Stellung ausgenutzt – Anklage gegen Erzieherinnen

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DALEIDEN. Die Staatsanwaltschaft Trier hat gegen zwei ehemalige Mitarbeiterinnen einer Jugendhilfeeinrichtung in Daleiden im Alter von 26 und 29 Jahren Anklage wegen Nötigung in jeweils zwei Fällen zum Amtsgericht Prüm erhoben. Das Verfahren gegen eine jugendliche Heimbewohnerin, die an einer der den Angeschuldigten vorgeworfenen Taten beteiligt war, ist zur Durchführung einer erzieherischen Maßnahme nach dem Jugendstrafrecht vorläufig eingestellt worden. Gegen zwei weitere Mitarbeiter im Alter von 39 und 51 Jahren hat die Staatsanwaltschaft jeweils den Erlass eines Strafbefehls wegen Nötigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 2.400 Euro bzw. wegen Körperverletzung und Nötigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 700 Euro beantragt. Das Verfahren gegen zwei weitere Mitarbeiter der Einrichtung ist gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen war nicht feststellbar, dass sie an strafbaren Handlungen beteiligt waren. Gegen weitere drei Personen dauern die Ermittlungen an.

Aufgrund der Strafanzeige des Landesamts für Soziales, Jugend und Versorgung vom 30.04.2015 hatte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Misshandlung von Schutzbefohlenen eingeleitet, das sich zuletzt gegen insgesamt 9 Mitarbeiter und Verantwortliche sowie eine jugendliche Bewohnerin der Jugendhilfeeinrichtung in Daleiden richtete. Der Vorwurf der Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 Strafgesetzbuch) hat sich im Rahmen der umfangreichen, von der Kriminalinspektion Wittlich durchgeführten Ermittlungen, nicht bestätigt. Eine Strafbarkeit nach § 225 Strafgesetzbuch liegt nur dann vor, wenn ein Schutzbefohlener gequält oder roh misshandelt wird. Dies ließ sich vorliegend nicht feststellen.

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen besteht jedoch der hinreichende Verdacht, dass in mehreren Einzelfällen Mitarbeiter der Jugendhilfeeinrichtung auf verschiedene Verhaltensweisen der untergebrachten Kinder mit unangemessenen erzieherischen Maßnahmen reagierten, die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die Straftatbestände der Nötigung bzw. der Körperverletzung erfüllen. Die Jugendhilfeeinrichtung mit Sitz in Daleiden betreibt mehrere Wohngruppen an verschiedenen Orten, in denen Kinder und Jugendliche untergebracht sind. Die Tatvorwürfe betreffen Ereignisse, die sich sämtlich in einer der von der Einrichtung betriebenen Wohngruppen, einer Wohngruppe in Daleiden, zutrugen.

Die beiden ehemaligen Mitarbeiterinnen, gegen die Anklage erhoben worden ist, waren als Erzieherinnen in der Wohngruppe in Daleiden tätig. Ihnen wird vorgeworfen, in einem bzw. in zwei Fällen untergebrachte Kinder gegen deren Willen kopfüber in eine Toilettenschüssel gehalten zu haben. In einem der beiden Fälle sollen beide Angeschuldigten gemeinschaftlich, in dem anderen Fall die 26jährige Angeschuldigte gemeinsam mit einer jugendlichen Heimbewohnerin gehandelt haben. Auslöser für die Vorfälle soll in einem Fall gewesen sein, dass das betroffene Kind zu laut war; der andere Fall soll sich aus einer Art „Wasserschlacht“ heraus entwickelt haben, die sich Kinder nach dem Mittagessen geliefert hatten. Nach den bisherigen Erkenntnissen wurden die betroffenen Kinder jeweils an Armen und Beinen ergriffen und kopfüber bis zum Haaransatz in eine Toilettenschüssel gehalten. Hierbei wurde die Spülung betätigt, so dass die Haare der Kinder nass wurden. Die Angeschuldigten ließen sich hierbei zwar offenbar von dem übermütigen Verhalten der Kinder anstecken. Die Anklage geht jedoch davon aus, dass sie sich des entgegenstehenden Willens der Kinder bewusst waren.

