TRIER. Mit dem Gregorblatt ist einer der wertvollsten mittelalterlichen Schätze der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek demnächst in einer großen Ausstellung in Baden-Württemberg zu sehen. Vor der Leihgabe stand eine sorgfältige Restaurierung der herausragenden Miniatur aus dem 10. Jahrhundert auf dem Programm.
„Welterbe des Mittelalters: 1300 Jahre Klosterinsel Reichenau“ heißt die Landesausstellung, die ab dem 18. April im Archäologischen Landesmuseum Konstanz gezeigt wird. Berühmt geworden ist das Kloster am Bodensee vor allem durch seine Malschule, die in der Epoche der Ottonen ihre Glanzzeit hatte. Auch in Trier, zur Regierungszeit des kunstsinnigen Erzbischofs Egbert (977-993), erlebte die Buchmalerei im späten 10. Jahrhundert eine Blüte. Es wird vermutet, dass es zwischen beiden Schulen einen künstlerischen Austausch gab. Damit lag es nahe, bei der Ausstellung in Konstanz auch ein Exponat aus Trier zu zeigen.
„Wir erhielten eine Anfrage für das Gregorblatt, haben uns aber zunächst gegen die Ausleihe entschieden“, berichtet Bibliotheksdirektor Priv.-Doz. Dr. Francesco Roberg. „Das Kunstwerk selbst ist zwar in einem vergleichsweise guten Zustand, doch die Form der Aufbewahrung entsprach nicht den heutigen Anforderungen und wir wollten jedes Risiko ausschließen. Es bestand die Gefahr, dass das Gregorblatt bei einem Transport beschädigt wird.“
Die Veranstalter der Ausstellung gaben sich mit dem Bescheid aus Trier allerdings nicht zufrieden und so kam es zu einem „Deal“, der für beide Seiten vorteilhaft ist. Roberg: „Das Land Baden-Württemberg bot an, die Kosten für eine Aufbereitung zu übernehmen. Diese ist jetzt abgeschlossen und wir können die wertvolle Miniatur guten Gewissens zur Verfügung stellen.“ Unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen wird sie demnächst in einer eigens angefertigten Spezialbox ihre Reise nach Süddeutschland antreten.
Die heute als Gregorblatt bezeichnete, 27 mal 20 Zentimeter messende Miniatur diente ursprünglich als Illustration für eine Handschrift, die Briefe des bedeutenden frühmittelalterlichen Papstes Gregor enthielt. Auf der rechten Seite thront Gregor in seinem Gemach und lauscht der Inspiration durch die auf seiner Schulter sitzenden Taube des Heiligen Geistes. Links steht ein ungeduldiger Schreiber mit einer Wachstafel. Mit seinem Schreibgerät bohrt er ein Loch in den Vorhang, der sich zwischen ihm und Gregor befindet, um zu ermitteln, warum der Papst schweigt. Urheber des vermutlich im Jahr 983 oder 984 entstandenen Werks ist der „Gregormeister“, einer der größten Künstler seiner Epoche, dessen wirklicher Name nicht überliefert ist. Zahlreiche weitere bis heute erhaltene Buchmalereien werden ihm zugeschrieben. 1827 gelangte das Gregorblatt aus dem Bestand des Trierer Richters und Büchersammlers Johann Peter Job Hermes an die Stadtbibliothek.
Verantwortlich für die Restaurierung, bei der es vor allem um eine verbesserte Konservierung des Gregorblatts ging, waren Magdalena Liedtke aus Karlsruhe und Maria Krämer, die seit Februar als Restauratorin in der Stadtbibliothek arbeitet und somit gleich zum Einstieg ein besonders herausforderndes Projekt betreuen konnte. Zunächst wurde das auf Pergament gezeichnete Werk gereinigt und vorhandene Wellen geglättet. Dann ging es um die Aufbewahrung: Bisher war das Gregorblatt auf einem hinterlegten Papier mit einem Selbstklebestreifen befestigt. Maria Krämer kommentiert: „Das würde man heute nicht mehr so machen, weil das Material nicht archivgerecht ist und sich negativ auf die Alterung des klimaempfindlichen Pergaments auswirkt.“ Stattdessen wurde die Miniatur jetzt mit Störleim an dünnen Streifen aus Japanpapier befestigt und in ein Passepartout aus besonders haltbarem Museumskarton eingehängt. Dieses Passepartout kann auch für die Präsentation in der Ausstellung verwendet werden, so dass das Gregorblatt selbst nicht mehr angefasst werden muss.
Die Malschicht stellte sich nach intensiver Untersuchung durch Liedtke als stabil heraus. Die Farben leuchten auch nach über 1000 Jahren noch sehr intensiv, allen voran der Heiligenschein von Papst Gregor, der wie auch der Leuchter und Ornamente am Rand des Pergaments aus genau zugeschnittenen Blattgoldelementen besteht. (Quelle: Stadt Trier)