Eine Entscheidung des Ausschusses der Arzneimittelbehörde BfArM vom 11.07 bestätigt, dass Viagra weiterhin verschreibungspflichtig bleibt. Die Mehrheit des Sachverständigen-Ausschusses für Verschreibungspflicht hat gegen eine Befreiung von der Rezeptpflicht gestimmt.
Vor 25 Jahren wurde die markante blaue Viagra-Tablette vom US-Pharmakonzern Pfizer auf den Markt gebracht. Sie war das erste oral einzunehmende Produkt zur Behandlung von erektiler Dysfunktion und erlangte kurz nach ihrer Zulassung weltweite Bekanntheit. In den besten Zeiten erreichte das Medikament einen Jahresumsatz von über zwei Milliarden Dollar.
Nach Ablauf des Patentschutzes im Jahr 2013 kamen zahlreiche Generika mit dem Wirkstoff Sildenafil auf den Markt. Laut dem Marktforschungsinstitut IQvia waren zuletzt etwa 70 verschiedene Sildenafil-haltige Produkte in Deutschland erhältlich.
Anfang 2022 lehnte der Ausschuss beim BfArM eine Entlassung von Sildenafil aus der Verschreibungspflicht ab, insbesondere in Bezug auf die empfohlene Dosierung von 50 Milligramm (z.B. Viagra 50 mg). Die erneute Diskussion dieses Themas eineinhalb Jahre später wird von Branchenbeobachtern als ungewöhnlich betrachtet.
Im Gegensatz zu Ländern wie Großbritannien, Polen, Schweden, Norwegen und der Schweiz ist Viagra und andere Potenzmittel hierzulande also nach wie vor nicht ohne ärztliches Rezept erhältlich.
Argumente für den rezeptfreien Verkauf von Viagra
Die Frage, ob Viagra ohne Rezept erhältlich sein sollte, ist ein Thema von wissenschaftlicher Debatte. Es gibt Argumente, die für eine Freigabe des Medikaments ohne ärztliche Verschreibung sprechen:
Verbesserter Zugang: Ein rezeptfreier Verkauf von Viagra würde den Zugang für Männer mit erektiler Dysfunktion erleichtern. Dies könnte insbesondere für Männer hilfreich sein, die sich aus verschiedenen Gründen nicht sofort an einen Arzt wenden können oder wollen.
Entstigmatisierung: Eine rezeptfreie Verfügbarkeit von Viagra könnte dazu beitragen, das Stigma im Zusammenhang mit erektiler Dysfunktion zu reduzieren. Männer könnten das Medikament diskreter erwerben und offener über ihre sexuelle Gesundheit sprechen.
Selbstbehandlung und Eigenverantwortung: Männer, die bereits Erfahrungen mit Viagra gemacht haben und ihre Situation gut einschätzen können, könnten die Behandlung eigenverantwortlich fortsetzen, ohne jedes Mal ein Rezept zu beantragen.
Kosteneinsparungen: Die Notwendigkeit, jedes Mal eine ärztliche Verschreibung zu erhalten, könnte mit zusätzlichen Kosten und Aufwand verbunden sein. Ein rezeptfreier Verkauf könnte die Behandlungskosten reduzieren und das Gesundheitssystem entlasten.
Sicherheitsprofile anderer Länder: In einigen Ländern wurde Viagra bereits ohne Rezeptpflicht freigegeben. Eine Analyse der Sicherheitsprofile dieser Länder könnte zeigen, dass eine rezeptfreie Verfügbarkeit von Viagra vertretbar ist.
Argumente gegen den rezeptfreien Verkauf von Viagra (wissenschaftliche Debatte)
Es gibt Argumente, die gegen eine Freigabe des Medikaments ohne ärztliche Verschreibung sprechen:
Potenzielle Gesundheitsrisiken: Die rezeptfreie Verfügbarkeit von Viagra könnte dazu führen, dass Männer das Medikament ohne vorherige ärztliche Untersuchung und Beratung einnehmen. Dies könnte zu gesundheitlichen Risiken führen, insbesondere wenn es Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder bestehenden Gesundheitszuständen gibt.
Fehlende ärztliche Aufsicht: Ohne ärztliche Überwachung besteht die Gefahr, dass Männer die empfohlene Dosierung überschreiten oder das Medikament länger als notwendig einnehmen. Dies könnte zu unerwünschten Nebenwirkungen führen oder die Wirksamkeit von Viagra beeinträchtigen.
Maskierung zugrundeliegender Gesundheitsprobleme: Erektile Dysfunktion kann ein Frühwarnzeichen für andere zugrundeliegende Gesundheitsprobleme sein, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes. Durch den rezeptfreien Verkauf könnten diese wichtigen medizinischen Indikatoren übersehen werden.
Verlust von medizinischer Beratung: Der rezeptfreie Verkauf von Viagra könnte Männer davon abhalten, medizinische Beratung und Untersuchungen in Anspruch zu nehmen. Dadurch könnten potenzielle Gesundheitsprobleme unentdeckt bleiben und sich verschlimmern.
Missbrauchsgefahr: Ohne ärztliche Überwachung könnten Männer Viagra missbräuchlich einsetzen, um die sexuelle Leistung zu steigern, auch wenn keine medizinische Notwendigkeit dafür besteht. Dies könnte zu unsachgemäßem Gebrauch und gesundheitlichen Problemen führen.
Schutz für vulnerable Gruppen: Eine rezeptfreie Verfügbarkeit von Viagra könnte Jugendliche und andere vulnerable Gruppen gefährden, die das Medikament ohne angemessene Kenntnisse und Aufsicht einnehmen könnten.
Fazit
Diese Argumente unterstreichen die Notwendigkeit einer sorgfältigen Abwägung der Risiken und Vorteile, bevor eine Entscheidung über den rezeptfreien Verkauf von Viagra getroffen wird. Die Debatte darüber, ob Viagra ohne ärztliche Verschreibung erhältlich sein sollte, ist daher komplex und erfordert weitere gründliche Untersuchungen.