Der 29-jährigen Angeschuldigten wird darüber hinaus zur Last gelegt, einem untergebrachten Minderjährigen, der sie provoziert und beleidigt hatte, befohlen zu haben, sich in einem Zimmer im Nebengebäude der Wohngruppe aufzuhalten und dort auf einer auf dem Boden liegenden Matratze zu übernachten. Der fragliche Gebäudetrakt befand sich gerade in Renovierung. Die Angeschuldigte soll außerdem angeordnet haben, dass das Kind während der Dauer des Zimmerarrests statt der üblichen Mahlzeiten als Nahrung nur Wasser und Brot erhalte. Mit diesen Maßnahmen wollte sie unter anderem erreichen, dass sich das Kind bei ihr entschuldige. Der Junge verbrachte zwei Tage in dem Zimmer, das allerdings nicht abgeschlossen war und zu den Mahlzeiten verlassen werden durfte. Nachdem er sich entschuldigt hatte, wurde die Maßnahme aufgehoben. Hunger musste er nicht erleiden, da ihn eine andere Erzieherin heimlich mit Essen versorgte.

Ein weiterer Mitarbeiter der Wohngruppe, der dort als Hausmeister beschäftigt war, ist nach dem Ergebnis der Ermittlungen hinreichend verdächtig, ein untergebrachtes Kind, über das er sich wegen respektlosen Verhaltens geärgert hatte, ergriffen, zu Boden gebracht und dort gewaltsam fixiert zu haben. Gegen ihn besteht nach Auffassung der Staatsanwaltschaft der hinreichende Tatverdacht der Körperverletzung und Nötigung.

Der Leiterin einer anderen Wohngruppe der Einrichtung in Arzfeld, die zugleich Mitgesellschafterin der Jugendhilfeeinrichtung ist, wird vorgeworfen, einen untergebrachten Jungen, der geäußert hatte, die Wohngruppe verlassen zu wollen, in die Wohngruppe nach Daleiden verlegt zu haben. Um ihn von seinem Vorhaben abzubringen, sei er dort in dem unbewohnten Nebengebäude unter Zimmerarrest gestellt worden und habe das Zimmer, das nicht abgeschlossen war, nur zu den Mahlzeiten verlassen dürfen. Der Junge soll drei Tage in dem Nebengebäude verbracht haben, bis er unter dem Eindruck der Maßnahme wieder um Rückverlegung nach Arzfeld gebeten habe. Wegen dieses Sachverhalts hat die Staatsanwaltschaft Trier den Erlass eines Strafbefehls wegen Nötigung beantragt.

Soweit Anklage erhoben worden ist, hat das Amtsgericht Prüm nunmehr über deren Zulassung und die Eröffnung des Hauptverfahrens zu entscheiden. Für Auskünfte über den Fortgang des Verfahrens und die gerichtlichen Entscheidungen über die Strafbefehlsanträge bitte ich Sie, sich an die Medienstelle des Amtsgerichts Prüm zu wenden.

Die Ermittlungen gegen drei weitere Mitarbeiter bzw. Verantwortliche der Einrichtung sind noch nicht abgeschlossen. Gegen eine Mitarbeiterin besteht der Verdacht, ein untergebrachtes Kind geschlagen zu haben. Bei den Vorwürfen gegen eine weitere damalige Mitarbeiterin geht es unter anderem um weitere Fälle, in denen Kinder angewiesen worden sein sollen, in dem unbewohnten Nebengebäude zu übernachten. Außerdem wird Behauptungen nachgegangen, auch der Geschäftsführer der Jugendhilfeeinrichtung habe in Einzelfällen die Verlegung von Minderjährigen in den Anbau veranlasst. Ein hinreichender Tatverdacht für ein strafbares Verhalten hat sich im Rahmen der bisher durchgeführten Ermittlungen insoweit indes nicht ergeben. Diesbezüglich sind die Ermittlungen allerdings noch nicht abgeschlossen.

Rechtlicher Hinweis:

Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage, wenn Sie aufgrund der Ermittlungen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Verurteilung der Angeschuldigten wahrscheinlicher ist als ihr Freispruch. Allein mit der Erhebung der Anklage ist daher weder ein Schuldspruch noch eine Vorverurteilung der Betroffenen verbunden.

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