
TRIER. Nicht weniger als 50 Neuproduktionen wird es in der Spielzeit 2022/23 am Theater Trier in den Sparten Oper, Konzert, Tanz und Schauspiel geben. Heute stellte die Theaterleitung das Programm für die nächste Saison vor – und Intendant Manfred Langner kündigte eine Einladung an die Adresse von Bischof Stephan Ackermann an.
Von Alexander Scheidweiler
Ein Puzzle sei es, so Intendant Manfred Langner bei der Vorstellung des Programms des Theaters Trier für die kommende Spielzeit in der Europäischen Kunstakademie – eines, das Spaß mache, aber auch sehr viel Sorgfalt erfordere. Über 50 verschiedene Neuproduktionen präsentiert das Theater in der Saison 2022/23, dazu einige Wiederaufnahmen – ein beeindruckendes Pensum.
Bereits zuvor hatte Markus Nöhl, Kulturdezernent der Stadt Trier, wohl vielen der Theaterfreunden aus dem Herz gesprochen, als er mit Blick auf das umfangreiche Programm des Hauses feststellte: „Man freut sich ja schon ab Januar und fragt sich: Was kommt im nächsten Jahr?“ Nöhl betonte zudem die Bedeutung der kulturellen Bildung, um Schwellenängste gegenüber der Kultur abzubauen, und verwies in diesem Zusammenhang auf die im hinteren Teil des Jahresprogramms aufgeführten, zahlreichen Workshops und mobilen Produktionen für Schulen und Kitas. Auch sollte nicht vergessen werden, so der Kulturdezernent, dass die Benutzung der ÖPNV-Angebote des VRT im Ticketpreis stets inkludiert sei, so dass man mit einem Theaterkarte von zu Hause zum Theater und zurück kostenlos den öffentlichen Nahverkehr nutzen könne. Im Grunde bis nach Prüm – auch wenn das bei einer Veranstaltung, die bis 23.00 Uhr gehe, u.U. schwierig werden könne, räumte Nöhl ein.

Langner, der erklärte, nach zwei Pandemie-Jahren nun auf eine coronafreie Spielzeit zu hoffen, griff diesen Punkt auf und meinte, es gebe ja auch Vorstellungen montags um 16.00 Uhr: „Also, da gibt’s keine Entschuldigung, nicht ins Theater zu kommen“, so der Intendant augenzwinkernd.
Operndirektor Jean-Claude Berutti hatte sechs Neuproduktionen zu präsentieren, beginnend mit Strawinskys „modernem Meisterwerk à l’américaine“, „The Rake’s Progress“, dessen Premiere eigentlich schon für diese Spielzeit geplant war, allein Corona verhinderte den Termin im März. Nun wird der Dreiakter auf Basis eines Librettos von W.H. Auden ab dem 10.9.2022 in Trier zu sehen sein. Es folgt Puccinis „Tosca“ am 26.11., Berutti wird sie selbst Inszenieren. „Sehr klassisch“ werde die Inszenierung, so der Operndirektor, eine bilderreiche Reise durch Rom, „bilderreicher als die drei Akte bei Puccini“. Mit „Hilfe, Hilfe, Globolinks“ startet am 21.1. nächsten Jahres „eine der ersten Familienopern, die in Deutschland aufgeführt wurden“, so Berutti. Eine Science-Fiction-Oper ab acht Jahren, die man bewusst immer um 18.00 bis 18.30 Uhr aufführen werde, so dass, bei einer Spielzeit von knapp anderthalb Stunden, auch wirklich die ganze Familie teilnehmen könne. Am 1.4. debütiert dann Benjamin Brittens „Peter Grimes“ in Trier. Uraufgeführt im Jahre 1945, markiert die im 19. Jahrhundert spielende Geschichte des Fischers Peter Grimes, der in Verdacht gerät, seinen Lehrling ermordet zu haben, einen Neubeginn des Opernschaffens in Großbritannien – zweieinhalb Jahrhunderte nach Purcell hatte England wieder eine Oper von internationalem Rang. Am 27.5. steht dann „Pélleas et Mélisande“ auf dem Programm, Debussys einzige Oper. Es sei „ein großes Meisterwerk des französischen Repertoires“, so Berutti, das nur leider selten aufgeführt werde. Auch hier wird der Operndirektor selbst inszenieren. Als mobile Produktion ist die Jugendoper „Nichts – Was im Leben wichtig ist“ nach dem Jugendbuch von Janne Teller für Jugendliche ab 14 geplant.

