Berlin/Mainz. Die Bundesregierung hat sich nach monatelangem Ringen auf ein neues Modell des Wehrdienstes geeinigt – mit flächendeckender Musterung, freiwilliger Teilnahme und einer möglichen Bedarfswehrpflicht, falls sich zu wenige melden. Damit endet der politische Streit zwischen SPD und Union – und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD)bekommt grünes Licht für die größte Reform der Bundeswehr seit Jahren.
Was ändert sich beim Wehrdienst konkret?
Das neue Modell kombiniert Freiwilligkeit mit klaren Strukturen:
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Alle 18-jährigen Männer erhalten künftig automatisch einen Fragebogen, um Motivation und Eignung zu prüfen.
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Die Beantwortung ist verpflichtend, bei Frauen freiwillig.
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Die Musterung wird flächendeckend wieder eingeführt – nach schwedischem Vorbild, modern, hell und bürgerfreundlich.
Innerhalb der nächsten 18 Monate soll eine Musterungsorganisation entstehen, die bis zu 300.000 junge Menschen pro Jahr auf ihre Tauglichkeit prüfen kann. Geplant sind externe Standorte, keine Kasernen, sondern „angemietete Räume“, um den Dienst attraktiver zu gestalten.
Bezahlung: Bis zu 2.600 Euro im Monat – plus Führerscheinbonus
Wer sich freiwillig meldet, soll künftig auch besser bezahlt werden:
👉 Rund 2.600 Euro brutto monatlich erhalten Rekruten für ihren Dienst. Ab einer Verpflichtung von zwölf Monaten gibt es zudem einen Führerschein-Zuschuss für Pkw oder Lkw.
Zudem werden zusätzliche Ausbildungsangebote geschaffen – etwa IT-Kurse oder handwerkliche Qualifikationen, um den Wehrdienst attraktiver zu machen.
Freiwillig – aber mit Option auf Pflicht
Sollten sich zu wenige melden, greift das neue Prinzip der „Bedarfswehrpflicht“:
Der Bundestag kann – je nach Sicherheitslage – entscheiden, bestimmte Jahrgänge verpflichtend einzuziehen. Dabei könnte im Notfall auch ein Losverfahren zur Anwendung kommen.
Allerdings: Ein solches Verfahren soll nur greifen, wenn die Freiwilligkeit scheitert. Die Union hatte auf messbare Ziele bestanden – Pistorius musste nachgeben.
Startschuss ab 2026
Ab dem kommenden Jahr werden die ersten 18-Jährigen angeschrieben.
Die verpflichtende Musterung beginnt zunächst für die ab 2008 Geborenen, danach schrittweise für ganze Jahrgänge. Ziel ist es, die Truppe langfristig aufzustocken und die Bundeswehr in der Zeitenwende krisenfester zu machen.
Hintergrund: Warum die Reform so wichtig ist
Seit Beginn des Ukraine-Krieges steht die Bundeswehr stärker im Fokus. Der Dienst an der Waffe gilt wieder als Teil gesellschaftlicher Verantwortung. Doch Experten sind skeptisch: Militärhistoriker Sönke Neitzel spricht von einem „Prinzip Hoffnung“. Ob Freiwilligkeit ausreicht, müsse sich erst zeigen.
„Historisch betrachtet war die Wehrpflicht im Frieden nie gerecht – aber im Krieg immer notwendig“, so Neitzel.
Fazit: Ein Schritt zurück – oder nach vorn?
Mit der neuen Wehrdienstreform will die Regierung ein Signal der Wehrhaftigkeit senden – ohne eine klassische Pflichtarmee wiederzubeleben.
Ob die Mischung aus Anreiz, Pflichtgefühl und Bedarfsoption funktioniert, hängt davon ab, wie viele junge Menschen wirklich bereit sind, zu dienen.
















