TRIER. Fünf Jahre nach der Amokfahrt durch die Trierer Fußgängerzone und nach mehreren Anläufen, Konfrontationen und Vertagungen steht das Urbane Sicherheitskonzept (USK) nun vor der endgültigen politischen Landung: In der Stadtratssitzung am 9. Dezember 2025 soll eine neue, deutlich überarbeitete Fassung verabschiedet werden. Federführend ist diesmal das Büro des Oberbürgermeisters, nicht mehr das Ordnungsdezernat allein.
Im Kern bleibt das Ziel dasselbe: Die hochfrequentierten Bereiche der Innenstadt sollen gegen fahrzeugbasierte Anschläge und gefährliche Durchfahrten geschützt werden – ohne die Innenstadt zur Dauerbaustelle oder zum Bollwerk aus Stahlpollern zu machen.
Vom Wabenkonzept zum Ring – und zurück aus der Sackgasse
Zur Erinnerung:
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Nach der Amokfahrt 2020 beschloss der Stadtrat zunächst ein Wabenkonzept mit zehn Zonen und zahlreichen stationären und versenkbaren Pollern.
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2023 kam die politische Kehrtwende: Der Rat forderte ein funktional und finanziell effizienteres Ring-Konzeptstatt der kleinteiligen Wabenstruktur.
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Die Verwaltung legte daraufhin 2025 einen Poller-Außenring vor – ein nahezu durchgehender Ring aus versenkbaren und statischen Pollern rund um die Fußgängerzone (auf Basis des AGSEC-Gutachtens).
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Im Juni 2025 scheiterte diese Vorlage jedoch an der Jamaika-Mehrheit (CDU/Grüne/FDP). Die Koalition verlangte per Änderungsantrag eine Priorisierung einzelner Bereiche sowie den verstärkten Einsatz von Stadtmobiliar (Sitzbänke, Pflanzkübel etc.) anstelle klassischer Poller.
Die Folge: politischer Stillstand – und ein massiver Prüfauftrag an die Verwaltung.
Was hat sich seit dem Sommer getan?
Die neue Vorlage 602/2025 ist das Ergebnis genau dieser Prüfphase – und sie fällt in mehreren Punkten anders aus als der Jamaika-Antrag vom Sommer:
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Keine „Teilsicherheit“: Vollsicherung der Fußgängerzone bleibt Pflicht
Die Verwaltung hat geprüft, ob lediglich priorisierte Teilbereiche (z. B. nur Kornmarkt/Fleischstraße oder Teile der Neustraße) gesichert werden könnten. Ergebnis:-
Feuerwehr und Polizei lehnen eine solche Teilabsicherung ab, weil sie ein Sicherheitsdefizit sehen.
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Auch das zuständige Landesministerium signalisierte, dass die Förderfähigkeit des Projekts gefährdet wäre, wenn der Gedanke einer umfassenden Sicherung der Fußgängerzone aufgegeben würde. Kurz gesagt: Ohne ganzheitliches Konzept – kein Geld und keine Zustimmung der Sicherheitsbehörden.
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Stadtmobiliar ja – aber sicherheitszertifiziert, nicht dekorativ
Anders als in der aufgeheizten Sommerdebatte („Blumenkübel statt Poller?“) wird Stadtmobiliar nun ausdrücklich als sicherheitsrelevantes Element in das Konzept integriert:-
Überall dort, wo keine Zufahrt nötig ist, sollen zertifizierte Pflanzgefäße und Sitzmöbel eingesetzt werden, die nachweislich das Schutzniveau bestehender mobiler Sperrsysteme erreichen (ARMIS ONE, Oktablock o. ä.).
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Nur an besonders exponierten Stellen mit langen möglichen Anfahrtswegen und hoher Aufprallenergie sind weiterhin statische Hochsicherheitspoller vorgesehen.
Damit ist klar: Es geht nicht um dekorative Kübel aus dem Baumarkt, sondern um Stadtmobiliar mit Crashtest-Zertifikat.
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Politischer Schulterschluss mit Feuerwehr und Polizei
Anders als frühere Versionen ist das neue Konzept abgestimmt mit den Sicherheitsbehörden:-
Die Berufsfeuerwehr bescheinigt, dass die geplanten Sperranlagen eine schnelle Erreichbarkeit von Einsatzorten ermöglichen und die versenkbaren Poller nicht zu relevanten Zeitverzögerungen führen. Sie stimmt der Beschlussvorlage ausdrücklich zu.
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Auch das Polizeipräsidium Trier unterstützt das Alternativkonzept und sieht damit die seit 2021 formulierten Ziele – Verhinderung unkontrollierter Einfahrten, Verhinderung der kompletten Durchfahrt, Schutz vor Überfahrtaten – erfüllt.
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Das finale Konzept: Außenring als Mix aus Pollern und „schweren Möbeln“
Die neue Vorlage hält am Grundgedanken fest, die Fußgängerzone in einem Ringmodell zu sichern – aber in einer deutlich weiterentwickelten Form:
1. Innenring: fast fertig
Der schon früher beschlossene Innenring (Hauptmarkt, Domfreihof, Stockplatz) bleibt Grundlage. Die bauliche Fertigstellung läuft bzw. ist weit fortgeschritten.
