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TRIER. Während die Renovierung der Markt- und Bürgerkirche St. Gangolf weitere Fortschritte macht, nehmen die Pläne für eine kulturelle Nutzung bis zur Wiederaufnahme des liturgischen Betriebs Gestalt an. Das Kuratorium und die Pfarrei Liebfrauen planen eine Vielzahl von Veranstaltungen, mit denen die Kirche Schritt für Schritt den Bürgern zurückgegeben werden soll.
Von Alexander Scheidweiler
„Es könnte fast eine Stadtvorstandssitzung werden,“ so Bernhard Kaster, Vorsitzender des ehrenamtlichen Kuratoriums St. Gangolf, das die gegenwärtigen, umfassenden Renovierungsarbeiten an der neben dem Dom bedeutendsten Kirche Triers tatkräftig unterstützt, am heutigen Nachmittag in dem schon teilrenovierten, aber noch immer weitgehend kahlen Kirchenraum. Denn gleich drei Dezernenten der Stadt Trier waren erschienen: Kulturdezernent Markus Nöhl, Ralf Britten, Dezernent für Bürgerdienste, Innenstadt und Recht, und Baudezernent Andreas Ludwig in seiner Funktion als Kuratoriumsmitglied.
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Wie Lokalo berichtete (s. hier und hier) und sowohl Kaster wie auch Pfarrer Dr. Markus Nicolay nochmals betonten, ist es der Wunsch des Kuratoriums und der Innenstadt-Pfarrei Liebfrauen, die seit 2020 in der Sanierung befindliche Markt- und Bürgerkirche noch in der Renovierungsphase bereits Schritt für Schritt an die Bürgerinnen und Bürger zurückzugeben. Hierfür sind bereits zahlreiche Ideen entwickelt worden, sodass es nicht verwundert, dass neben Nöhl und Britten Vertreter von Handel, Handwerk und Kultur erschienen waren, um sich ein Bild vom Stand der Arbeiten zu machen, und sich darüber auszutauschen, welche Nutzungsmöglichkeiten es gibt, bis die Kirche wieder ihrer eigentlichen, liturgischen Funktion zugeführt werden kann.
Dies, also die Wiederaufnahme des liturgischen Betriebs, ist, so Nicolay, für den Ostermontag 2023 in Aussicht genommen, an dem Bischof Dr. Stephan Ackermann die Konsekration des Altars vornehmen wird. Tatsächlich ist die Erneuerung der Altarinsel, ein wesentlicher Teil der Gesamtrenovierung, bereits sichtlich vorangeschritten, etwa mit der Aufstellung des großen Metallkreuzes, das das bisherige Schmerzensmann-Corpus künftig tragen wird. Bis Ostern 2023 sind zwei Phasen zu unterscheiden, wie Nicolay ausführte, diejenige, in der der Raum noch nicht mit den von einem regionalen Handwerker gefertigten Kirchenbänken ausgestattet ist, und diejenige, in der dies bereits der Fall ist. Diese Unterscheidung ist nicht trivial, denn zum einen hat die Ausstattung der Kirche mit Bänken natürlich Auswirkungen auf die möglichen Veranstaltungen, zum anderen kann die hochwertige Klais-Orgel von St. Gangolf nur intoniert werden, wenn die Bänke sich bereits in der Kirche befinden. Andernfalls verschöben sich die Klangwerte. Die Intonierung der Orgel ist also stets im Blick zu behalten. In der nächsten Fastenzeit soll das Instrument dann zur Verfügung stehen. Auch Orgelkonzerte sind angedacht.
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Langfristig, so Nicolay, beabsichtige er ohnedies, die Kirche, die durch die täglichen Messen um 12.00 Uhr und 18.00 Uhr, durch die auch von auswärtigen Besuchern genutzte Beichtgelegenheit sowie die tägliche eucharistische Anbetung viele sehr religiöse Menschen anziehe, auch für Veranstaltungen zu öffnen, die ein weniger religionsaffines Publikum ansprechen: „Wir sind nicht nur für die da, die schon überzeugte Christinnen und Christen sind, sondern für alle.“ Hierbei solle das Kuratorium auch nach Abschluss der Renovierung als Thinktank genutzt werden.
Doch noch ist die Renovierung nicht abgeschlossen, noch ist nicht Ostern 2023, ja noch nicht einmal Ostern 2022. In der Zwischenzeit ist, bei Voranschreiten der Renovierung, noch vieles möglich, in dieser besonderen Kirche, die seit ihren Ursprüngen im 10. Jahrhundert in Kontext der Errichtung des Marktkreuzes als Kirche der Zünfte und Handwerker so eng mit dem Bürgertum der Stadt verbunden war und bis heute geblieben ist, wie man schon an der breiten Verwurzelung des Kuratoriums in der Bürgerschaft erkennen kann. Ein wichtiger Punkt, den auch Kulturdezernent Nöhl in seinen Ausführungen unterstrich: „Es ist eine Kirche, die immer das soziale Engagement der Bürger auf sich gezogen hat.“ An die Mitglieder des Kuratoriums gerichtet sagte er: „Sie stehen im besten Sinne in einer Traditionslinie.“ St. Gangolf sei, so Nöhl, inmitten der Geschäftigkeit der Trierer Innenstadt „ein Raum, den man anläuft, um Ruhe zu finden“, mithin „Ort der Stille, Ort der Andacht“. Zugleich repräsentiere St. Gangolf durch die zahlreichen, dort befindlichen Kunstwerke „eine Linie der Trierer Vergangenheit von der Römerzeit bis in die Moderne“.
