TRIER. Kirche im Wandel: Warum das Bistum Trier jetzt konsequent aufräumt – und was das für Gemeinden, Pfarrer und Gläubige bedeutet.
Es ist ein Einschnitt, wie ihn die Kirche im Westen Deutschlands seit Generationen nicht erlebt hat. Das Bistum Trier legt den Rotstift an – nicht aus Willkür, sondern aus Notwendigkeit. Mit einer neuen Immobilienstrategie will das älteste Bistum Deutschlands bis 2034 seinen riesigen Gebäudebestand ordnen, reduzieren und zukunftssicher machen.
Ziel: Weniger Lasten, mehr Leben. Offiziell heißt das: „Erkennen, was uns beschwert, und was uns hilft, Kirche zu sein in dieser Zeit.“ Übersetzt: Gebäude, die nicht mehr gebraucht werden – werden fallen.
Was das konkret heißt: 40 Prozent der Kirchen fallen aus der Förderung
Das klingt freundlich, ist aber hart. Künftig werden nur noch maximal 60 Prozent der Kirchengebäude pro fusionierter Kirchengemeinde bezuschusst. Mindestens zwei Kirchen bleiben förderfähig – der Rest muss sich selbst tragen. Pfarrhäuser? Nur noch eines pro Pfarrei wird künftig mit Diözesangeldern unterstützt. Pfarrheime, Kapellen und vermietete Immobilien fallen aus der zentralen Finanzierung.
Der neue Rechtsrahmen tritt ab 1. Januar 2026 in Kraft. Bis 2034 müssen alle Pfarreien ein individuelles Immobilienkonzept vorlegen. Diese werden – nach dem neuen Trierer Stil – „beteiligungsorientiert“ erstellt. Doch klar ist: Die Gemeinden entscheiden zwar mit, aber am Ende gibt der Generalvikar das letzte Wort.
Ein Prozess mit Struktur – und vielen Emotionen
Der Prozess ist minutiös geplant. Vier Phasen über 12 bis 18 Monate:
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Informieren & Starten
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Analysieren & Beschreiben
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Beraten & Bewerten
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Sortieren & Entscheiden
Das klingt nüchtern, aber dahinter steckt ein emotionaler Kraftakt. Pfarrgemeinderäte und Verwaltungsräte müssen entscheiden, welche Kirche Zukunft hat – und welche nicht.
In Dörfern, wo die Kirche mehr ist als ein Bauwerk, bedeutet das ein großer Verlust.
„Es ist eine große Belastung“, räumte Andreas Trogsch, Leitender Direktor des Bischöflichen Generalvikariats, offen ein. „Aber wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir tragen können.“
Der ehrliche Blick in den Spiegel
Die Strategie des Bistums Trier ist dabei weniger ein Akt der Kälte, sondern des Realismus.
Der Mitgliederschwund, leere Kirchen, sinkende Kollekten – all das zwingt zur Neuordnung.
Das Bistum bekennt: Immobilien sind kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck.
Das mag pragmatisch klingen, doch es ist auch ein theologisches Bekenntnis:
Kirche soll Raum schaffen für Begegnung, nicht für Denkmalschutz aus Gewohnheit.
Wo früher fast jeder Ort sein Pfarrheim hatte, wird künftig gefragt: Wer braucht Raum – und wofür?
Was bleibt, was geht – das Bistum legt den Maßstab offen
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Bezuschusst:
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Max. 60 % der Kirchen (Stichtag: 01.01.2012)
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1 Pfarrhaus mit Dienstwohnung und Pfarrbüro pro Gemeinde
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Pfarrheime nach festgelegter Quadratmeterformel
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Nicht mehr bezuschusst:
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Mietobjekte und Ertragsimmobilien
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Zusätzliche Kirchen über der 60-%-Grenze
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Mehrere Pfarrhäuser oder Pfarrbüros
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Was nicht mehr in die Förderung fällt, darf weiter genutzt werden – aber nur auf eigene Kosten. Das Bistum zieht sich damit finanziell aus Dutzenden Immobilien zurück.
Mutiger Realismus statt schöner Schein
Das Bistum Trier wagt, was viele Institutionen scheuen: Es zieht eine Bilanz – und handelt.
Die Immobilienstrategie ist kein Sparkonzept, sondern ein Selbstreinigungsprozess.
Schmerzhaft, aber ehrlich.
Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die Kirche es schafft, nicht nur Gebäude zu verlieren, sondern Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Denn Kirche ist kein Dach aus Stein – sondern Menschen, die sich versammeln, wo Sinn noch Platz hat.













