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TRIER-EHRANG. Am gestrigen Freitagabend eröffnete der Theater- und Karnevalsverein Blau-Weiß Ehrang seine diesjährige Theater-Saison im Bürgerhaus Ehrang. Erstmalig im Rahmen eines Krimi-Dinners führten die Laienschauspielerinnen und -schauspieler des Vereins die Kriminalkomödie „Sherlock Holmes – Tod im Nebel“ auf, ein spannendes, humorvolles und dabei auch ein wenig hintersinniges Stück. Mit viel Liebe zum Detail und Flair der 20er-Jahre gestaltete der Verein einen rundum gelungenen Abend.
Von Alexander Scheidweiler
Es beginnt ganz harmlos, mit vier jungen Frauen, die fröhlich singend mit einer Spendenbüchse für die Heilsarmee sammeln. Doch dann kommt es zu einem vermeintlichen Diebstahl, den Dr. Watson (René Maes) zu vereiteln weiß, indem er dem flüchtigen Langfinger mit dem sprechenden Namen Finger (Lucas Krämer) buchstäblich einfach ein Bein stellt, so dass dieser von Kommissar Lestrade (Hermann Schmitt) und seiner Assistentin Georgina Witherspoon (Charlotte Kehrbaum) verhaftet werden kann – oder doch zumindest könnte, gelänge ihm nicht doch noch ganz plötzlich die Flucht. Ein Diebstahl, den Watsons weit berühmterer Freund und Begleiter, Meisterdetektiv Sherlock Holmes (Oliver Kirchen), unmittelbar zuvor vorausgesagt hatte. Und selbstverständlich wird es nicht bei einem einfachen Beinahe-Diebstahl bleiben, denn im London der Roaring Twenties, in dem die Krimi-Komödie „Sherlock Holmes – Tod im Nebel“ spielt, lauert freilich bedeutend finstereres Übel, bahnen infamere Verbrechen sich an.
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Und dabei ist die Kriminalkomödie von Jürgen v. Bülow, basierend auf den weltberühmten Detektiv-Romanen von Arthur Conan Doyle, die am gestrigen Freitagabend im Bürgerhaus Ehrang von den Laienschauspielerinnen und -schauspielern des traditionsreichen Theater- und Karnevalsvereins Blau-Weiß Ehrang erstmalig in einer Bearbeitung von Theaterleiterin Maria Löw aufgeführt wurde, v.a. äußerst spannend und humorvoll und dabei auch noch ein wenig hintersinnig. Denn neben einer ausgeklügelten Krimi-Handlung und zahlreichen Späßen, die den doch arg von sich selbst eingenommenen Meisterdetektiv immer wieder freundlich auf die Schippe nehmen und ihn ein wenig von dem hohen Roß herunterholen, auf das er sich selber mit der Verve seines übergroßen Egos gar zu gerne schwingt, hat das Stück auch ein Auge für soziale Problemlagen. Manchmal verbindet sich auch beides, die ironische Behandlung des Helden und die Sozialkritik, so gleich zu Beginn, wenn Watson Holmes vorhält, er sei doch letztlich nur der Handlanger einer Gesellschaft, in der diejenigen, die unten sind, dort auch mit Sicherheit bleiben, woraufhin Holmes erwidert, Watson sei wohl unter die Kommunisten gegangen.
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Für den Verein war der gestrige Theaterabend sozusagen eine doppelte Premiere. Denn in dem bis auf den letzten Platz besetzen Saal im Ehranger Bürgerhaus wurde nicht nur Theater gespielt, sondern auch gespeist: Im Wechsel mit dem Theaterstück genossen die Gäste ein vorzügliches Menü aus Kürbiscremesuppe, Maishähnchen und warmem Schokoladen-Brownie mit Vanilleeis und Beeren, aufgetischt vom Partner des Vereins, „Fresh & Flavour Catering“ aus Luxemburg. Kultur und Kulinarik in schönster Verbindung also. Zudem konnte Blau-Weiß Ehrang mit der gestrigen Veranstaltung nun auch endlich, nach flutbedingten Zwischenspielen in Schweich und Biewer, an die gewohnte Wirkungsstätte im Ehranger Bürgerhaus zurückkehren. Blau-weiße Banner begrüßten die Besucher mit einem „Herzlich Willkommen!“, die Atmosphäre des Abends war entspannt, fröhlich und im besten Sinne familiär. Zu Hause ist es eben doch am schönsten.
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Werfen wir noch einen Blick auf das Bühnengeschehen: Die vier Damen von der Heilsarmee, Katie (Marina Begere), Dora (Julia Löw), Alice (Jenny Schrenk) und Julia (Ella Schmitt), erweisen sich im Gespräch mit Holmes und Watson als äußerst kess und kokett, so dass Watson sich genötigt sieht, überrascht auszurufen, die Damen von der Heilsarmee hätten früher aber eine andere Sprache gesprochen. Doch mit seiner legendären Beobachtungs- und Kombinationsgabe vermag Holmes seinen Kompagnon darüber aufzuklären, dass es sich bei den jungen Damen in Wirklichkeit mitnichten um Spendensammlerinnen der Heilsarmee, sondern um Tänzerinnen des übel beleumundeten Allegra Theaters handelt. Als Waisenkinder, so erzählen sie, wurden sie von dessen Leiterin, die sie Tante Elizabeth nennen – gespielt wird sie von Theaterleiterin Maria Löw – aufgenommen. Dafür, dass sie im Theater ein Zuhause haben, müssen sie dort erotisch tanzen – und sich prostituieren, wie angedeutet wird. Das lässt bei Holmes und Watson dann doch den Wunsch entstehen, den jungen Frauen in dieser schwierigen Lage zu helfen und ihnen eine bessere Lebensstellung zu vermitteln – dies und der Umstand, dass Watson sich in Dora, Holmes in Katie verguckt, auch wenn der selbstverliebte Meisterdetektiv das nicht eingestehen will.
