Faszination des Mittelalters: Ausstellung in Echternach über das Bild des Heiligen Willibrord

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Das Banner zur Ausstellung "Esou ginn Helde gebuer" im Foyer des Trifolion Echternach. Foto: Alexander Scheidweiler

ECHTERNACH. Die Ausstellung „Esou ginn Helde gebuer“, eine Doppel-Ausstellung im Trifolion Echternach und dem Lëtzebuerg City Museum, befasst sich mit den für Luxemburg identitätsbildenden Persönlichkeiten des Mittelalters und ihrer Rezeption im 19. und 20. Jahrhundert. In Echternach steht dabei der Heilige Willibrord im Mittelpunkt. Dabei zeigt sich, dass das Bild des Heiligen sich im Laufe der Zeit stark gewandelt hat.

Von Alexander Scheidweiler

Eine immens große Faszination habe das Mittelalter auf das 19. und 20. Jahrhundert ausgeübt, auf Architektur, Literatur, Kunst, so Guy Thewes, Direktor des Lëtzebuerg City Museums, bei der gestrigen Vernissage zur Ausstellung „Esou ginn Helde gebuer“ („So werden Helden geboren“) im Kultur- und Kongresszentrum Trifolion in Echternach. Die Ausstellung, die Mittelalterbilder des 19. und 20. Jahrhunderts im Großherzogtum in den Blick nimmt, ist ein Gemeinschaftsprojekt des Trifolions und des Lëtzebuerg City Museums, ein Projekt, das besonders die für Luxemburg identitätsbildenden Persönlichkeiten des Mittelalters bzw. deren Rezeption thematisiert (lokalo.de berichtete). Während die Ausstellung im hauptstädtischen City Museum sich v.a. mit Graf Siegfried I., dem Gründer Luxemburgs, der Gräfin Ermesinde II., die Luxemburg stark vergrößerte, und dem blinden König Johann (Jang de Blannen) beschäftigt, steht in Echternach selbstverständlich der Heilige Willibrord im Zentrum, zu dessen Grab in der Echternacher Basilika alljährlich die berühmte, zum Weltkulturerbe zählende Springprozession führt.

Ein Blick in die Ausstellung. Foto: Alexander Scheidweiler

Bürgermeister Yves Wengler dankte dem Trifolion und dem Lëtzebuerg City Museum für das Zustandekommen und dem Willibrordus-Bauverein für die Unterstützung der außergewöhnlichen Ausstellung und empfahl den Anwesenden auch das vielfältige Begleitprogramm mit Führungen, Workshops und Vorträgen. Thewes verwies darauf, dass die Zeit des Heiligen Willibrord noch vom Übergang von der Antike zum Mittelalter gekennzeichnet war. Habe sich die Stadt Luxemburg auch etwas später als Echternach entwickelt, so bilde doch die Gräfin Ermesinde, die beiden Städten im 13. Jahrhundert ihren Freiheitsbrief verlieh, eine wichtige historische Verbindung. Thewes äußerte Hoffnung Ausdruck, dass die Doppelausstellung zu einem regen Publikumsverkehr zwischen der Hauptstadt und Echternach Anlass gebe.

Der Historiker und Willibrord-Experte Dr. Michel Summer führt durch die Ausstellung. Foto: Alexander Scheidweiler

Es handele sich „um eine Ausstellung über das Mittelalter, aber nicht im Mittelalter, sondern in der Rezeption“, fasste der Historiker und Willibrord-Experte Dr. Michel Summer das von ihm entwickelte Konzept der Echternacher Ausstellung zusammen. Der identitätspolitische Bezug auf das Mittelalter sei noch immer hochaktuell, so Summer, wobei es auch zu Missbräuchen komme, wie z.B. die letzte Präsidentschaftswahl in Frankreich gezeigt habe, bei der der Rechtspopulist Éric Zemmour mit seiner Partei „Reconquête“ antrat, deren Name sich auf die Rückeroberung Spaniens im Mittelalter bezieht, oder der Fall des Attentäters von Christchurch, auf dessen Gewehr der Name Karl Martells stand, der sich also auf den fränkischen Herrscher und seinen Kampf gegen die Araber im 8. Jahrhundert und somit auch auf die Zeit Willibrords bezog. Doch es gibt auch positive Bezugnahmen, so durch den Karlspreis, der in diesem Jahr an drei belarussische Bürgerrechtlerinnen ging.

Willibrord-Bilder im Wandel der Zeiten. Foto: Alexander Scheidweiler

Die Ausstellung zeige auf, dass das Bild mittelalterlicher Persönlichkeiten, die zu Kristallisationspunkten von Identität wurden, nicht statisch, sondern fluide ist, erläuterte Summer weiter. Anhand von Büchern, Stichen, Urkunden und weiteren Objekten mit Erläuterungen auf Luxemburgisch, Französisch und Deutsch führt die Ausstellung den Besucher durch drei Etappen der Willibrord-Rezeption im 19. und 20. Jahrhundert: Den Anfang macht die Zeit von der französischen Besatzung in der Revolutionszeit, als die Springprozession verboten wurde und die Basilika in der Folge nach und nach verfiel, bis dann 1861 der Willibrordus-Bauverein gegründet wurde, der durch starkes Engagement der Echternacher Bürger die Basilika bis zum Jahre 1868 wiederherstellen konnte. Es folgte eine neue Blüte der Willibrord-Verehrung, bei der bis zu 15.000 Menschen an der Springprozession teilnahmen.

Zwei luxemburgische Integrationsfiguren: Willibrord und Graf Siegfried I.. Foto: Alexander Scheidweiler

Der zweite Abschnitt befasst sich mit den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts, in die zwei wichtige Jubiläen fallen: der 700. Jahrestag der Verleihung der Freiheitsbriefe an Luxemburg und Echternach durch Ermesinde 1936 sowie der 1200. Todestag Willibrords im Jahre 1939. Letzterer wurde, nur kurz vor dem deutschen Überfall, mit großen Feierlichkeiten begangen. Der dritte Abschnitt befasst sich mit dem Willibrord-Bild nach dem Zweiten Weltkrieg, das von einer zunehmenden Internationalisierung gekennzeichnet ist, wie Summer ausführte. Der frühmittelalterliche Benediktinermönch wird nun nicht mehr als Engländer oder Luxemburger, sondern als „Europäer avant la lettre“ gesehen.

Interessierte Besucher bei der Vernissage. Foto: Alexander Scheidweiler

Die Ausstellung „Esou ginn Helde gebuer“ ist ist im Trifolion Echternach bis zum 18.12. zu sehen, immer donnerstags von 14.00 – 18.00 Uhr, und an zwei Samstagen, dem 5.11. und dem 3.12., jeweils von 15.00 – 17.00 Uhr. Der Eintritt ist frei. Die Partnerausstellung im Lëtzebuerg City Museum läuft bis zum 26.2.2023. Im Rahmen des vielfältigen Begleitprogramms wird u.a. der deutsche Religionswissenschaftler Dr. Rainer Neu am 8.11. einen Vortrag zum Thema „Willibrord und die Christianisierung Europas im Frühmittelalter“ halten.

Weitere Informationen auf der Seite des Trifolions: https://trifolion.lu/programmation/esou-ginn-helde-gebuer-2/.

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