Noch verhandeln die EU und das Vereinigte Königreich die Bedingungen, die das Horrorszenario eines No-Deal Brexit verhindern können. Ende März und Anfang April gibt es wohl die letzten Chancen, dass sich das britische Unterhaus dafür entscheidet, einen entsprechenden Deal anzunehmen, der eine Austrittsphase des UK unter geregelten Bedingungen vorsieht. Trotzdem sehen viele Politiker und auch Unternehmen, dass die Gefahr eines No-Deal Brexit, also eines Austritts ohne ein Abkommen, hoch ist. Die möglichen Folgen sind kaum absehbar. Trotzdem versuchen verschiedenste Branchen sich möglichst gut vorzubereiten.
Die Ausgangslage – wie wahrscheinlich ist der No-Deal Brexit?
Buchmacher sind wohl die Branche, die am ehesten durch das Brexit-Chaos profitieren. Sie bieten schon seit Monaten Wetten darauf an, wie denn der Brexit am Ende ausgehen wird. Es ist faszinierend zu beobachten, wie sich die Quoten entsprechend der Verhandlungen und des Verhaltens verändern. Derzeit ist es wahrscheinlich, dass es auf einen No-Deal Brexit hinausläuft. Zwar hat die EU dem Vereinigten Königreich eine Verlängerung für die Verhandlungen aufgeräumt, allerdings ist es nicht absehbar, ob diese dazu führen wird, dass nach vielen Monaten der Uneinigkeit am Ende tatsächlich eine Abstimmung herauskommt, die zu einer Lösung führt.
Entsprechend hoch sehen die Vertreter von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Vereinigte Königreich spätestens am 22. Mai doch noch die EU verlassen wird. Das ist der Stichtag für eine mögliche Teilnahme Großbritanniens an den EU-Wahlen – ein Szenario, das von beiden Seiten nicht gewünscht ist. Größter Vorteil der Verlängerung dürfte sein, dass die Unternehmen in Europa und auf der Insel noch mehr Zeit haben, sich auf das Worst-Case-Szenario einzustellen.
Die Vorbereitungen der Unternehmen für den No-Deal
Nicht nur produzierende und exportierende Unternehmen haben Probleme, wenn es zu einem Brexit ohne Vereinbarung kommt. Das Versicherungsrecht ist oftmals auf EU-Ebene geregelt. Wenn das Vereinigte Königreich aussteigt, gibt es viele offene Fragen. So haben viele Firmen Policen bei britischen Versicherern. Diese glänzen oft mit besonders gutem Insolvenzschutz. Viele dieser Policen werden jetzt in andere EU-Länder, z.B. Irland, verschoben.
In Deutschland sind es nicht nur die exportierenden Unternehmen, die von einem solchen Szenario betroffen wären. Die lange Zusammenarbeit innerhalb der EU hat dazu geführt, dass viele Unternehmen eng mit den Tätigkeiten auf der britischen Insel verknüpft sind. Bestes Beispiel dafür ist die Autobranche. Diese lässt einen nicht unerheblichen Teil ihrer Zulieferer Teile in Großbritannien produzieren. Vor allem die Zulieferer der Branche sind von ihren Standorten im United Kingdom abhängig. Kommt es nun zu einem No-Deal Brexit, wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Lieferengpässen kommen. Entsprechend versuchen die Automobilriesen vorzuwirken. Viele von ihnen ziehen die Sommerpause vor, um dafür zu sorgen, dass die ersten kritischen Wochen mit ohnehin eingeplanten Lieferreduktionen kompensiert werden. Gleichzeitig wird nach neuen Zulieferern innerhalb des britischen Kontinents gesucht.
Noch größer ist das Problem in Hinblick auf den Absatz. Es ist damit zu rechnen, dass ein No-Deal dazu führt, dass Zölle auf den Import von Waren aus Europa erhoben werden. Entsprechend lässt Porsche zum Beispiel Käufer auf der Insel ein Papier unterschreiben, das auch den möglichen Importzoll beim Kaufpreis abdeckt. Nicht das größte Ärgernis für jemanden, er in der Lage ist sich einen Porsche zu kaufen – trotzdem ein Problem für den Absatz. Das Vereinigte Königreich ist mit Abstand der wichtigste binneneuropäische Absatzmarkt.
Ähnlich sieht es bei den Pharmariesen auf. Eines der größten möglichen Probleme ist ein Engpass bei Medikamenten, da diese durch den Zoll kommen müssen. Lieferschwierigkeiten könnten für eine Unterversorgung auf der Insel sorgen. Die Einlagerungen haben bereits begonnen, aber besonders kritische Medikamente sind nur begrenzt haltbar. Hier wird versucht mit dem britischen Zoll entsprechende Sonderlösungen zu finden, damit die britischen Inseln nicht plötzlich eine Knappheit an lebenswichtigen Ressourcen haben.
Kleine und mittlere Unternehmen bekommen Probleme
Auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen haben Probleme. Die Fischerei versucht zum Beispiel herauszufinden, ob sie auch hinterher noch in britischen Gewässern fischen dürfen. Andere KMUs haben bereits begonnen einen großen Teil ihrer Partnerschaften an Firmen in anderen europäischen Ländern zu verlagern. Sicher ist aber, dass im Fall des Falles jede noch so gute Vorbereitung nicht ausreichen wird. Die aus einem No-Deal Brexit enstehenden Verwerfungen werden für Probleme sorgen.