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Und so verschlägt es das ungleiche Duo in das Allegra Theater, justament dann, als im Theaternebel einer erotischen Tanznummer Lord Anderton (Heinz-Georg Mayer), der zuvor sein Kammermädchen und seine Ex-Geliebte Florence (Rebecca Hoffmann) dorthin verstoßen hatte, Opfer eines Giftmordes wird. Holmes und Watson haben somit einen weiteren Fall zu lösen – v.a. aber gerät Holmes selbst ins Fadenkreuz, denn hinter der Theater- / Freudenhausdirektorin „Tante Elizabeth“ verbirgt sich niemand anders als Elizabeth Moriarty, Mutter von Holmes’ altem Erzfeind Prof. James Moriarty, den Holmes an den Galgen gebracht hat. Nun hat sie einen diabolischen Plan ersonnen, der Holmes seinerseits an den Galgen bringen soll, einen Plan, in dem die Ermordung des Lords nur Mittel zum Zweck ist und in dem der ominöse Theaternebel eine Schlüsselrolle spielt. Sie setzt ihn ins Werk mit Hilfe ihrer Unterstützerin Ruth (Nicole Millen) und instrumentalisiert dabei rücksichtslos die arme Bettlerin Mary (Laura Rosswinkel), die sie in ihr Etablissement lockt, wo schließlich auch der Vater Julias, Mr. Summer (Helmut Wagner), auftaucht. Wie sich das alles letztlich auflöst – der Mordplan gegen Holmes, die Lebenssituation der jungen Frauen im Allegra Theater und die sich anbahnenden Love Stories zwischen Holmes und Katie sowie zwischen Watson und Dora kann und sollte man sich bei einer der weiteren Vorstellungen im Bürgerhaus Ehrang ansehen.
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Sehr gelungen ist, dass die Schauspieler den ganzen Saal des Bürgerhauses in den Spielraum einbeziehen: Immer wieder bewegen sie sich durch den Saal auf die Bühne oder von der Bühne über eine kleine Treppe in den Saal herab, durchschreiten die Tischreihen oder sprechen das Publikum direkt an. Stilechte Kostüme verstärken den Zeitkolorit der 20er und schaffen im Ehranger Bürgerhaus fast ein bisschen „Babylon Berlin“-Flair. Sinnig auch das Bühnenbild, das mal Holmes’ gute Stube in der Baker Street vorstellt, in der Zahnräder in Steampunk-Optik an der Rückwand auf die wohl geölte Maschine seines scharfen Verstandes hindeuten, mal das Allegra Theater mit goldenem Glitzervorhang und Lichterketten-Deko. Mit viel Liebe zum Detail waren auch die Tische, an denen die Zuschauer saßen, dekoriert, mit Polizei-Absperrband, Lupe und kleinen Textschnipseln – vielleicht Hinweise zur Aufklärung eines Verbrechens? Sogar eine Krimi-Zeitung wurde zwischendurch verteilt und man konnte an einem Gewinnspiel teilnehmen. Allerdings musste man schon genau aufgepasst haben, um die drei Fragen auf dem Teilnahmezettel richtig beantworten zu können.
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Ein rundum gelungener Abend, bei dem v.a. die routinierten Schauspieler Oliver Kirchen als Sherlock Holmes und Maria Löw als Elizabeth Moriarty zu überzeugen wussten. Sie trugen maßgeblich das Stück, Kirchen als etwas bornierter, aber im Grunde doch herzensguter Holmes, der, bei all seinem demonstrativ zur Schau gestellten Stolz auf seinen scharfen Intellekt, Frauen gegenüber äußerst unsicher ist, Löw als kühle Grand Dame, unter deren beherrschter Oberfläche glühende Rachsucht lodert. Wie der Vereinsvorsitzende Dennis Labarbe hervorhob, gaben bei „Sherlock Holmes – Tod im Nebel“ erfreulicherweise auch viele neue Laienschauspieler ihr Debüt bei Blau-Weiß Ehrang, die sich alle gut zu präsentieren vermochten, unter denen allerdings ganz besonders Hermann Schmitt und Charlotte Kehrbaum als sich dauernd kabbelndes Duo Lestrade – Witherspoon sehr vergnüglich zu sehen waren.
weitere Termine: 5.10., 19.00 Uhr; 6.10., 17.00 Uhr; 12.10., 19.00 Uhr; 13.10., 17.00 Uhr; 19.10., 19.00 Uhr und 20.10., 17.00 Uhr, jeweils im Bürgerhaus Ehrang
weitere informationen unter: https://www.blau-weiss-ehrang.de/theater-2024