begleiterkrankungen eine operative Behandlung der krankhaften Adipositas medizinisch notwendig“, weiß Prof. Dr. med. Dorothee Decker, langjährige Leiterin des zertifizierten Adipositaszentrums im Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen.
In dem Trierer Zentrum für Adipositas- und metabolische Chirurgie behandelt das interdisziplinär erfahrene und hochqualifizierte Team an Ärzten, Therapeuten sowie Pflegekräften nach diesem vielschichtigen Ansatz. Als erstes und einziges im Landeskrankenhausplan anerkanntes adipositas-chirurgisches Zentrum in Rheinland-Pfalz besteht die Möglichkeit eines operativen Eingriffes zur Gewichtsreduktion. „Diese Eingriffe sind dabei keineswegs als Schönheitsoperation zu verstehen“, betont Prof. Decker. „Vielmehr sind diese Operationen für Patienten gedacht, die bereits in der multimodalen Behandlung ihren Willen unter Beweis gestellt haben, wirklich abnehmen zu wollen. Diese sollen dadurch bei ihrem Weg der Gewichtsreduktion langfristig unterstützt werden.“ Genau eine solche Patientin wird nun anlässlich des „safe a life days“ operiert. Sie erfüllt leitliniengerecht alle Voraussetzungen für eine operative Therapie. Doch in Deutschland sei eine solche Operation bei den Kostenträgern nicht immer unumstritten, erläutert die Chirurgin: „Leider kann die Bewilligung dieses Eingriffes durch die Krankenkassen von der Postleitzahl abhängen. So werden beispielsweise im Saarland, ähnlich wie in Rheinland-Pfalz im Schnitt drei Eingriffe pro 100.000 Einwohnern bewilligt, in Berlin sind dies bei einer vergleichbaren Anzahl an Adipositas-Erkrankten 48 Eingriffe.“
Auch die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie unterstützt die Meinung der auf Adipositas spezialisierten Mediziner: „Ein Kernpunkt ihrer Forderungen ist die Abschaffung der Einzelgenehmigungen für adipositas-chirurgische Eingriffe, wenn diese leitliniengerecht und qualitätsgesichert durchgeführt werden. Denn die Genehmigungs-Praxis der Krankenkassen ist regional unterschiedlich, nicht nachvollzielbar und sozial ungerecht.“ Dass sich durch bessere Behandlungsmöglichkeiten immense Kosten im Gesundheitssystem sparen ließen, berichtet Dr. med. Karin Gutmann-Feisthauer. Die niedergelassene Fachärztin für Innere Medizin und Diabetologie weiß, welche Erkrankungen vermeidbar wären: „Mit sinkendem Übergewicht verbessert sich der Gesundheitszustand im Hinblick auf die Begleiterkrankungen der Patienten erheblich. Die Adipositas selbst führt zu Typ II Diabetes, Bluthochdruck, Angina pectoris, Herzinfarkt, Schlaganfall, Darmkrebs, Arthrose, Schlafapnoe, Sterilität und Fehlgeburten. Adipositas verkürzt das Leben und führt zu vorzeitigem Tod. Vieles könnte durch eine entsprechende Behandlung der Betroffenen vermieden oder sogar ausgeschlossen werden.“
Thorsten Gerhard, Leiter der Adipositas-Selbsthilfegruppe Bernkastel-Kues hat vor vier Wochen eine operative Magenverkleinerung bekommen. Zuvor hatte er sich von einem Ausgangsgewicht von 185kg bei einer Körpergröße von 1,83m mittels Ernährungs- und Bewegungsumstellung auf ein OP-Gewicht von 146kg heruntergearbeitet. Damit hatte er die erste Hürde genommen und gezeigt, dass sein Körper und Geist dazu in der Lage sind, abzunehmen. Nach einer Reihe von medizinischen Untersuchungen bei Diabetologen, Psychologen und Kardiologen konnte er den OP-Antrag bei seiner Krankenkasse einreichen. „Ich hatte das Glück, dass mein Fall an einen guten Sachbearbeiter geraten ist. Denn jeder OP-Antrag wird einzeln geprüft. Es ist also immer eine Einzelfallentscheidung, die mit dem Sachbearbeiter steht und fällt.“
Seit der OP hat sich sein Leben bereits zum Positiven verändert, auch wenn er sich erst an seine neue Magengröße gewöhnen musste. „Man muss seinen Tagesrhythmus dem neuen Magenvolumen anpassen. Bei gerade einmal 100 ml Fassungsvermögen bin ich beispielsweise bereits nach einem halben Becher Joghurt satt. Das ist zwar ein schönes Gefühl, allerdings kommt das Hungergefühl recht schnell zurück“, erklärt Gerhard. Die nötige Disziplin, seine Ernährung umzustellen, hat er sich auf seinem langen Weg zur OP erarbeitet. „Das kann aber auch nicht jeder, denn man muss sich im klaren Sein, dass solch eine OP kein Wundermittel ist, sondern auch im Nachgang viel Disziplin erfordert“, weiß Gerhard aus eigener Erfahrung. Auch wenn er nun in regelmäßigen Abständen zu Nachuntersuchungen gehen und auch seine Blutwerte untersuchen lassen muss, bereut er diesen Schritt nicht. Bis sein Ziel von 100kg erreich ist, wird es noch eine Weile dauern. Aber Gerhard schaut seinem Vorhaben positiv entgegen. „Seit dem Eingriff hat sich meine Lebensqualität schon erheblich gesteigert. Für meinen Diabetes brauche ich beispielsweise nur noch ein Viertel der früheren Insulineinheiten, meine Kurzatmigkeit ist verschwunden und ich kann schon deutlich weitere Strecken zurücklegen, ohne eine Pause einzulegen.“ Als positives Beispiel leitet er jetzt seine Adipositas-Selbsthilfegruppe. Sein großer Wunsch ist es, dass auch anderen dieser Weg durch die Bewilligung der Operation zugängig wird.