Ein Gastkommentar von Heinrich Drendorf:
Nun beginnen sie wieder, die wohl bekannten Rituale der politischen Linken: Während autonome Randalierer Teile Hamburgs in ein Bürgerkriegsgebiet verwandeln, schieben Medien von „Zeit“ bis „Junge Welt“, Politiker vom Linke-Linksaußen Jan van Aken (in der Vergangenheit wegen Aufforderung zu Straftaten rechtskräftig verurteilt) bis zum Grünen-Opa Ströbele (dessen wohl nicht nur anwaltliches Naheverhältnis zur RAF der „Cicero“ unlängst noch einmal genauer beleuchtete) und ideologisch verbohrte Netzaktivisten der Polizei die Schuld an der Eskalation in die Schuhe.
Mag sein, dass die Polizei bei der „Wellcome to Hell“-Demo wirklich zu früh zu hart durchgegriffen hat – am Ende werden das wahrscheinlich die Gerichte zu klären haben, wie es sich in einem Rechtsstaat gehört.
Doch Hand aufs Herz: Ist wirklich irgendjemand so blauäugig zu glauben, tausende Linksextremisten, die teilweise aus ganz Europa angereist waren, hätten später nicht sowieso begonnen, Fensterscheiben einzuschlagen, Autos anzuzünden und Polizisten mit Steinen, Zwillen und Feuerwerkskörpern anzugreifen, wenn die Polizei den schwarzen Block nicht aufgelöst hätte?
Wer die Fernsehbilder gesehen hat, dem kann nicht entgangen sein, dass im ganzen Demonstrationszug Sowjet-Fahnen geschwenkt wurden, die Fahnen einer der brutalsten Diktaturen aller Zeiten, die Millionen ihrer eigenen Bürger in Gulags ermorden ließ, eine Tatsache, die die Medien ebenso unkommentiert stehen ließen wie sie jahraus, jahrein das Faktum unkommentiert stehen lassen, dass auf DGB-Kundgebungen zum 1. Mai die Fahnen verfassungsfeindlicher, linksextremer Parteien wie DKP und MLPD zu sehen sind.
Wer aber für sich in Anspruch nimmt, für seine politische Überzeugung friedlich demonstrieren zu wollen – was völlig legitim ist – sollte jedenfalls nicht mit den Symbolen des Staates von Stalin, Beria und Blochin herumfuchteln.
Und auch bei jenen, deren Protest wirklich gewaltlos ist, kann man sich eines gewissen Unbehagens nicht erwehren: Von zu großer, utopisch gefärbter Naivität zeugen allzu viele O-Töne, die Fernsehjournalisten eingefangen haben, in denen wohlmeinende Demonstranten von einer besseren und gerechteren Welt daherreden, zu nebulös bleibt stets, was die Kapitalismus- und Globalisierungskritiker denn konkret an die Stelle einer kredit- und renditebasierten Ökonomie mit Privateigentum und freiem Unternehmertum (nichts anderes ist der Kapitalismus) sowie an die Stelle voranschreitender, weltweiter Arbeitsteilung (nichts anderes ist die Globalisierung) zu setzen gedenken.
Wer vorgestern die Phoenix-Runde zum G20-Gipfel angeschaut hat, konnte solch naiv-nebulösen Utopismus an den Einlassungen der österreichischen Attac-Aktivistin Julianna Fehlinger besichtigen, deren Allheilmittel der „umfassenden Demokratie“ wohl beinhalten soll, dass nach Auflösung der bestehenden Staatenwelt alle über alles und in allen Lebensbereichen mitdiskutieren und -entscheiden sollen, wodurch sich dann irgendwie alles zum Guten wenden würde. Wie das praktisch funktionieren soll, konnte weder der brave Moderator Alexander Kähler noch den sehr sachliche amerikanische Politologe Andrew B. Denison in Erfahrung bringen.