2. Außenring: 9 Poller-Standorte + 8 Stadtmobiliar-Standorte
Die Fußgängerzone wird so geschlossen, dass Durchfahrten unmöglich, aber Zufahrten für Berechtigte und Rettungsdienste gesichert bleiben:
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9 Standorte mit einer Kombination aus versenkbaren Pollern und zertifiziertem Stadtmobiliar, u. a.:
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Simeonstraße
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Glockenstraße
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Am Breitenstein / Konstantinstraße
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Pfützenstraße
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Germanstraße
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Neustraße
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Viehmarkt
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Heuschreckbrunnen
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8 Standorte mit festen Sperren ausschließlich durch Stadtmobiliar, u. a.:
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Moselstraße
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Windstraße
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Jesuitenstraße
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Viehmarktstraße / Viehmarktplatz
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Jakobsspitälchen
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Mohrs Gässchen
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Bereich Frankenturm
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Die detaillierten Pläne sind als Karten in der Anlage der Vorlage dargestellt. Auf der Karte ist gut zu erkennen: Der Ring zieht sich einmal rund um den Kern der Fußgängerzone; lediglich der Platz der Menschenwürde wird aus Sicherheits- und Nutzungsgründen ausgenommen.
3. Stadtmobiliar als Sicherheits- UND Stadtgestaltungsinstrument
Die Vorlage verbindet Sicherheit und Stadtgestaltung explizit:
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Das zu verwendende Mobiliar muss sicherheitszertifiziert sein und gleichzeitig
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die Aufenthaltsqualität verbessern,
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zur Klimaanpassung beitragen (z. B. durch zusätzliche Bepflanzung),
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möglichst in den bestehenden Gestaltungsleitfaden für den öffentlichen Raum (Vorlage 614/2023) passen.
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Im Klartext: Wenn schon Kübel und Bänke, dann bitte so, dass sie sowohl Schutz bieten als auch die Innenstadt schöner und grüner machen.
Geld, Zeit, Förderung: Was kostet der Kompromiss?
Die Verwaltung rechnet mit einer Grobkalkulation von rund 6,6 Mio. Euro für das neue Konzept:
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ca. 150.000 € pro Standort mit versenkbaren Pollern (Material, Bau, Steuerung),
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ca. 35.000 € pro Stadtmobiliar-Element (im Schnitt),
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plus 10 % Baunebenkosten als Puffer.
Damit bleibt man deutlich unter den 11–12 Mio. Euro, die der frühere, pollerlastige Außenring gekostet hätte – und orientiert sich am ursprünglich mal genannten Finanzrahmen von 6,6 Mio. Euro.
Wichtig:
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Die Stadt kann inzwischen auf erhöhte ISEK-Fördermittel zurückgreifen – bis zu rund 30 Mio. Euro, mit einer Förderhöhe von bis zu 90 %.
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Die Verwaltung betont, dass damit das Risiko vom Tisch ist, dass „die Poller“ alle übrigen Innenstadtprojekte im ISEK-Topf verdrängen.
Zeitplan
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2026: Ausführungs- und Baubeschlüsse, Ausschreibungen, Bestellung von Pollern und Mobiliar, Beginn Umsetzung (je nach Förderfristen).
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2027/28: Bau der versenkbaren Polleranlagen, Abschluss der Maßnahmen.
Voraussetzung ist, dass Baumaßnahmen – zumindest teilweise – auch während Veranstaltungszeiten durchgeführt werden können; sonst verlängern sich die Zeiträume.
Wie unterscheidet sich das jetzt vom „Sommerkompromiss“?
Kurz zusammengefasst:
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Nicht übernommen wurde die Idee, nur einzelne Bereiche (Kornmarkt, Palaststraße etc.) zu sichern. Die Sicherheitsbehörden und das Land verlangen weiterhin einen umfassenden Schutz der ganzen Fußgängerzone.
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Aufgenommen wurde die politische Forderung nach Stadtmobiliar – allerdings nicht als „Deko statt Poller“, sondern als gleichwertiges, zertifiziertes Sicherheitselement.
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Verbessert wurde die Förderkulisse: Mit mehr ISEK-Mitteln und klaren Rahmenbedingungen kann das Sicherheitskonzept umgesetzt werden, ohne andere Innenstadtprojekte zu „ersticken“.
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Abgesichert ist das Konzept nun durch Feuerwehr und Polizei, die beide zustimmen – ein wichtiger Unterschied zur konfliktgeladenen Debatte im Sommer.
Fazit: Ein Kompromiss, der halten kann – wenn der Rat jetzt entscheidet
Mit der neuen Vorlage versucht die Stadt Trier, einen politisch wie fachlich tragfähigen Mittelweg zu gehen:
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Sicherheitsniveau mindestens auf dem Stand heutiger Veranstaltungsabsicherungen,
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deutlich weniger Tiefbau als beim ursprünglichen Poller-Ring,
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sichtbare Aufwertung des öffentlichen Raums durch gestaltetes und bepflanzbares Stadtmobiliar,
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vertretbare Kosten mit hoher Förderquote.
Ob dieser Kompromiss den Streit um Poller, Pflanzkübel und Priorisierungen befriedet, entscheidet sich in der Stadtratssitzung im Dezember. Klar ist: Noch einmal vertagen dürfte schwer zu vermitteln sein – gegenüber Betroffenen der Amokfahrt, der Stadtgesellschaft und dem Fördergeber gleichermaßen.













die freiheitliche-demokratische Grundordnung muss mit schweren Blumenkübel beschützt werden, damit Christen, das Fest der Leibe feiern können. Genau mein Humor