WITTLICH. Bereits zum dritten Mal haben Insassen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Wittlich eine Ausbildung zum Fußball-Schiedsrichter absolviert. Das Projekt soll ihnen nach ihrer Haftentlassung die Wiedereingliederung in die Gesellschaft erleichtern.
Der Strafvollzug in Deutschland sieht ausdrücklich neben der Ahndung von Straftaten auch die Resozialisierung als wichtigen Bestandteil dafür an, die Rückfallgefahr zu minimieren. Die Ansätze, wie Gefangene dabei unterstützt werden können, sind unterschiedlich. Seit einigen Jahren geht die Leitung der Wittlicher Strafanstalt mit einigen Kooperationspartnern einen besonderen Weg. Sie bietet erwachsenen und jugendlichen Strafgefangenen die Möglichkeit, eine Schiedsrichterausbildung zu absolvieren.
Am gestrigen Samstag hatte Jörn Patzak, der Leiter der JVA Wittlich, der größten Justizbehörde in Rheinland-Pfalz zur Verleihung der Zertifikate an die neuen Schiedsrichter geladen. Mit dabei waren die Kooperationspartner, das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Staatsminister der Justiz, Prof. Dr. Gerhard Robbers, der Fußballverband Rheinland mit den Vizepräsidenten Stroh und Neuser, Verbandslehrwart Heiko Kreutz und Mosel-Lehrwart Mario Saxler, der die Gefangenen für die Prüfung fit gemacht hatte. Der FSV Salmrohr war durch Trainer Paul Linz und den sportlichen Leiter Karl-Heinz Kieren vertreten, dazu kamen noch die Sportbeamten der JVA. Sie und die Absolventen der Schiedsrichterprüfung – es waren auch zwei Beamte dabei – freuten sich besonders über den Besuch von Hans-Peter Briegel, dem Europameister (1980) und zweifachen Vizeweltmeister (1982, 1986).
Patzak, als ehemaliger Bundesliga-Basketballer geradezu prädestiniert, Programme zur Resozialisierung zu unterstützen, die im Sport verwurzelt sind, sieht für den neuen Schiedsrichter eine echte Perspektive, sich besser in der Gesellschaft zu integrieren. „Sie lernen wieder Verantwortung zu übernehmen.“ Mehr als den Männern den Einstieg zu erleichtern, könne man aber nicht. Deshalb war sein Schlusssatz, den er an die Probanden richtete, besonders wichtig: „Machen Sie was draus.“
Justizminister Robbers sprach von einem „richtig guten Tag“ für alle Beteiligten: „Wir haben Ihnen etwas gegeben, Sie haben es genommen. Sie stehen vor einer Herausforderung, vielleicht in einer Situation, in der sie bisher noch nicht waren.“ Robbers betonte, dass der Lehrgang und das Ablegen der Prüfung nur ein erster Schritt sein können. „Wichtig ist die Nachhaltigkeit dieser Fördermaßnahme. Wenn die Männer Freigänger oder entlassen werden, dann kann diese Ausbildung erst Wirkung zeigen. Und dafür ist auch die Kooperation mit dem Verband und dem FSV Salmrohr da.“
Alois Stroh, einer der beiden Vizepräsidenten des Verbandes, dankte den Absolventen, aber auch den Schiedsrichtern, die die Verantwortung für die Ausbildung getragen hatten: „Sie haben dafür Freizeit hinter Gefängnismauern verbracht und mit den Strafgefangenen gearbeitet.“ Saxler, der den 20-stündigen Lehrgang geleitet hatte, lobte: „Eine solche Disziplin, wie sich sie hier erlebt habe, wünsche ich mir immer.“ Am Ende seiner Begrüßungsworte bedankte sich Stroh ausdrücklich bei Hans-Peter Briegel, der trotz widriger Witterungsverhältnisse aus Germersheim angereist war, und das noch als kurzfristiger Ersatz, mit dem nicht ganz ernst gemeinten Angebot: „Lieber Hans-Peter, damit hast du dir eine Woche Urlaub hier in der Strafanstalt verdient.“
Der Besuch Briegels entwickelte sich zu einer lockeren Plauderstunde. Im Interview mit JVA-Chef Patzak zeigte sich die „Walz aus der Pfalz“ nicht nur gewohnt bodenständig, sondern auch äußerst humorvoll. Seine Aussage, dass er seine Karriere 1989 beendet habe, weil die Schienbeinschoner-Pflicht eingeführt wurde, sollte aber niemand allzu ernst nehmen. Briegel, der sich in Mexiko im Rahmen seiner Tätigkeit für die Egidius-Braun-Stiftung sozial engagiert ist, überraschte auch mit der Erkenntnis: „Fußball zu spielen, ist einfach. Trainer oder Schiedsrichter zu sein, ist viel schwerer.“ Er gab den Gefangenen noch einen gut gemeinten Rat mit auf den Weg: „Der Fußball hat Regeln, aber das Leben auch. Nehmen sie die Chance war, die Ihnen geboten wird, wenn sie entlassen werden.“
Der offizielle Teil wurde mit der Verleihung der Urkunden abgeschlossen. Briegel erhielt als Dankeschön von Patzak einen überdimensionalen Schlüssel, der aber nicht geeignet ist, Gefängnistore zu öffnen, sondern eine Kiste Moselwein und die Flaschen zu entkorken. Die Veranstaltung endete mit einer zwanglosen Plauderstunde aller Beteiligten bei Kaffee und Kuchen.
[td_text_with_title custom_title=“Kontakt“]Fußballvereine, die noch Schiedsrichter benötigen und die Resozialisierungsmaßnahme für die Gefangenen der JVA Wittlich unterstützen, möchten, können sich an die JVA direkt ([email protected]) oder dern Fußballverband Rheinland ([email protected]) wenden.