Jugend und Europa in RLP: Europäische Union als Lichtblick – Planspiel „Raising Europe’s Stars“

Die abstrakte EU greifbar machen: Junge Menschen aus mehreren Ländern simulieren die nicht immer einfache Arbeit in der Union. Wie blickt die Generation auf die Zukunft?

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Sie kommt aus Tschechien und versetzt sich beim Planspiel in die Rolle einer französischen Ministerin: Die 18-jährige Veronica macht sich Sorgen um die Zukunft Europas. Foto: Lando Hass / dpa

MAINZ. «Ich glaube, dass die jüngere Generation immer pessimistischer wird angesichts des Zustands der Welt und die Politik für sie als nicht wirklich relevant wahrnimmt.» Das, was die 18-jährige Veronica aus Tschechiens Hauptstadt Prag über ihre eigene Generation sagt, zeigt, wie sorgenvoll europäische Jugendliche in die Zukunft blicken.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, stärker werdende rechte Parteien, der Klimawandel – viele Themen treiben Jugendliche aus vier europäischen Ländern, darunter Veronica, um. Im Landtag in Mainz sind sie bei einem Planspiel mit der harten Realität konfrontiert, Meinungen zusammenzubringen.

Für Veronica ist die Europäische Union ein Lichtblick. «Ich betrachte die EU auf jeden Fall als große Chance», sagt sie. «Für mich ist sie sehr wichtig» – gerade in einer Zeit, in der immer mehr Parteien eine negative Einstellung zur EU hätten und überlegten, sich aus der EU zurückzuziehen oder Mittel zu kürzen.

«Normalerweise wirkt die EU weit entfernt»

Um die Bedeutung der EU und ihre Funktionsweise geht es bei dem Planspiel «Raising Europe’s Stars». Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 16 bis 19 Jahren sind im rheinland-pfälzischen Landtag dabei. Lautes Stimmengewirr und Satzfetzen auf Englisch hallen durch den Plenarsaal, geschäftig laufen die jungen Menschen von einer Ecke zur anderen.

Einer behält stets den Überblick: Paul, der die Rolle des Vorsitzenden des Rates der Europäischen Union innehat. Gemeinsam mit Veronica und anderen spielt er die Arbeit derjenigen Institution in der EU nach, in der die Fachminister der 27 Mitgliedsstaaten zusammenkommen, um über Gesetzentwürfe abzustimmen.

Fünf Tage lang sind insgesamt 56 Jugendliche aus vier Nationen zu Gast im Mainzer Landtag, um die Arbeit des EU-Ministerrates zu simulieren.
Foto: Lando Hass/dpa

Paul ist 18 Jahre alt und besucht ein Gymnasium in Kirchheimbolanden. Er spürt große Verantwortung, wenn er in der mitunter hitzigen Debatte zur Energiewirtschaft die Oberhand behalten soll: «Ich bin mit dafür verantwortlich, dass es am Ende zu einem festen Gesetzentwurf kommt, dem die Mitgliedsländer zustimmen können», sagt er.

Debatten, intensive Verhandlungen, Abstimmungen – Paul erlebt am eigenen Leib, wie Politik gemacht wird. «Normalerweise wirkt die EU weit entfernt, wie eine bürokratische Instanz, zu der wir keinen direkten Bezug haben», sagt der Schüler. «Obwohl wir in der Schule die theoretischen Grundlagen lernen, bleibt es sonst schwer, sich etwas Konkretes unter der EU vorzustellen.»

Von Kompromissen und anderen Standpunkten

«Das Planspiel ist wichtig für uns, weil wir dort sehen, wie wichtig es ist, einen Kompromiss finden zu können», sagt Paul. Er glaubt, dass es für die EU oft schwer sei, Lösungen zu finden, weil es so viele unterschiedliche Kulturen und Mentalitäten in Europa gebe. «Andere Standpunkte nachzuvollziehen, ist aber doch wertvoll, wenn man bedenkt, dass wir nicht alleine auf der Welt und in Europa sind und dass man Kompromisse schließen muss.»

Veronica übernimmt die Rolle einer französischen Ministerin. In ihrer Heimat Tschechien sei fehlendes Wissen über die EU ein großes Problem, sagt sie. Die Bevölkerung fühle sich vernachlässigt. «Ich denke, das hat mit schwacher Bildung und fehlender Sichtbarkeit zu tun. Es gibt Möglichkeiten, sich stärker zu engagieren, die Leute wissen nur einfach nicht wie.» Das liege auch daran, dass viele nicht wüssten, wie die EU genau funktioniert. «Sie denken, das Land gibt immer wieder Geld an die EU, aber bekommt dafür absolut nichts zurück.»

Schüler wünschen sich sichtbares Europa

Veronica und Paul sind sich einig: Die EU muss sichtbarer werden. Positives, was die EU bewirke, bleibe unsichtbar. Als Beispiel führt Paul die Reisefreiheit an. «Wenn man in Urlaub fährt, ist es schön, ohne größere Schwierigkeiten die europäischen Grenzen zu passieren», sagt er. Veronica ist überzeugt, dass die EU-Mitgliedschaft ihrem Land viele Vorteile bringt. Aber kommt das auch bei jüngeren Leuten an? «Ein Planspiel wie das aktuelle könnte dabei helfen, die EU jüngeren Leuten näherzubringen», meint sie.

Landtagspräsident Hendrik Hering will in RLP eine neue Regelung für den Alterspräsidenten. Foto: Andreas Arnold/dpa

Ähnlich klingt das bei Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD). Gerade in Zeiten, in denen verstärkt über die Kontrolle und das Schließen von Grenzen diskutiert werde, solle das Planspiel zeigen, wie wichtig Errungenschaften eines EU-Binnenmarktes, offener Grenzen und gemeinsamer Werte seien.

Politik als Option für das eigene Leben?

Die Simulation bringt zum ersten Mal in dieser Form 56 Jugendliche aus den Partnerregionen Rheinland-Pfalz, Burgund-Franche-Comté (Frankreich), Oppeln (Polen) und Mittelböhmen (Tschechien) zusammen. Organisiert hat das Projekt federführend der Partnerschaftsverband Rheinland-Pfalz/4er-Netzwerk mit weiteren Partnern.

Trotz aller Sorgen blicken die teilnehmenden jungen Menschen mit Hoffnung nach vorn. Veronica möchte sich nach der Schule an einer Universität im europäischen Ausland bewerben und träumt davon, irgendwann für die EU in Brüssel zu arbeiten. Auch Paul, der in wenigen Tagen das erste Mal bei einer Bundestagswahl wählen darf, kann sich vorstellen, in die Politik zu gehen. Politik sei eine gute Möglichkeit, um das Leben der Menschen positiv zu beeinflussen. «Ich finde es wichtig, dass man etwas unternimmt und nicht nur sagt, die da oben müssen etwas ändern», betont Paul. «Es liegt in unseren Händen, die Zukunft zu gestalten.» (Quelle: Nina Gross, dpa)

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