SPEYER. Mit der Veröffentlichung der ersten Ergebnisse der Missbrauchsstudie im Bistum Speyer ist ein düsteres Kapitel kirchlicher Vergangenheit weiter ans Licht gerückt: Sexuelle Gewalt, systematische Vertuschung, jahrzehntelanges Schweigen. Für viele Betroffene ist die Studie ein notwendiger Schritt – aber kein Abschluss.
Laut der Untersuchung unter Leitung der Historikerin Sylvia Schraut wurden im Bistum Speyer in der Vergangenheit zahlreiche Fälle von sexuellem Missbrauch durch kirchliche und nichtkirchliche Mitarbeitende begangen – teils über Jahrzehnte hinweg systematisch vertuscht. Insgesamt geht das Bistum derzeit von 150 Beschuldigten aus, darunter 109 Geistliche und 41 weitere Personen wie Erzieherinnen oder Ordensfrauen. Die Taten reichen zurück bis in die 1950er- und 1960er-Jahre – viele davon in kirchlichen Heimen.
„Es darf kein Schlussstrich gezogen werden“
Bernd Held, Vorsitzender des Betroffenenbeirats, begrüßte die Bitte um Vergebung von Bischof Karl-Heinz Wiesemann, mahnte aber zugleich zur konkreten Aufarbeitung. „Die Studie ist ein wichtiger Schritt, aber keine Lösung“, sagte Held gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Es gehe nicht nur um Worte, sondern um echte Veränderungen: mehr Transparenz, die Öffnung von Akten, und einen Umgang mit Vorwürfen, der nicht erneut Mauern errichtet.
„Aufarbeitung braucht Strukturen, Ressourcen – und die Bereitschaft, Macht zu hinterfragen“,
– Bernd Held, Betroffenenbeirat
Symbolik reicht nicht – Mahnmal als erster Schritt?
Positiv wertet der Beirat die geplante Errichtung eines Mahnmals in Speyer: Ein sichtbares Zeichen im öffentlichen Raum könne zur Erinnerung und Anerkennung beitragen – „aber nur, wenn es nicht das Einzige bleibt“, betont Held. Das Mahnmal solle nicht nur stilles Gedenken sein, sondern ein Mahnruf an die Gesellschaft und die Kirche, die Verantwortung zu übernehmen.
Fakten zur Studie: Strukturen begünstigten Taten
Die bislang veröffentlichten Teile der Studie zeichnen ein erschreckendes Bild: Die Hierarchien und geschlossenen Machtzirkel innerhalb des Bistums hätten Missbrauch erleichtert und Aufarbeitung verhindert. Etwa die Hälfte der Fälle wurde erst nach dem Jahr 2000 öffentlich, was auf das jahrzehntelange Schweigen und Verschweigen verweist.
Gleichzeitig hat das Bistum laut eigenen Angaben 3,6 Millionen Euro an 96 Betroffene gezahlt – einschließlich Therapiekosten. Doch viele Opfer betonen, dass finanzielle Entschädigungen allein nicht ausreichen, um Vertrauen zurückzugewinnen.
Was folgt jetzt?
Die vollständige Studie soll innerhalb der nächsten zwei Jahre abgeschlossen werden. Die Betroffenen fordern bereits jetzt:
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Öffnung und unabhängige Überprüfung aller Akten
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Klare, transparente Strukturen für neue Vorwürfe
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Konsequente Umsetzung der Studienempfehlungen
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Beteiligung der Betroffenen an zukünftigen Schritten
Bischof Wiesemann sprach von einer „tiefen Schuld der Kirche“ und erklärte: „Es darf keinen Schlussstrich geben.“ Nun wird sich zeigen, ob dieser Anspruch im Handeln spürbar wird – oder ob die Strukturen der Vergangenheit erneut stärker sind als die Worte der Gegenwart.
(mit dpa)

















