Berlin. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat am heutigen Donnerstag, 21. August, sein aktuelles Bundeslagebild zur sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche vorgelegt. Innenminister Alexander Dobrindt (55, CSU), Holger Münch (64), Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) und Kerstin Claus (56), unabhängige Beauftragte des Bundes gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen (UBSKM) stellten die Zahlen in einem Pressetermin vor.
Die Erhebung basiert auf den Fallzahlen des Jahres 2023 und beleuchtet die Entwicklung polizeilich bekannter Sexualdelikte zum Nachteil von Minderjährigen. Der Bericht zeigt: Die Gesamtzahl registrierter Fälle ist erneut gestiegen – besonders auffällig ist die zunehmende Relevanz des digitalen Raums.
Mehr bekannt gewordene Fälle im Jahr 2023
Im Berichtsjahr 2023 registrierten die Polizeibehörden in Deutschland insgesamt 16.375 Fälle sexuellen Missbrauchs an Kindern (unter 14 Jahren). Das entspricht einem Anstieg von 5,5 % gegenüber dem Vorjahr. Bei Jugendlichen im Alter von 14 bis unter 18 Jahren wurden 1.200 Fälle erfasst. Insgesamt waren 18.497 Kinder betroffen – darunter rund 13.983 Mädchen und 4.514 Jungen.
Digitale Gewalt nimmt weiter zu
Besonders deutlich ist der Zuwachs im Bereich der Verbreitung und des Besitzes von Darstellungen sexueller Gewalt(umgangssprachlich oft als „Kinderpornografie“ bezeichnet):
Im Jahr 2023 wurden 54.042 solcher Fälle polizeilich registriert – ein Anstieg um 7,4 % im Vergleich zum Vorjahr.
Auffällig ist der Anstieg bei Darstellungen, die sich auf Jugendliche beziehen: In diesem Bereich wurden 8.851 Fälleerfasst – eine Zunahme von über 30 %. Häufig handelt es sich dabei um Inhalte, die von Jugendlichen selbst oder durch andere in sozialen Netzwerken oder Messenger-Diensten verbreitet werden. Das BKA betont, dass viele Jugendliche sich dabei der strafrechtlichen Relevanz nicht bewusst seien.
Tätermerkmale: Geschlecht, Beziehung zum Opfer und Alter
Laut BKA sind die meisten Tatverdächtigen männlich. Der Anteil weiblicher Tatverdächtiger bleibt im einstelligen Prozentbereich. Ein Großteil der Fälle ereignet sich im sozialen Nahraum – in Familien, im Bekanntenkreis oder im schulischen Umfeld. In vielen Fällen besteht eine Vorbeziehung zwischen dem Opfer und dem mutmaßlichen Täter.
Bei den sogenannten Missbrauchsdarstellungen ist zudem auffällig, dass auch minderjährige Tatverdächtige in großer Zahl erfasst werden. Insbesondere bei Inhalten mit Jugendlichen sind es oftmals Gleichaltrige oder Mitschülerinnen und Mitschüler, die Inhalte weiterleiten oder speichern.
Staatsangehörigkeit: Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger
Der Bericht enthält auch Angaben zur Staatsangehörigkeit der Tatverdächtigen. Demnach hatten im Bereich der Sexualdelikte zum Nachteil von Minderjährigen im Jahr 2023 etwa 20 % der Tatverdächtigen nicht die deutsche Staatsangehörigkeit.
Das BKA weist ausdrücklich darauf hin, dass diese Zahl nicht als Beleg für eine erhöhte Gefährdung durch bestimmte Herkunftsgruppen zu interpretieren sei. Vielmehr müssten Faktoren wie demografische Struktur, Anzeigeverhalten und sozioökonomische Rahmenbedingungen in die Einordnung einbezogen werden.
Herausforderungen für Ermittlungen
Ein zentrales Problem bleibt die digitale Spurensicherung. In vielen Fällen fehlt den Behörden der Zugriff auf IP-Adressen oder Nutzungsdaten, da Internetanbieter sie nur kurzfristig speichern. Das BKA sieht hier einen erheblichen Handlungsbedarf – etwa durch gesetzliche Regelungen zur besseren Datenverfügbarkeit für Ermittlungszwecke.
Dunkelfeld bleibt hoch
Wie das BKA betont, bildet das Lagebild lediglich das sogenannte Hellfeld ab – also Fälle, die polizeilich bekannt wurden. Die tatsächliche Zahl der Taten dürfte deutlich höher liegen. Expertenschätzungen zufolge werden nur ein Bruchteil der Vorfälle zur Anzeige gebracht. Besonders bei Taten im familiären Umfeld bleibt das Dunkelfeld groß.
Fazit
Das Bundeslagebild 2023 macht deutlich: Die Zahl sexualisierter Gewalttaten gegen Kinder und Jugendliche bleibt hoch – mit steigender Tendenz, vor allem im digitalen Raum.
Die Täter sind mehrheitlich männlich und stammen häufig aus dem Umfeld der Opfer. Die Beteiligung nichtdeutscher Tatverdächtiger liegt bei etwa einem Fünftel, ist aber differenziert zu bewerten.
Die Behörden fordern mehr Aufklärung, digitale Schutzmechanismen sowie rechtliche Grundlagen für eine effektivere Strafverfolgung – insbesondere im Internet.
📌 Transparenzhinweis:
Dieser Artikel basiert auf dem „Bundeslagebild Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen“ des BKA, veröffentlicht im August 2024, und gibt die Datenlage zum Berichtsjahr 2023 wieder. Die Einordnung der Zahlen erfolgt sachlich und journalistisch neutral. Es handelt sich um eine Analyse des Autors und nicht um eine Meinungsäußerung der Redaktion.
















