Kunst trifft Kirche: Ausstellung „Inspiration“ in der Bürgerkirche St. Gangolf Trier

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Der Direktor der Europäischen Kunstakademie Trier, Simon Santschi, der Schirmherr der Ausstellung, Kulturdezernent Markus Nöhl, und Bernhard Kaster, Vorsitzender des Kuratoriums Markt- und Bürgerkirche St. Gangolf bei der Eröffnung der Vernissage (v.l.n.r.). Foto: Alexander Scheidweiler

TRIER. Im Rahmen einer Vernissage wurde am gestrigen Sonntagnachmittag in der Trierer Markt- und Bürgerkirche St. Gangolf die Ausstellung „Inspiration. Kunst in der Bürgerkirche St. Gangolf“ eröffnet. Fast 50 Künstlerinnen und Kühnster haben zu der bemerkenswerten Ausstellung insgesamt über 90 Werke beigesteuert. Das Spektrum des Gezeigten ist immens, alle Werke jedoch sind von der beliebten Trierer Altstadt-Kirche und christlichen Traditionen inspiriert.

Von Alexander Scheidweiler

Umrahmt von den barocken Klängen der Tänze des Komponisten und bahnbrechenden Musiktheoretikers Johann Joseph Fux, gespielt vom Kammerorchester St. Antonius Trier, fand am gestrigen Sonntagnachmittag in der im Prozess der Renovierung befindlichen Trierer Markt- und Bürgerkirche St. Gangolf die Vernissage zur Kunstausstellung „Inspiration“ statt, die bis zum 11.12. zu sehen sein wird und zu der fast 50 zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler aus der Region Arbeiten beigetragen haben. Die Ausstellung, die im Rahmen der Reihe „Forum Bürgerkirche“ stattfindet und unter der Schirmherrschaft des Kulturdezernenten der Stadt Trier, Markus Nöhl, steht, basiert auf einer Kooperation des Kuratoriums Markt- und Bürgerkirche mit der Europäischen Kunstakademie Trier, der Gesellschaft für Bildende Kunst Trier und der Kulturstiftung Trier. Vertreten ist ein beeindruckend breites Spektrum an künstlerischen Arbeiten von völlig gegenständlich bis gänzlich abstrakt, von Malerei über Fotographie bis Skulptur, die alle eins gemeinsam haben: die Urheber ließen sich von St. Gangolf zu ihren Werken inspirieren, daher der Titel der Ausstellung.

Die Ausstellung zeigt somit, dass der Direktor der Europäischen Kunstakademie, Simon Santschi, Recht hatte, als er schon im April erklärte, in der Phase, in der der Kirchenraum zwar schon weitgehend renoviert, aber noch nicht voll eingerichtet ist, gebe es in der gotischen Kirche großes „Potenzial, etwas Zeitgenössisches zu zeigen“, da könne „etwas ganz Tolles entstehen“. Und die zahlreichen Gäste, die zur Vernissage gekommen waren, konnten sich überzeugen, dass dies tatsächlich gelungen ist. Gerade der Begriff der Inspiration biete Raum zur Interpretation, so Santschi damals, und habe einen Anklang an den lateinischen „spiritus“, den theologisch so bedeutenden Geist, stelle somit den Bezug zum Kirchenraum her und bilde eine Brücke zwischen Kirchenraum und zeitgenössischer Kunst (lokalo berichtete).

Die Installation „Memento vivere“ von Inessa Babkovich schwebt über dem Eingangsbereich. Foto: Alexander Scheidweiler

Nach einer Begrüßung durch den Vorsitzenden des Kuratoriums, Bernhard Kaster, der hervorhob, dass die Stadt-, Bürger-, Markt- und Handwerkerkirche St. Gangolf durch die Ausstellung auch zur Künstlerkirche wird, wandelte Pastor Dr. Markus Nicolay, der in seinen einleitenden Worten auf das Verhältnis von Kunst und Kirche im Wandel der Zeiten einging, gewissermaßen auf den Spuren des heiligen Konzilspapstes Pauls VI., der als Connaisseur der modernen Kunst die katholische Kirche sozusagen auch ästhetisch ein Stück weit modernisierte – seine Sammlung religiöser Kunst des 20. Jahrhunderts bereichert heute die Vatikanischen Museen. Die Idee, Künstlerlinnen und Künstler bei dem Vorhaben, die Kirche in der Phase der Renovierung nach und nach den Bürgern zurückzugeben, einzubinden, sei spontan am Rande einer Kuratoriumssitzung entstanden, so Nicolay – und „manchmal sind spontane Ideen ja sehr weitreichend und fruchtbringend“.

