TRIER. Am gestrigen Donnerstagabend wurde in der Europäischen Kunstakademie Trier die Ausstellung „Meditations – Dinge für Dein Selbst / Things for Your Self“ eröffnet. Die Ausstellung, die Teil des kulturellen Rahmenprogramms der Landesausstellung über den Philosophenkaiser Marc Aurel ist, präsentiert Werke zeitgenössischer Künstler, die sich mit Kerngedanken aus den philosophischen „Selbstbetrachtungen“ des Kaisers auseinandersetzen. Dabei gibt es einiges zu entdecken – nicht nur visuell.
Von Alexander Scheidweiler
Das Bonmot, Tradition sei das Bewahren des Feuers, und nicht der Asche, kursiert in verschiedenen Formulierungen und wird verschiedenen Urhebern zugeschrieben, besonders gerne Gustav Mahler. In Wahrheit dürfte es wohl auf den kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges von Nationalisten ermordeten Historiker und Politiker des Parti socialiste français Jean Jaurès zurückgehen. Doch gleich, wer den Satz zuerst gesagt oder niedergeschrieben hat, gleich, was der exakte Wortlaut ursprünglich war – das zum Gemeinspruch gewordene Zitat drückt eine tiefe Wahrheit aus, nämlich, dass der Umgang mit der Tradition doch dürftig bliebe, beschränkte er sich auf die bloß antiquarische Pflege derselben, ohne sie produktiv weiterzudenken. Sich an den Schöpfungen der Vergangenheit zu erfreuen, ist erhebend, doch erst im Fortschreiben, Fortführen, Fortentwickeln liegt der Lohn von Ergründen und Verstehen.
Erfreulich und lobenswert ist es daher, dass die Europäische Kunstakademie Trier (EKA) es unternommen hat, als Teil des Rahmenprogramms der großen Trierer Landesausstellung über den Philosophenkaiser Marc Aurel in Kooperation mit dem Fach Kunstgeschichte der Universität Trier eine Ausstellung zu konzipieren, die Werke zeitgenössischer Künstler zeigt, die sich mit dem philosophischen Werk Marc Aurels, den „Selbstbetrachtungen“, beschäftigen.
Am gestrigen Donnerstagabend wurde die Ausstellung, die den Titel „Meditation – Dinge für Dein Selbst / Things for Your Self“ trägt, in der Kunsthalle in der Aachener Straße eröffnet. Im Anschluss ging die Veranstaltung nahtlos in das Sommerfest der EKA über, wenngleich, wie Akademiedirektor Simon Santschi bemerkte, das regnerische Wetter nicht recht zum Anlass eines Sommerfestes passen wollte, was der guten Stimmung unter den zahlreich erschienenen Trierer Kunstfreunden aber keinen Abbruch tat.
Brücke von der Antike in die Gegenwart
So betonte auch Markus Nöhl, Kulturdezernent der Stadt Trier, in seiner Begrüßung, dass es das Ziel des Rahmenprogramms sei, eine Brücke zu schlagen vom antiken Thema der Landesausstellung in die Gegenwart. Die Landesausstellungen zu antiken Themata hätten sich, so Nöhl, „zu einem herausragenden Leuchtturm für unsere Kulturstadt Trier“ entwickelt. Doch sei das Thema „nicht nur in der Antike verortet“. Deshalb wolle man „eine Entwicklung von der Antike bis zur Zeitgeschichte, bis heute, in die aktuelle Zeit“ aufzeigen. Nach den großen Trierer Ausstellungen zu Konstantin, Nero und dem Untergang des Römischen Reiches rücke nun mit Marc Aurel ein Herrscher in den Fokus, der für eine besondere Verbindung von Macht, Verantwortung und Philosophie stehe, sagte Nöhl.
Persönliche Reflexion verschmelze in den „Selbstbetrachtungen“ mit dem Nachdenken über politische Verantwortung und ethische Prinzipien zu einem Werk, das eine einzigartige Quelle darstellt, da nur ganz selten in der Geschichte eine Persönlichkeit dieses Ranges so weitgehende Einblicke in den Kosmos ihrer Gedanken gewähre. Genau dies greife die Ausstellung „Meditations“ auf, die sich über das künstlerische Arbeiten dieser Gedankenwelt nähere. Askese, Vernunft, Selbstdisziplin, Naturverbundenheit, Verantwortung seien einige der Schlüsselbegriffe, mit denen die zehn internationalen Künstler, die für die Ausstellung gewonnen werden konnten, sich in ihren Arbeiten auseinandersetzen – „und das nicht nur in der historischen Beziehung, sondern mit dem Bezug zum Heute.“
Der Wert von Selbstbetrachtung
Die Präsidentin der Universität Trier, Prof. Dr. Martha Eckkrammer, sagte, die Person Marc Aurels ziehe nicht an einem vorüber, ohne etwas auszulösen: So habe der Kaiser viele Kriege mit hohen Verlusten auf beiden Seiten geführt, was ihm in der gegenwärtigen Zeit, in der man in Europa wieder über Kriege und Konflikte nachdenken müsse, Aktualität verleihe. Ferner habe Marc Aurel versucht, das große Reich zusammenzuhalten, bevor es durch zunehmende Zentrifugalkräfte immer weiter geschwächt wurde. Auch diese Frage, die Frage des Zusammenhalts, sei in der Gegenwart wieder ein bedeutendes Thema, so die Universitätspräsidentin.
