MAINZ/SAARBRÜCKEN. Alle Vögel sind schon da – wirklich alle? Jedes Jahr zählen die Betreiber von Zoos ihre Tiere. Das fällt bei Löwen und Schildkröten deutlich leichter als etwa bei Fischen. Eine Bestandsaufnahme.
Von Wolfgang Jung (Text) und Uwe Anspach (Foto), dpa
Einen solch spektakulären Neuzugang wünscht sich jeder Zoo. Respekteinflößend liegt das sibirische Tigerweibchen Daria im etwa 7.000 Quadratmeter großen Außengehege in Landau. Vor kurzem kam die siebenjährige Großkatze aus Ungarn in Rheinland-Pfalz an. «Diese charismatische, hoch bedrohte Tierart spielt in etlichen Unterrichtseinheiten der Landauer Zooschule eine wichtige Rolle», sagt Direktor Jens-Ove Heckel.
Wo Daria noch eine Rolle spielt: in der Statistik. Jährlich sichten Tierparks ihren Bestand. Zum einen ist ein Zoo ein Wirtschaftsbetrieb, der sein Inventar kennen muss. Zum anderen muss er planen, was angeschafft oder abgegeben wird.
Nicht jeder Zoobewohner kooperiert
Tiere zählen kann jedoch eine Schule der Geduld sein. Längst nicht jeder Zoobewohner kooperiert bei der Inventur – wie das Personal auch in Rheinland-Pfalz zu berichten weiß. Bei größeren Vierbeinern wie Tigern und Giraffen ist der Appell einfacher als bei Gruppentieren wie dem Flamingo. «Leicht zu überprüfen sind die Bestände bei Tierarten wie Alpakas, Schildkröten, Erdmännchen und weiteren», sagt etwa ein Sprecher des Eifelparks Gondorf.

Schwieriger sei dies in weitläufigen Gehegen des Rotwilds oder der Steinböcke. «In diesen großen Gehegen findet zudem täglich eine Zaunkontrolle statt», betont er. In Gondorf erfolgt eine gründliche Inventur des Tierbestands typischerweise zum Jahreswechsel. Aktuell beherbergt der Eifelpark etwa 200 bis 220 Tiere. «Die Fluktuation ist bedingt durch den Lauf des Lebens sowie Geburten jeweils vom Frühjahr bis zum Sommer», erklärt der Sprecher.
Brillenkaiman trifft Blauaugenbuntbarsch
In Neuwied ist die jährliche Inventur nach mehrtägiger Zählung und Kontrolle gerade abgeschlossen. Der Zoo halte 2.033 Tiere aus 185 Arten, teilt die stellvertretende Zoodirektorin Jasmin Kuckenberg mit. «Diese Zahl erheben wir einerseits, um sie den Behörden zu übermitteln. Zum anderen ist es auch für uns immer interessant zu sehen, wie sich der Bestand entwickelt hat.» Der Zoo führe zwar das ganze Jahr über Buch über Zu- und Abgänge. «Aber wie sich diese Einzelereignisse in der Summe auswirken, sieht man erst dann.»

So beweise die Zählung der Blauaugenbuntbarsche, dass ihre Haltung im Becken der Brillenkaimane funktioniere und die Fische nicht von den Krokodilen beeinträchtigt würden. «Aus 11 Barschen Anfang 2024 sind innerhalb eines Jahres 23 geworden», so die Biologin. Hingegen sei die Brillenblattnasen-Kolonie in der Fledermausgrotte von 180 auf 164 geschrumpft. «Das macht Sinn, da es sich um eine Männergruppe handelt und kein Nachwuchs kommt.»
Auch im Zoo in Saarbrücken ist Inventur üblich. «Das geschieht elektronisch», sagt die auf Zoo- und Wildtiere spezialisierte Tierärztin Dr. Nicole Schauerte. «Jedes Tier hat eine ID und wird in einer Datenbank erfasst.» Gruppen wie Insekten oder Fischschwärme oder versteckt lebende Arten würden geschätzt. «Der Zoo Saarbrücken beherbergt 1000 Individuen aus etwa 100 Arten. Das ist seit Jahren stabil.» Dass ein Tier fehle, komme praktisch nicht vor.
Darwin-Nandu sucht Partnerin
Das sieht auch Gondorf so. «Fehlt mal ein Rot- oder Damwild, ist dies in der Regel aufgrund der großzügigen Rückzugsmöglichkeiten der Tiere nicht gleich ein Grund zur Besorgnis», sagt der Sprecher. «Am dritten Tag machen sich die Tierpfleger explizit auf die Suche.» Es könne auch vorkommen, dass etwa eine Ziege aus einer für den Besucher begehbaren Anlage gerate. «Solche Ereignisse sind aber wirklich sehr selten.»

In der neuen Heimat von Tiger Daria geht Verwalterin Christina Schubert an diesem etwas trüben Februartag durch den Zoo Landau. «Wir sind verpflichtet, unseren Bestand quasi tagesaktuell zu halten», sagt sie. Dazu halte das Team Zu- oder Abgänge oder Geburten und Todesfälle schriftlich fest. «Deswegen ist bei den allermeisten Tierarten keine wirkliche Inventur zum Jahresende nötig.» Am 31. Dezember 2024 zählte Landau 1.213 Individuen in 113 Arten.
Auch in Neuwied denkt man schon weiter. «Ein männlicher Darwin-Nandu ist bereits auf seiner Außenanlage für Besucher zu sehen», sagt die stellvertretende Direktorin Kuckenberg über den Laufvogel. «Für den suchen wir noch eine Partnerin, sodass bei der nächsten Inventur hoffentlich zwei Tiere gelistet sind.» Auch die Mähnenwölfe seien seit Neuestem wieder zu zweit. «Da könnte», so spekuliert die Biologin, «ebenfalls noch eine Steigerung drin sein.» (Quelle: dpa)