Es habe eine „riesige, unerwartete und machmal sogar fast beschämende Resonanz unter den Künstlerinnen und Künstlern“ gegeben, erklärte der Pfarrer der Innenstadt-Pfarrei Liebfrauen. „An den neugierigen Fragen“, die die Kreativen bei den Kennenlern-Treffen stellten, sei ein großes Interesse festzustellen gewesen; es habe „eine im positiven Sinne gespannte Atmosphäre“ geherrscht. Die Menge der dann tatsächlich eingegangenen Bewerbungen habe ihn „im besten Sinne fassungslos“ gemacht, sagte Nicolay.

Ein Blick in das linke Seitenschiff. Foto: Alexander Scheidweiler

Kirche und Kunst seinen „zwei Geschwister, die schon so lange zusammengehören, wie es die Kirche hier in Trier gibt“, denn schon bei der Errichtung des antiken Doms habe sich dien Frage des Baustils und der künstlerischen Innenausstattung gestellt. „Ganze Stilepochen in der Kunstgeschichte sind durch Kirchenbauten maßgeblich geprägt“, erklärte Nicolay. Mit der Aufklärung jedoch habe sich das Verhältnis von Kunst und Kirche abgekühlt. Mit dem modernen Selbstverständnis der Kunst als kritisch und in Freiheit schaffend habe sich die Kirche lange schwergetan.

Es gebe aber auch Fälle, in denen moderne Kunst und Kirche zusammengehen, wie etwa die Richter-Fenster im Kölner Dom und der Abteikirche von Tholey zeigen. Mit der Ausstellung „Inspiration“ habe man es nun gewagt, „die Künstlerinnen und Künstler einfach mal zu uns ins Haus einzuladen“, ganz ohne „unmittelbare Vorgaben“, außer dass ein Bezug zu St. Gangolf gegeben sein sollte. Auf diesen Ansatz hätten die Künstler reagiert, was „ganz wunderbar gelungen“ sei. Es sei zudem auch sein persönlicher Wunsch, so Nicolay, Kirche und Kunst in einen Dialog zu bringen. An den nächsten drei Sonntagen werde er daher, jeweils am Ende eines Ausstellungstages, das Format „Rendezvous in St. Gangolf“ anbieten, in dessen Rahmen er versuchen werde, mit einem ausgewählten Werk und ggf. dessen Urheber oder Urheberin „von der geistlichen Seite ins Gespräch zu kommen“.

Pfarrer Dr. Markus Nicolay, Simon Santschi, Bernhard Kaster und Rainer Breuer von der Gesellschaft für Bildende Kunst Trier (v.l.n.r.). Foto: Alexander Scheidweiler

Kulturdezernent Markus Nöhl betonte die identitätsbildende Rolle von St. Gangolf und namentlich der Lumpenglocke, deren Klang in der ersten Radiosendung aus Trier im Jahre 1930 zu hören war. So sehr stehe der Sound der Glocke für die Stadt, dass man gleich wisse: „Das ist Trier, hier spricht Trier.“ Zu dieser Identität gehöre der „Geist der Bürgerkirche“, sagte Nöhl, die den „Hang zur Selbstverwaltung“ verkörpere, wenngleich die mittelalterliche Bürgergesellschaft sehr viel geschlossener war und mit derjenigen der modernen Demokratie in vielem nicht nicht vergleichbar sei. Der Wille, selbst Verantwortung zu übernehmen und das Leben unabhängig zu gestalten, sei aber ein verbindendes Element. Hierin, im „Wunsch, sich selbst zu bestimmen, sich selbst auszudrücken“, liege auch eine Gemeinsamkeit mit den Künstlern bzw. dem Prinzip der Freiheit der Kunst, erläuterte der Kulturdezernent.