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Der für die Innenstadt zuständige Dezernent Britten betonte, „welches Potenzial hier im Entstehen ist“: „Mein Herz schlägt dafür, was wir hier alles veranstalten können.“ Britten betrachtete dabei die Kirche im Kontext ihres urbanes Gesamtumfeldes und betonte die Bedeutung von Kultur als Standortfaktor: „Wenn wir von Kultur sprechen, sprechen wir auch von Handel und Wirtschaft“, so der Dezernent. Daher gilt: „Alles, was wir in unserer Innenstadt zeigen können, sind Goldnuggets.“ Die Innenstadt sei „ein Gesamtmosaik“, in dem St. Gangolf ein wichtiger Stein sei.
Und dass schon einiges in der Planung ist, um die Kirche Schritt für Schritt an die Bürger zurückzugeben, wurde im Weiteren deutlich. So wird St. Gangolf in das Programm „Trier für Treverer“ eingebunden, wie Norbert Käthler, Geschäftsführer der Trier Tourismus und Marketing GmbH sagte. Immer wieder werde an die TTM der Wunsch herangetragen, auch Baustellen besichtigen zu können. Daher strebe die TTM an, St. Gangolf auch in der Bauphase den Triererinnen und Trierern durch Führungen nahezubringen.
Tobias Scharfenberger, Intendant des Mosel Musikfestivals, sagte, das Festival sei „immer auf der Suche nach neuen Spielstätten“. Man freue sich, den Raum nutzen zu können: So hat das Karlsruher Gambenensemble Les Escapades unter dem Motto „Träume & Visionen“ ein spezielles Programm für seinen Auftritt in St. Gangolf am 22.7. zusammengestellt. Schon für den Vortag, den 21.7., hat das Festival ein experimentelles Format geplant: „Kopfhören. Zeitreise im Herzen der Stadt“, bei dem „die Besucherinnen und Besucher mit einer Musik- und Textcollage über Kopfhörer in ihr ganz individuell wahrgenommenes, begehbares Hörspiel“ eintauchen können, wie es auf der Homepage des Festivals heißt.
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Noch „in der Skizzierung“, wie Kaster sagte, ist die Zusammenarbeit mit der Europäischen Kunstakademie Trier. Deren Direktor, Simon Santschi, sah gerade in der Phase, in der der Kirchenraum noch nicht voll eingerichtet ist, großes „Potenzial, etwas Zeitgenössisches zu zeigen“: „In dieser Phase kann etwas ganz Tolles entstehen“, so der Akademie-Direktor. Die Akademie wolle die Planungen unter den Begriff der Inspiration stellen – mit diesem könnten viele Künstler etwas anfangen, er biete Raum zur Interpretation und habe einen Anklang an den lateinischen „spiritus“, also Geist, und stelle somit den Bezug zum Kirchenraum her.
Laut Kaster sollen dafür die Monate November und Dezember angepeilt werden. Auch das Problem der Stellwände sei gelöst. Man könne ja nicht einfach Nägel in die historischen Wände schlagen, um daran zeitgenössische Kunst zu präsentieren. Kreishandwerksmeister Gerd Benzmüller, selbst Mitglied des Kuratoriums, habe bereits zugesagt, für geeignete Stellwände zu sorgen. Und auch für eine Gesellenfeier könnte St. Gangolf einen schönen Rahmen abgeben, so Benzmüller.
Kaster danke Karl-Heinz Scheurer von der Trier-Gesellschaft für eine Spende von satten 10.000 Euro zugunsten der Handwerker-Fenster des Künstlers Charles Crodel, die, wie Benzmüller erklärte, Schuster, Goldschmiede, Zimmerleute, Metzger und Bäcker darstellen, womit leider die Elektriker fehlen, so Elektriker Benzmüller. Aber es gibt ja noch Fenster in St. Ganolf, die frei sind und den Elektrikern gewidmet werden könnten. „Ein neues Patronat wird ausgerufen! Das ist ein historischer Moment!“, kommentierte Kaster. Nicolay jedoch meinte, dieses Patronat gebe es sicher schon. Was im Übrigen stimmt: Die heilige Barbara – meist eher als Patronin der Bergleute bekannt, und, wie man aus Don Camillo-Filmen weiß, der Artilleristen – ist die Patronin der Elektriker. Was im Grunde sehr gut passt, da sie in der Ikonographie zumeist mit jenem markanten Turm dargestellt wird, in den ihr heidnischer Vater die antike Märtyrerin der Legende nach eingeschlossen haben soll, in dem erfolglosen Versuch, sie von der Konversion zum Christentum abzuhalten. Und dies passt ja geradezu hervorragend zu St. Gangolf mit seinem markanten Turm. Ob die Kirche aber tatsächlich ein Barbara-/Elektriker-Fenster erhalten wird, bleibt abzuwarten.
Wer die Sanierung von St. Gangolf einstweilen unterstützen will, findet auf der Seite der Pfarrei Liebfrauen weitere Informationen: https://www.liebfrauen-trier.de/marktkirche.htm.