Die Trierer Hebammenzentrale war die erste ihrer Art in Rheinland-Pfalz. 2019 ist das Projekt gestartet, jetzt soll es für drei weitere Jahre verlängert werden, die finanzielle Förderung durch das Land wird aufgestockt. Doch die Nachfrage nach Betreuung durch Hebammen ist groß, gewaltige Herausforderungen bleiben. Lokalo hat mit Lina Neitscher von der Hebammenzentrale gesprochen und wird die Arbeit der Zentrale sowie den Hebammenberuf in den nächsten Wochen und Monaten in einer Artikelserie genauer beleuchten.
Von Alexander Scheidweiler
Der Trierer Landtagsabgeordnete Sven Teuber (SPD) war voll des Lobes: „Die Hebammenzentrale Trier leistet eine hervorragende Arbeit und ist zu einem wichtigen Bestandteil der Geburtshilfe geworden.“ Er sei „Pro Familia, den Hebammen und Aktiven sehr dankbar für Ihre immens wichtige Arbeit“ und berufe sich auch in seiner politischen Arbeit darauf, so der Abgeordnete am 14.7.. Hintergrund der Stellungnahme war die am Vortag kommunizierte Entscheidung des rheinland-pfälzischen Gesundheitsministeriums, der Hebammenzentrale in der Römerstadt bis Ende des Jahres eine erhöhte Förderung aus Landesmitteln zukommen zu lassen, verbunden mit der Zusage, das seit 2019 bestehende Projekt, das zum Ende das Jahres ausgelaufen wäre, ab 2022 für einen weiteren Projektzeitraum zu verlängern.
Gesundheitsminister Clemens Hoch erklärte dazu: „Die Hebammenzentrale Trier-Saarburg war die erste ihrer Art in Rheinland-Pfalz. Die Vermittlungszahlen und auch die Anfragen steigen jährlich und zeigen uns, wie groß der Bedarf an Hebammen ist. Die Stärkung der Geburtshilfe ist im aktuellen Koalitionsvertrag verankert und wir möchten die bestehenden Strukturen im Land sichern und ausbauen. Geplant ist, zwei weitere Hebammenzentrale einzurichten, sodass eine sichere und angemessen betreute Schwangerschaft in ganz Rheinland-Pfalz möglich ist“.
Die Förderzusage freut Lina Neitscher von der Hebammenzentrale. Sie sitzt in ihrem Sprechzimmer in der Trierer Südallee und kann die hohen Vermittlungszahlen nur bestätigen. Es herrsche aber Hebammenmangel – in der Region und deutschlandweit: „Wir würden die Nachfrage gerne abdecken, aber es gelingt nicht immer“, sagt Lina Neitscher. Dafür gebe es viele Gründe.
Es sei nicht unbedingt ein Nachwuchsproblem, aber es gebe nun einmal nur wenige Ausbildungsplätze. In Trier z.B. bildet das Mutterhaus der Borromäerinnen Hebammen aus, im Rahmen des dualen Bachelorstudiengangs Hebammenwissenschaft, bei dem die praktische Ausbildung im Klinikum erfolgt und der theoretische Unterricht an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen. Außerdem gebe es zu wenige Planstellen, meint Neitscher. Dies führe bei den Kolleginnen nicht selten zu Frustration, wenn sie feststellen müssten, in der hohen Belastung der Arbeitsalltags den gesteckten ethischen Zielen, Familien wirklich individuell zu begleiten, nicht in dem Umfang gerecht werden können, wie es ihnen in der Ausbildungsphase vorschwebte: „Gute Betreuung kostet eben Zeit“, so Neitscher.
Überhaupt: Kolleginnen. Fast ausschließlich Frauen arbeiteten in ihrem Beruf, sagt Neitscher, männliche Hebammen – die Berufsbezeichnung lautet dann Entbindungspfleger – seien extrem selten: „Früher dachte ich, es gibt nur fünf in Deutschland, aber es sind inzwischen mehr.“ Auf den ersten Blick mag eine männliche Hebamme auf viele auch etwas befremdlich wirken, diese Reaktion sei aber unbegründet: „Am Ende gewinnt die, die sich Zeit nimmt und feinfühlig ist, weil es das ist, was Familien sich wünschen. Und das ist nicht geschlechtsspezifisch.“ Viele Frauen gingen ja auch zu männlichen Frauenärzten. Oder Männer zu Urologinnen. Dennoch: Männer bleiben in diesem Beruf eine Seltenheit. In Trier und dem weiteren Umkreis gibt es keine männlichen Hebammen.