Generalmusikdirektor Jochem Hochstenbach erklärte, nach den vielen coronabedingten Verschiebungen bzw. ausgefallenen Veranstaltungen merke er förmlich bei den gegenwärtigen Proben für den „Rosenkavalier“, der am 14.5. in einer Koproduktion mit der Opéra Grand Avignon seine Premiere feiern wird, „wie das Orchester unglaublich will, wie sehr es endlich wieder große Werke spielen will“ – wozu es bei im Ganzen acht Sinfoniekonzerten auch die Gelegenheit haben wird. So wird es beim ersten Konzert am 29.9. – „Facetter – Nordische Facetten“ – nach Skandinavien gehen, wobei Hochstenbach besonders das an diesem Abend u.a. auf dem Programm stehende Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 in d-moll von Willem Stenhammar hervorhob. Der 1927 verstorbene schwedische Komponist werde viel zu selten gespielt, so der GMD. Eine interessante Kombination wird das fünfte Simphoniekonzert – Titel: „In C“ – am 2.3.2023 bringen, bei dem Stawinskys neoklassizistische „Symphony in C“ aus dem Jahre 1940 und, unter Mitwirkung des Opernchors, Mozarts große c-moll Messe KV 427 gespielt bzw. gesungen werden. Das darauffolgende sechste Simphoniekonzert unter dem Titel „Shakespeare in Music“ wird Werke von Beethoven bis Egon Wellesz bringen, die von Englands großem Bühnenautor inspiriert sind. Werke aus den Konzerten Nummer 5 und 6 werden auch in der Concert Lounge-Reihe aufgegriffen werden, in der Hochstenbach und der 1. Kapellmeister Wouter Padberg dazu einladen, Meisterwerke in ungezwungener Atmosphäre kennenzulernen, und für die in der kommenden Spielzeit fünf Termine vorgesehen sind.
Ballettdirektor Roberto Scafati stellte vier große Neuproduktionen vor, beginnend mit „Wagners Traum“. Wagner sei „ein Revolutionär, ein Visionär“ gewesen, so der Ballettdirektor, über den es unglaublich viel zu sagen gebe: „Ich freue mich wirklich, das zu realisieren.“ Die Premiere und Uraufführung des Balletts, dessen Libretto von Scafati und Eva Wagner stammt, ist für den 22.10. terminiert. Es folgen zwei weitere Premieren und Uraufführungen: Zunächst der vierteilige Tanzabend „Die vier Elemente“ am 11.3., an dem neben Scafati drei weitere Choreographinnen und Choreographen mitwirken werden, um die kulturgeschichtlich so bedeutsame Vier-Elemente-Lehre tänzerisch zum Leben zu erwecken, sodann „The Door“ am 6.5. über Trennung und Verbindung zwischen Innen und Außen, eine Kooperation mit dem Internationalen Solo-Tanz-Theater Festival Stuttgart. Neu ist schließlich auch die mobile Produktion „Frieda und das Wut“ nach dem Kinderbuch von Mia Grau, bei dem Kinder ab vier Jahren den Umgang mit negativen Emotionen lernen können.
Die Präsentation des Schauspiel-Programms übernahm Langer selbst. Er hob hervor, dass das Theater „am Puls der Zeit“ sein müsse: „Das Schauspiel bietet immer die Gelegenheit, sehr aktuell zu sein. Da ist vieles in Arbeit und wird letztendlich speziell für Trier geschaffen.“ Natürlich müsse man die Klassiker pflegen, aber das Schauspiel müsse eben immer auch auf aktuelle, gesellschaftspolitische Fragen eingehen. Langner verwies in diesem Kontext auf das Stück „Fracking for Future“ von Alistair Beaton, das in Trier am 19.2. erstmalig aufgeführt wurde, mit dem man schon manches vorweggenommen habe, was jetzt vor dem Hintergrund aktueller Unsicherheiten im Bereich der Energieversorgung diskutiert werde.