Und so sollte man v.a. eine lange Entwicklungslinie der Menschheitsgeschichte nicht aus dem Blick verlieren, auf die, um noch einen Landsmann Denisons zu Wort kommen zu lassen, der Grand Seigneur der amerikanischen Politik, Mitt Romney, immer wieder hingewiesen hat: Die Welt ist seit Vasco da Gama immer enger zusammengerückt. Dieser Prozess dauert seit der Renaissance an, und er wird weitergehen, mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt.
Kein utopischer Sozialismus, kein neuer Nationalismus und auch kein islamischer Fundamentalismus wird das ändern, weshalb diese Entwicklung gestaltet werden muss.
Und daher gilt: Ja, die G20 mag schwach legitimiert sein, ja, unter den Teilnehmern finden sich Autokraten und andere, zwielichtige Gestalten. Aber dass es dieses Forum gibt, dass die Vertreter der führenden Mächte dieser Erde regelmäßig zusammenkommen, um über die Probleme der globalen Agenda zu beraten, ist ein zivilisatorischer Quantensprung.
Ströbele und die RAF Anwälte, das ist ein Thema was mir selbst auch schon aufgefallen ist. Dazu schreibt Wikipedia:
„Nach der Auflösung des Sozialistischen Anwaltskollektivs 1979 gründeten Klaus Eschen und andere Anwälte, darunter Otto Schily, Werner Holtfort, Rupert von Plottnitz und Gerhard Schröder, den Republikanischen Anwaltsverein (RAV).“
Schily und Schröder, jaja…
„Der RAV sieht sich als politische Interessenvertretung, deren Anliegen es ist, „den Vorrang der Menschen- und Bürgerrechte gegenüber den Interessen staatlicher und wirtschaftlicher Institutionen“ zu sichern und herzustellen.“
Beim G8-Gipfel 2007 haben auch RAV Mitglieder Demonstranten verteidigt.
Was aktuell mit „linken Hooligans“ in Hamburg passiert ist reichlich unwürdig. Wie schon der Postillon in seinen satirischen Nachrichten schreibt:
„G20-Staaten beschließen sozialere Weltordnung, weil Linksautonomer Twingo angezündet hat“
Das scheint mir ziemlich unwahrscheinlich. Statt dessen leiden friedliche Demos mit einer sinnvollen Aussage schon die ganze Woche darunter, dass irgendwelche Gewalt-Clowns sich an die Spitze stellen und die komplette Demo darum aufgelöst wird. Könnte man die nicht mal bis Sonntag einsperren, damit der Rest der G20-Kritiker ihre Kritik endlich in Ruhe und farbenfroh statt „flammend“ und pöbelnd rüber bringen können?
Globalisierung ist übrigens zur Zeit nicht nur sinnvolle Arbeitsteilung: Die Arbeit wird von denen erledigt, die sie für den schlechtesten Lohn erledigen, während sie möglichst über Umwelt- und Qualitäts-Standards den Mund halten. Da gibt es eindeutig Verbesserungspotential in der Balance zwischen Gier und dem weltweitem Fortschritt, den man über faire Zusammenarbeit wirklich erreichen könnte.
Wir sehen jetzt schon, wo die Reise hingeht: Richtung Verteilungskämpfe.
Von Tag zu Tag wird immer weniger diskutiert und immer mehr getrampelt.
Es gibt nur eine Alternative zur Gewalt: Die Heimtücke. Wenn die Mächtigen den Bürgern alle Gelegenheiten zum linkisch-sein versperren, etwa in dem die Staatsbüttel ganzheitlich-totalitäre Bespitzelung und Beflüsterung veranstalten und den Bürgern keine Minute ohne bigbrotherische Belästigung mehr lassen, dann KANN der Bürger ja nicht mehr heimtückisch sein und dann WIRD er automatisch gewalttätig.
Die G20 haben sich hoffentlich auf eine Weltbevölkerungs-Obergrenze verständigt. Alles andere ist auf diesem Planeten nämlich Zeitschindung.