Jugendliche erstochen: Tatverdächtiger war Ex-Freund

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Eine Frau und drei Kinder werden beim Ablegen von Blumen in Kandel gefilmt

KANDEL/LUDWIGSHAFEN (dpa/lrs). Nach den tödlichen Stichen auf eine 15-Jährige im pfälzischen Kandel deutet vieles auf eine Beziehungstat hin. Der ebenfalls 15 Jahre alte Tatverdächtige war der Ex-Freund des Opfers.

Nach bisherigen Erkenntnissen hat sich die jetzt erstochene Jugendliche Anfang Dezember von ihm getrennt, wie die Leitende Oberstaatsanwältin Angelika Möhlig am Donnerstag in Ludwigshafen sagte. Das Verbrechen hatte sich am Mittwoch in einer Drogerie abgespielt. 15 bis 20 Menschen waren zu der Zeit im Markt.

Die Eltern des Opfers hatten den 15-Jährigen Mitte Dezember wegen Beleidigung, Nötigung und Bedrohung angezeigt. Nach Darstellung der Polizei soll er das Mädchen nach Ende der mehrmonatigen Beziehung über soziale Netzwerke und telefonisch immer wieder bedrängt haben.

Der 15 Jahre alte afghanische Flüchtling soll am Mittwochnachmittag mit einem Küchenmesser, das eine etwa 20 Zentimeter lange Klinge hat, auf das Mädchen eingestochen haben. Die beiden sollen in der Stadt zufällig aufeinandergetroffen sein, dann folgte der 15-Jährige der Jugendlichen in den Markt.

Das Mädchen, eine Deutsche, wurde nach dem Verbrechen ins Krankenhaus gebracht, wo sie kurz darauf starb. Ihre beiden Begleiter sowie Mitarbeiter und Kunden des Marktes hielten den Täter bis zum Eintreffen der Polizei fest. Der 15-Jährige habe keinen Widerstand geleistet, hieß es. Nach seiner Festnahme habe er eher teilnahmslos gewirkt, sagte Chefermittler Dieter Lippold.

Noch am Vormittag des Tattages hatten Polizisten dem Jugendlichen eine Vorladung wegen der Strafanzeige persönlich ausgehändigt. Bereits zuvor hatte die Polizei eine sogenannte Gefährderansprache gemacht und den Jugendlichen auf sein Verhalten angesprochen und ihn gewarnt. «In aller Regel fruchten solche Ansprachen auch», sagte Polizeivizepräsident Eberhard Weber.

Das genaue Motiv ist aus Sicht von Polizei und Staatsanwaltschaft aber noch unklar. «Wir sind am Anfang der Ermittlungen», sagte Oberstaatsanwältin Möhlig. Im Raum stehe eine Beziehungstat, dies müssten aber noch die weiteren Ermittlungen klären. So sollen Aussagen von Zeugen sowie Spuren ausgewertet werden, außerdem sollte die Leiche des Mädchens rechtsmedizinisch untersucht werden.

Gegen den 15-Jährigen, den die Staatsanwaltschaft für strafmündig hält, erließ ein Richter Haftbefehl wegen Totschlags. Der Beschuldigte kam in eine Jugendstrafanstalt. Die Ermittler wollen nun auch prüfen, ob Mord als Vorwurf infrage kommt. Die Höchststrafe liegt in beiden Fällen im Jugendstrafrecht bei zehn Jahren. Das Messer hat der Jugendliche nach bisherigen Ermittlungen in den Markt mitgebracht. Er hat sich laut Staatsanwaltschaft bislang nicht zu der Tat geäußert.

Überprüft werden soll auch, ob er tatsächlich 15 Jahre alt ist. In dem Aufsehen erregenden Prozess gegen den Flüchtling Hussein K. vor dem Landgericht Freiburg wegen Mordes und Vergewaltigung geht es auch um die Frage, wie alt der Angeklagte ist. Er selbst hatte sein Alter mit 16 oder 17 angegeben, die Staatsanwaltschaft hält ihn für mindestens 22 Jahre alt.

Der in Rheinland-Pfalz dringend tatverdächtige 15-Jährige ist den Angaben zufolge als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen. Er sei im April 2016 nach Deutschland eingereist, sagte Polizeivizepräsident Weber. Zum Asylstatus des jungen Mannes machte des rheinland-pfälzische Integrationsministerium zunächst keine Angaben.

Nach seiner Registrierung in Frankfurt wurde der Flüchtling nach Polizeiangaben ins pfälzische Germersheim gebracht und lebte dort bis September dieses Jahres in einer Jugendhilfeeinrichtung. Er sei dort auch zur Schule gegangen. Anschließend sei er in eine betreute Jugendwohngruppe in Neustadt an der Weinstraße gezogen.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, forderte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) seine Abschiebung. «Die Abschiebung von Minderjährigen ist sowohl völkerrechtlich als auch nach deutschen Gesetzen grundsätzlich möglich und sollte auch nach einer Verurteilung des Täters ernsthaft durch die zuständigen Behörden geprüft werden.»

Polizeilich bekannt war der Jugendliche der Polizei auch wegen einer mutmaßlichen Körperverletzung auf einem Schulhof. Nach einer Beleidigung soll er mit der Faust zugeschlagen haben. Ob dies im Zusammenhang mit der späteren Bluttat stand, ist aber unklar.

Die Landespolitik zeigte sich betroffen. «Unsere Gedanken und die Anteilnahme der Landesregierung gelten der Familie und den Freunden des Opfers», erklärten Integrationsministerin Anne Spiegel (Grüne) und Innenminister Roger Lewentz (SPD). Es werde alles getan, um die Hintergründe der «schrecklichen Tat» aufzuklären.

Auch die oppositionellen Fraktionen von CDU und AfD im Landtag drückten Mitgefühl mit der Familie aus. «Es gibt wohl keine Worte, um ihr Leid zu ermessen. Wichtig ist nun die schnelle und gründliche Aufarbeitung der Tat und der Hintergründe», sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Martin Brandl. Die AfD-Fraktion kündigte an, den Vorfall politisch aufarbeiten zu wollen.

Der Sozialwissenschaftler Dominic Kudlacek warnte vor generellen Aussagen über die Gewalttätigkeit von Ausländern. «Kriminalität ist nicht eine Frage des Passes, sondern von Belastungsfaktoren», sagte der stellvertretende Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Die Statistik zeige zwar, dass die Zahl der Gewaltdelikte von Ausländern angestiegen sei. Aber zum einen gebe es seit der Ankunft zahlreicher Flüchtlinge mehr Ausländer, zum anderen seien dies häufig junge Männer, die im urbanen Raum wohnen – diese Gruppe sei auch unter deutschen Staatsbürgern besonders häufig in Straftaten verwickelt.

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