Um die Bedarfe besser abdecken zu können, wäre es auch Sicht von Lina Neitscher auch wichtig, dass Frauen, die in der Schwangerschaft, bei der Geburt, im Wochenbett und danach von einer Hebamme betreut werden möchten, sich rechtzeitig um den Kontakt bemühen, denn es gebe Stoßzeiten: „Im Sommer und in der Weihnachtszeit ist es immer besonders eng.“ Hier könne die Hebammenzentrale helfen, zu der rund 60 Hebammen gehören sowie etwa zehn freiberufliche Kolleginnen, die im Netz zu finden sind. Vier mal die Woche ist die Hebammenzentrale telefonisch erreichbar, immer montags bis donnerstags von 9.00 – 11.00 Uhr, unter 0651/46 30 21 45 oder per Mail an [email protected].
Wichtig zu wissen ist auch, dass Mütter sich, wenn gewünscht, „im Prinzip vom positiven Schwangerschaftstest bis zum Ende der Stillzeit“ von einer Hebamme betreuen lassen können. Die Leistungen, man spreche von „originären Hebammentätigkeiten“, werden von der Krankenkasse übernommen, außer bestimmten Zusatzleistungen wie Akupunktur oder Tappig. Auch Geburtsvorbereitungskurse, Babymassage, Babyschwimmen und natürlich Rückbildungsgymnastik etc. werden von Hebammen angeboten. Allerdings sollte man sich auch darum rechtzeitig bemühen, so Lina Neitscher: „Wir hatten schon vor Corona ein knappes Angebot an Kursen vor und nach der Geburt.“ Einige Kolleginnen hätten jetzt, in der Pandemie, mit viel Einsatz auf digitale Formate gewechselt: „Aber auch da gibt es einfach Ressourcenknappheit.“
Die Hebammen hätten zwar körperliche Kontrollaufgaben, jedoch: „Der Großteil unserer Arbeit ist psychosozial und emotional“. Dieser Aspekt werde auch zusehends wichtiger, denn viele Familien hätten wenig Vorerfahrung: „Es herrscht viel Aufklärungsbedarf“, sagt Lina Neitscher. Die hohe Mobilität der Gesellschaft führe zudem dazu, dass junge Eltern immer häufiger weit weg von der Ursprungsfamilie lebten – Verwandte, insbesondere Großeltern – könnten daher immer seltener mit Rat und Tat zur Seite stehen. Hinzu komme die Leistungsorientierung, die dazu führe, dass viele Eltern sich selbst unter Druck setzen: „Die Anforderungen an sich selbst sind hoch – weil man ja sieht: Scheinbar schaffen es die anderen ja auch.“ Auch hier könne die Betreuung durch eine Hebamme helfen, die unverhältnismäßigen Anforderungen zu relativieren und den Druck rauszunehmen.
Es ist also ein breites Spektrum an Themen und Aufgaben, das die Hebammenzentrale beschäftigt. Die Herausforderungen sind groß, trotz der an sich erfreulichen Anerkennung der Vorbildlichkeit der Trierer Einrichtung durch die Politik und die zugesagte finanzielle Unterstützung. Grund genug für Lokalo, den Beruf der Hebamme im allgemeinen und die Arbeit der Hebammenzentrale im besonderen genauer vorzustellen.
das Einkommen in RP, Trier ist allgemein sehr bescheiden egal ob Mann oder Frau.
Mir wäre es an der Stelle wichtig zu bemerken, dass die Hebammenzentrale von Stadt und Landkreis initiiert und mitfinanziert wurde.
Neben der Förderung durch das Land hatten bereits zuvor die beiden Kommunen ihre eigene Förderung verlängert.
Irgendwie ging das in dem Artikel unter.