Flut-U-Ausschuss: Landrat „war nicht mehr er selbst“

Der Landrat und die Technische Einsatzleitung im Kreis Ahrweiler stehen im Mittelpunkt des Untersuchungsausschusses zur Flutkatastrophe. Mitarbeiter schildern Pföhlers Verfassung. Und eine offene Frage wird beantwortet.

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Wohnwagen, Gastanks, Bäume und Schrott türmen sich wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 an einer Brücke. Foto: Boris Roessler/dpa/Archivbild

MAINZ. Der frühere Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler, war nach den Schilderungen zweier enger Mitarbeiter bei der Flutkatastrophe völlig anders als sonst.

„Es hat – glaub ich – jeder mitbekommen, dass der Landrat nicht mehr er selbst war“, sagte der damalige Leiter des Impfzentrums, Fabian Schneider, am Freitag im Untersuchungsausschuss Flutkatastrophe im Landtag in Mainz. Er habe dem CDU-Politiker daher am 17. Juli empfohlen, „das Kommando an das Land abzugeben“, das dafür bereit gestanden habe, berichtete der 28-Jährige.

Ein anderer enger Mitarbeiter erlebte Pföhler bereits am Abend der Flutkatastrophe (14. Juli) als „unheimlich persönlich betroffen“ und „fahrig“. „Ich habe den Mann nicht wiedererkannt“, sagte Erich Seul. Pföhler habe sonst in allen Krisen, wie etwa bei Corona, „eigentlich immer die richtigen Entscheidungen getroffen“. Auch Schneider sprach „von einem krassen Gegensatz zu dem, wie man ihn (Pföhler) eigentlich kannte, und was der Kreis gebraucht hätte.“ Der Landrat sei normalerweise „der Lotse an Bord gewesen“.

Gegen den Landrat ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen womöglich zu später Warnungen und Evakuierungen. Pföhler wird am kommenden Freitag (8. Juli) im Untersuchungsausschuss erwartet.

Überlastet und überfordert: So schilderten drei Mitglieder des Krisenstabs zuvor, wie sie sich am Abend der Sturzflut an der Ahr gefühlt haben. Die Angehörigen der Technischen Einsatzleitung (TEL) des Kreises berichteten von Kommunikations- und Kapazitätsproblemen, die die Arbeit des Krisenstabs bei der Katastrophe vor knapp einem Jahr erheblich behindert hätten.

Es sei kaum möglich gewesen, von den Feuerwehren aus den verschiedenen Orten etwas über die jeweilige Situation zu erfahren, da die Verbindungen weitgehend zusammengebrochen gewesen seien, sagte ein ehrenamtlicher Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks (THW), der am Abend Dienst in der Einsatzleitung hatte: „Ich kann keine Lage führen, wenn ich keine Rückmeldungen habe“.

Der 47-Jährige war nach eigener Aussage am 14. Juli 2021 ab etwa 17.00 Uhr auf der Stelle „S2“ in der Technischen Einsatzleitung (TEL) für die Erstellung eines Lagebildes und die Weitergabe von Informationen an andere Stellen zuständig. Vorübergehend habe er zusätzlich auch die für den Einsatz zuständige Stelle „S3“ wahrgenommen. Zudem sei er noch mit Einsatzplanungen seines eigenen THW-Ortsverbandes Sinzig beschäftigt gewesen.

Bei der vorigen Sitzung des Untersuchungsausschusses war die Frage unbeantwortet geblieben, ob und wer die wichtige Position „S2“ in der TEL innehatte.

Es habe am Abend der Sturzflut keine Kapazitäten gegeben, Erkundungstrupps loszuschicken, um wegen der fehlenden Rückmeldungen der Feuerwehren ein Lagebild zu erstellen, da die Einsatzkräfte alle Hände voll zu tun gehabt hätten, berichtete der Zeuge weiter. Die ganze Dramatik der Sturzflut habe sich erst zwischen 22.00 und 23.00 Uhr abgezeichnet, als Nachrichten von vermissten Feuerwehrleuten, in Wohnwagen eingeschlossenen Menschen und Einstürzen am Oberlauf der Ahr eintrafen.

Ein anderer THW-Helfer bestätigte die Einschätzung seines Kollegen über die äußerst angespannte Situation in der Einsatzleitung: „Die Leute waren überlastet und überfordert.“ Er selbst habe das „am eigenen Leib gespürt“, sagte der 32-Jährige vom THW-Ahrweiler. Auf ein solches katastrophales Ausmaß habe man sich mit keinem Lehrgang vorbereiten können. „Es war zu viel, was auf uns eingestürzt ist“, sagte ein Angehöriger des Roten Kreuzes.

„Die Lage war wahrscheinlich für keine TEL des Landes oder des Bundes beherrschbar“, sagte Christian Heuser – Mitarbeiter der Kreisverwaltung. „Die Lage an sich hat die Leute überfordert.“

Pföhler habe am frühen Nachmittag die Kreisverwaltung verlassen, berichtete sein enger Mitarbeiter Erich Seul. Warum und wohin, wisse er nicht. Er sei dann am Abend noch einmal in der Kreisverwaltung gewesen, nachdem Innenminister Roger Lewentz (SPD) sich angekündigt hatte, um diesen kurz zu treffen. Dieser Termin habe nur wenige Minuten gedauert, berichtete die Pressesprecherin des Kreises, Carolina Angelika Wicher.

Die Sitzung des Untersuchungsausschusses hat nach Auffassung der CDU erneut gezeigt, dass ein Lagebild in der TEL des Kreises gefehlt hat. Der Stress und die zunehmende Überforderung seien für die Mitglieder der CDU-Fraktion im Ausschuss „absolut nachvollziehbar“. Um so weniger verständlich sei es, dass das Land die Einsatzleitung an dem Abend nicht schon früher übernommen habe.

SPD-Obmann Nico Steinbach stellte dagegen fest: „Der Kreis Ahrweiler war im Katastrophenschutz unzureichend aufgestellt.“ Grund dafür sei vor allem die fehlende Vorbereitung und Führung durch den damaligen Landrat Pföhler, „qua Amt wichtigster Katastrophenmanager vor Ort“, gewesen.

Mehr als 750 Menschen waren bei der Sturzflut nach extremem Starkregen am 14. und 15. Juli 2021 im Ahrtal verletzt und Tausende Häuser verwüstet worden. 134 Menschen kamen ums Leben. Der Untersuchungsausschuss will herausfinden, wie es zu der Katastrophe kommen konnte.

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