Der Wert von Selbstbetrachtung als solcher sei ihr erst unlängst bewusst geworden, als sie das Haus ihrer Eltern ausgeräumt habe: „Man trifft auf eine ganze Menge Selbstbetrachtungen.“ So fand sie nicht nur die Tagebücher ihrer Eltern, sondern auch ihre eigenen aus ihrer Jugend. Man könne hier von Marc Aurel lernen, was das schriftliche Niederlegen von Gedanken angeht und die Art und Weise, wie dieser Prozess die eigene Entwicklung fördert. Die in der Ausstellung gezeigten Werke seien „keinesfalls bloße Illustrationen der Gedanken des Philosophenkaisers“, sondern „öffnen ganz verschiedene Reflexionsräume“ und seien auch „sehr persönliche Zeugnisse der Küsterinnen und Künstler“.
Kunst mit dem Körper erfahren
Santschi lobte die hervorragende Zusammenarbeit mit den Studierenden der Kunstgeschichte bei der Vorbereitung der Ausstellung und dankte insbesondere dem Kunsthistoriker Dr. Stephan Brakensiek von der Universität Trier, mit dem die Akademie nun zum dritten Mal gemeinsam eine Ausstellung erarbeitet habe. Man sehe der Ausstellung an, dass „viel Herzblut“ darin stecke. Das Besondere an „Meditations“ sei, erläuterte der Akademiedirektor, dass viele der gezeigten Arbeiten, „nicht nur geistig, intellektuell oder visuell“ zu erfassen seien, „mit dem Körper erfahren“ werden können.
So dürften beispielsweise die keramischen Objekte von Nils Blau, „A City Dweller’s Guide through Nature“, die im Mitteltrakt der Kunsthalle gezeigt werden, berührt werden: „Sonst ist es ja so in Museen: ‚Nichts anfassen!‘ Aber diese Arbeit sollen Sie ganz bewusst anfassen.“ Die Arbeit lasse sich vielleicht sogar eher taktil denn visuell erfassen. Auch die Klanginstallation „Demutston“ von Mona Schulzek sei körperlich zu erfahren: Je eine Person dürfe das Podest betreten, um den Klang wahrzunehmen.
Santschi wies zudem darauf hin, dass die Akademie noch eine weitere Ausstellung zum Thema Marc Aurel entwickelt hat, die sich mit den vier Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung befasst. Die Ausstellung mit dem Titel „In Zwischenräumen wachsen“ wird in der Trierer Innenstadt sowie auf dem Campus der Universität Werke zeigen. Eines der Werke dieser Ausstellung, die drei großformatigen Wandtextilien „The Tree Between Life and Death“ von Hussein Shikha wurde am gestrigen Abend vor dem Eingang der Kunsthalle gezeigt.
Die Entstehung eines Ausstellungskonzeptes
Für die beteiligten Studierenden gaben Maxi Schaffer und Rebecca Wolsiffer einen Einblick in die Entstehung der Ausstellung. Klar sei lediglich gewesen, dass die Ausstellung eine Annäherung an Marc Aurels „Selbstbetrachtungen“ werden sollte: „Noch vor drei Monaten standen weder Künstler:innen noch ein Konzept fest“, so Schaffer. Die Beteiligten Studierenden erwogen verschiedene Ansätze, etwa zwölf Werke analog zu den zwölf Kapiteln der „Selbstbetrachtungen“, dass jedes Werk für einen Grundgedanken des Stoizismus stehen könnte oder dass jedem Werk ein Zitat zugeordnet werden könnte. Man ging schließlich von den Werken aus, wählte zehn aus, denen die Anregung der Selbstreflexion im Geiste Marc Aurels gemein ist. Die zwölf Studierenden verfassten Texte für den Ausstellungskatalog, die deutlich machen, „wie viel in diesen Werken zu lesen ist“.
Wolsiffer sagte, dass es für sie als Humangeographin anfänglich schwierig war, sich in die kunstgeschichtlichen Diskussionen hineinzufinden. Schließlich kam sie jedoch zu Stefanie Seuferts „Sunny Grey Magenta Yellow“, zwei großformatige Stoffbahnen, die monatelang unter freiem Himmel den Einflüssen der Witterung ausgesetzt waren und deren kompletter Titel sogar die genauen Koordinaten des Entstehungsortes enthält, was das Werk für eine Geographin besonders interessant mache. Sie sehe in Seuferts Werk eine Entsprechung zwischen den Einflüssen der Witterung auf das Material und denjenigen des Lebens auf den Menschen.
Die Eröffnung der Ausstellung ging daraufhin in das Sommerfest über, so dass die Besucherinnen und Besucher wechselweise die Werke erkunden und im Hof der Akademie Drinks und Speisen genießen konnten. Stimmungsvoll umrahmt wurde der Abend von der Trierer Cardamon Band.
Zu der Ausstellung „Meditations – Dinge für Dein Selbst / Things for Your Self“ gibt es ein vielfältiges Begleitprogramm mit Führungen, Konzert, Lesungen und Vorträgen.
Öffnungszeiten: Di – Fr, 11 – 18 Uhr; Sa/So 11 – 17 Uhr
Eintritt: 4 Euro, ermäßigt 2 Euro, unter 18 freier Eintritt, DiMiDo Kultursemesterticket
Weitere Informationen: www.kunsthalle-trier.de















