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DIERFIELD. «Wir sind ein Paradebeispiel, dass es funktioniert», sagt Roderich von Greve-Dierfeld. Der 44-Jährige ist Bürgermeister einer der kleinsten Gemeinden in Deutschland.
Von Bernd Glebe, dpa
Es gibt keine Arbeitslosigkeit und keine Kriminalität in Dierfeld. Der Ausländeranteil in der kleinen rheinland-pfälzischen Eifelgemeinde liegt bei fast 50 Prozent. «Alle diese Dinge, die die Politik zu lösen versucht, sind in unserem Mikrokosmos gelöst», sagt Bürgermeister Roderich von Greve-Dierfeld. «Mitarbeiter, die aus Polen stammen, über Jahrzehnte in Dierfeld leben und im Gemeinderat tätig sind, sind ein Beispiel dafür, wie Integration funktionieren kann. Was wir hier machen, ist schon sehr besonders.»
Einwohnerzahl explodiert auf 22
Die Mini-Ortsgemeinde im Landkreis Bernkastel-Wittlich galt lange Zeit als kleinste Kommune Deutschlands. Im vergangenen Jahr explodierte die Einwohnerzahl jedoch zeitweise von 10 auf 22. Grund waren die Saisonarbeiter, die auf dem Hofgut arbeiten, sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden und dann teils auch ihren Wohnsitz in dem Eifelort anmelden. Denn aus viel mehr als dem Gut, einer Kapelle und einem Friedhof besteht Dierfeld nicht. Bis auf die Saisonarbeiter ist alles fest und seit vielen Jahrzehnten in Familienhand.
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In Deutschland werden insgesamt rund 10.700 Gemeinden gezählt. Die bundesweit meisten liegen in Rheinland-Pfalz mit rund 2.300. Rund 1.600 Gemeinden im Land haben weniger als 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Die Statistiker ermittelten zuletzt sogar 144 Ortsgemeinden, bei denen der Bevölkerungsanteil unter 100 liegt, in 42 Ortsgemeinden sogar unter 50 Personen.
Oberster Kassenprüfer für mehr Effizienz
Dass diese große Kleinteiligkeit beim Blick auf die kommunalen Haushalte im Land nicht sehr effizient ist, zu dem Schluss kam jüngst der Präsident des rheinland-pfälzischen Landesrechnungshofes. «Wenn eine Gemeinde sehr klein ist, dann wird sie in der Tendenz ihren Aufgaben natürlich schwieriger gerecht werden können als eine Gemeinde mit mehr als 1.000 Einwohnern», argumentiert Marcel Hürter.
Kommunalfusionen und die interkommunale Zusammenarbeit seien zwar nicht die einzigen Wege, um die kommunale Finanzausstattung zu verbessern, erklärte der oberste Kassenprüfer in Rheinland-Pfalz. «Aber sie könnten einen Beitrag hierzu leisten.» Diesen Weg lehnt Roderich von Greve-Dierfeld für seine kleine Gemeinde jedoch kategorisch ab.
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Dierfeld habe einen ausgeglichenen Haushalt und liege niemandem auf der Tasche, betont der 44-Jährige. «Wir leisten hier einen Beitrag mit Wenigen für Viele und können sogar aus Rücklagen der Gemeindekasse soziale und gemeinnützige Einrichtungen in der Region finanziell unterstützen.»
Nach Einschätzung des Bürgermeisters, der mit seiner Frau und drei Kindern sowie weiteren Familienangehörigen in der Gemeinde lebt und das Amt vor einigen Jahren von seinem Vater übernommen hat, würde durch die Fusion mit einem anderen Ort die Identität von Dierfeld verloren gehen.
«Wir sind ein Paradebeispiel, dass es funktioniert»
Regionale Besonderheiten könnten von der Ferne außerdem nicht so individuell von Verwaltungen beurteilt werden, erklärt von Greve-Dierfeld, dessen Großvater im Jahr 1909 das damalige Landgut des Grafen von Manderscheid mit einer Fläche von rund 170 Hektar gekauft hatte. «Eine Zusammenlegung kommt für mich überhaupt nicht infrage. Wir sind ein Paradebeispiel, dass es funktioniert.»
Nachdem sein Vater vor allem mit Saatgut und Schweinezucht die Finanzierung des privaten Dorfes sichergestellt hatte, setzen die Verantwortlich mittlerweile vor allem auf die Anpflanzung von Weihnachtsbaumkulturen, einer Forstbaumschule, den Verkauf von Brennholz, Wiederaufforstungsmaßnahmen, die Pflege von großen Parkanlagen und der Gestaltung von Privatgärten.
In der finalen Planung ist auch der Bau einer Photovoltaikanlage für die Stromerzeugung. «Wir müssen uns immer wieder neu erfinden und jedes Jahr um die Existenz kämpfen.»
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Den Spitzenplatz als kleinste Gemeinde in Rheinland-Pfalz hat nach Angaben des Statistischen Landesamtes mittlerweile Hamm im Eifelkreis Bitburg-Prüm mit 16 Einwohnerinnen und Einwohnern erobert. Der Ort liegt nicht weit entfernt von Dierfeld im Kreis Bernkastel-Wittlich.
Dass es trotz des erklärten Willens zur Eigenständigkeit nicht ohne Nachbarschaftshilfe geht, weiß natürlich auch der parteilose Bürgermeister. Die Abstimmung zur Bundestagswahl etwa fand im wenige Kilometer entfernten Manderscheid statt. Aus praktischen Gründen, da die Gemeinde zum Wahlbezirk Wittlich-Land gehört und zur Wahrung des Wahlgeheimnisses. «Bei 22 Menschen sind die abgegebenen Stimmen zu leicht zuzuordnen.»