Im Mittelalter waren Künstlerinnen und Künstler i.d.R. Auftragnehmer, dementsprechend auch an Vorgaben gebunden. Erst in der Renaissance bildete sich die Idee der künstlerischen Freiheit heraus, wofür Künstlerpersönlichkeiten wie Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer stehen. Mit der Bohème des 19. Jahrhunderts , die man aus der Verdi-Oper kenne, trete das Moment der finanziellen Freiheit hinzu, das die Künstlergesellschaft bis heute mit präge, so Nöhl – ein wichtiger Aspekt, zweifelsohne, auch wenn die Oper von Puccini stammt. Durch Wohlstand und Demokratie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde dann die Grundlage gelegt, auf der künstlerisches Schaffen in den 60er und 70er Jahren zum Massenphänomen werden konnte. Konsequenterweise wurde die Freiheit der Kunst, „die Triebfeder des künstlerischen Arbeitens“, in der Verfassung geschützt. Die über 90 Werke von fast 50 Künstlerinnen und Künstlern dokumentierten mit ihrer immensen Bandbreite, „wie inspirierend dieser Bau auf die Künstlerinnen und Künstler weiterhin wirkt“.

Foto: Alexander Scheidweiler

Akademiedirektor Simon Santschi und Rainer Breuer von der Gesellschaft für Bildende Kunst hoben exemplarisch vier Künstlerinnen hervor. Zunächst lenkte Breuer den Blick auf die Installation „Memento vivere“ der vor 20 Jahren aus Belarus nach Deutschland gekommenen Künstlerin Inessa Babkovich. Die schwerelos wirkende, luftig-durchsichtige Vogelplastik schwebt über dem Eingangsbereich der Kirche. Sie fußt auf einer ukrainischen Legende, die in den Zeiten des russischen Angriffskrieges neue Aktualität gewonnen hat und die davon berichtet, dass die Vögel den Himmel über der Ukraine schützen. Zum zweiten wies Santschi auf die beiden Ölgemälde „Ich sehe dich“ und „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ hin von Silke Aurora hin, die „eine erzählerische Seite“ offenbarten. Zwar sei Sankt Gangolf nicht unmittelbar Thema, doch seien die Werke zutiefst „von der christlichen Tradition“ geprägt. An dritter Stelle würdigte Breuer Alexandra Prischedkos Zeichnungen „Gestalt“, „Das Tor“ und „Hinter der Fassade“. Der Hauptmarkt zählt zu den Lieblingsmotiven der aus der Ukraine stammende Künstlerin, so auch auf den in St. Gangolf gezeigten Werken. Abschließend sagte Santschi über die Fotographien „Licht I-III“ von Ute Jahns-Lüttmann, diese stellten die verschiedenen Arten des Lichts vom profanen Licht, wie etwa in der Straßenbeleuchtung, über das natürliche Licht bis zum sakralen Licht dar. So entstehe ein Weg vom Kosmos über den Alltag bis zur Kirche. Eines der Bilder wurde sogar in St. Gangolf aufgenommen.

Foto: Alexander Scheidweiler

Bevor die Besucher die Möglichkeit hatten, die bemerkenswerte Ausstellung selbst zu entdecken und bei einem Glas Sekt mit den Künstlerinnen und Künstlern in ungezwungener Atmosphäre ins Gespräch zu kommen, wies Kaster abschließend noch auf das Konzert hin, welches der Musikverein Pfalzel und das Vokalensemble Schweich am 30.12. in St. Gangolf geben werden.

Die Ausstellung „Inspiration. Kunst in der Bürgerkirche St. Gangolf“ ist bis zum 11.12., jeweils Freitag bis Sonntag, von 11.00-17.00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Die Ausstellung ist zugleich eine Verkaufsausstellung, die gezeigten Werke können erworben werden.

Weitere Informationen sowie das Spendenkonto zur Unterstützung der Renovierung finden sich hier: https://www.liebfrauen-trier.de/marktkirche.htm.

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