Wenn der Formel-1-Rennzirkus in einem Land Halt macht, dann herrscht unter den Fans ein regelrechter Ausnahmezustand. Die Lokalmatadore werden gefeiert und die Party beginnt bereits viele Tage vor dem Training, dem Qualifying und dem Rennen, das immer am Sonntag stattfindet.
Wer sich als Rennfahrernation einen Namen machen will, der braucht einen eigenen Grand Prix im Land. Traditionell sind es die Länder, die sich seit jeher dem Rennsport verschrieben haben und das Automobil in seiner Entwicklung dank der ansässigen Hersteller vorantreiben. Nicht erst seit Michael Schumacher gilt Deutschland als die Rennsportnation schlechthin. Hier wurde das Automobil erfunden und hier wurden auch die ersten großen Rennserien, nur wenige Jahre nach der Erfindung des Automobils, ausgetragen. Umso tragischer und beinahe peinlich ist es, dass Deutschland seit 2019 keinen eigenen großen Preis in der Formel 1 austrägt und verzweifelt auf Veränderungen wartet. Während selbst kleine Länder wie die Niederlande die Entwicklung und die Vermarktung neuer Rennstrecken vorantreibt, sind der legendäre Nürburgring und der Hockenheimring, die Strecken, in denen die letzten deutschen Rennen stattfanden, in die Jahre gekommen. Zu teuer, zu unsicher und zu viel Bürokratie – so argumentieren die deutschen Behörden, die Veranstalter der Formel 1 und auch die Betreiber der Rennstrecken.
Spielberg als Ersatz für den fehlenden deutschen Grand Prix
Zu Zehntausenden pilgern Rennsportfans Jahr für Jahr ins österreichische Spielberg, um dort ihrem favorisierten Rennstall zuzujubeln. Die Tickets sind teuer, aber begehrt und oftmals binnen weniger Stunden ausverkauft. Formel 1 Spielberg – das bedeutet Stimmung, Gastfreundschaft und Party für fast eine Woche lang. Eingefleischte Fans, viele auch aus Deutschland, stimmt die wunderbare Atmosphäre in Spielberg nachdenklich, angesichts der Tatsache, dass in den Sternen steht, ob es jemals wieder ein Formel-1-Rennen in Deutschland geben wird oder nicht. Umso glücklicher ist man allerdings, dass in Spielberg die Rennszene und die Fans ein Rennen vorfinden, das noch immer an die goldenen Tage der Königsklasse erinnern. Im Gegensatz zu den aufpolierten und beinahe klinisch wirkenden Rennen in arabischen Ländern oder auch in asiatischen Metropolen, geht es in Spielberg noch stärker um die Fans und um das unmittelbare Rennerlebnis.
Wer nimmt sich ein Herz und gibt den Deutschen ihr Rennen zurück?
Tatsächlich sind die Deutschen nicht die Einzigen, die ihrem berühmten Grand Prix nachtrauern. Bedauerlicherweise sind es die traditionellen Rennstrecken in Europa, die einst schon jedem Kind ein Begriff waren, die stückweise wegfallen und kaum eine Chance darauf haben, erneut als Rennort gelistet zu werden. Die Folge davon ist, dass in vielen Ländern die Beliebtheit der Formel 1 seit Jahren nachgibt. Die Rennen sind oftmals über viele Jahre, aufgrund deutlich überlegener Rennställe, monoton und außerdem steht die Formel 1 wegen ihres Verbrauchs wichtiger Ressourcen und ihrer Konzepte, die alles andere als nachhaltig sind, in der Kritik.
Natürlich ist es schmerzhaft, sich vom eigenen Grand Prix verabschieden zu müssen, doch wahrscheinlich ist es das Beste, nach vorn zu blicken. Das Automobil entwickelt sich weiter und damit auch die Rennserien. Diese reichen zwar noch lange nicht an die Formel 1 heran, doch es ist alles nur eine Frage der Zeit. Und bis es so weit ist, kann ja immer noch Jahr für Jahr zum Grand Prix nach Spielberg gepilgert werden.