Der aus Schottland stammende Beaton wird für die nächste Spielzeit gemeinsam mit seinem deutschen Schriftsteller-Kollegen Dietmar Jacobs ein satirisches Stück über die katholische Kirche verfassen. Es wird den Titel „Kardinalfehler“ tragen; Uraufführung und Premiere finden am 22.4. statt. Beaton, der mit Jacobs selbst vor Ort war, sagte: „Ein Stück über die katholische Kirche zu schreiben, ist eine große Herausforderung, denn wir wissen: Das ist ein heißes Eisen.“ Als im Protestantismus großgewordener Schotte bringe er die Außen-, der aus Mönchengladbach stammende Jacobs die Innenperspektive mit. Ziel sei es nicht, einen Skandal zu provozieren, aber er hoffe dennoch, dass Bischof Stephan Ackermann zur Premiere komme. „Wir werden ihn einladen“, meinte Langner. „Ich freue mich sehr darauf, ihn kennenzulernen“, erwiderte Beaton.

Ein weiteres aktuelles Thema werden die „Untergänge“ von Thomas Dannemann aufgreifen, die im Rahmen des Programms zur großen Landesausstellung „Der Untergang des Römischen Reiches“ am 28.9. ihre Uraufführung und Premiere erleben werden. Es werde ein collagenartiger Theaterabend werden, der vieles verbindet, so Langner, also sich nicht allein auf den Untergang des Römischen Reiches kaprizieren werde. „Mich interessiert, wie Zivilisationen, Hochkulturen untergehen“, sagte der Intendant. In diesem Rahmen könnten viele aktuelle Entwicklungen und Ereignisse thematisiert werden, vom Sturm auf das Kapitol durch aufgestachelte Trump-Anhänger bis zum Klimawandel sei vieles vorstellbar.
Das Stück „Furor“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz, Premiere am 1.2., kreist um Phänomene wie Wutbürgertum und Fake News. Es erzählt von einem Kommunalpolitiker im Wahlkampf, der einen Junkie anfährt, ohne am Unfall Schuld zu sein. Dennoch versucht er, die Sache zu verschleiern, gerät zu Unrecht in Verdacht und wird schließlich gar erpresst. Angesichts der massiven Anfeindungen gegen Kommunalpolitiker müsse man sich zusehends fragen, wer überhaupt noch bereit sei, sich zu engagieren, meinte Langner.
Das Jugendstück „Nichts, was uns passiert“ nach dem Roman von Bettina Wilpert, hat am 4.1. Premiere. Es greift die Thematik von sexuellem Missbrauch auf bzw. die Frage, wo die Grenzen von konsensueller Sexualität verlaufen. Ein schwieriges, aber wichtiges Thema, bei dem die unterschiedlichen Blickwinkel zum Tragen kommen.
Ferner bietet das Schauspiel in der kommenden Spielzeit moderne Klassiker von Bertolt Brecht, „Der gute Mensch von Sezuan“ (Premiere am 24.9.), Tennessee Williams, „Endstation Sehnsucht“ (11.2.), und Henrik Ibsen, „Nora“ (15.3.).
Schließlich „Die Comedian Harmonists“ als Schauspiel mit Musik (17.12.), das Weihnachtsmärchen „Peterchens Mondfahrt“ (8.11.), „Emil und die Detektive“ als Kinder-Musical ab sechs (Juni 2023) und die mobile Produktion „Lost and Found“ für Kinder von sechs bis zehn, bei der Kinder auf spannende Weise Englisch lernen können.
Weitere Informationen gibt es auf der Homepage des Theaters unter https://theater-trier.de.