KIEW. Nachdem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am späten gestrigen Abend die Bevölkerung in dramatischen Worten gewarnt hatte, Russland werde in der Nacht zum Sturm auf Kiew ansetzen, hat es in der zurückliegenden Nacht tatsächlich heftige Kämpfe in und um die ukrainische Hauptstadt gegeben. Die Lage bleibt allerdings unübersichtlich; viele Informationen sind nicht verifizierbar.
Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, rückten die russischen Truppen von Nordwesten und Nordosten auf Kiew vor. Laut dem Nachrichtensender n-tv gab es am Stadtrand von Kiew Schüsse und Kämpfe. Russische Truppen griffen ein Heizkraftwerk am rechten Ufer des Dnjepr im äußersten Nordosten der Hauptstadt an. Es gab weitere Berichte über Schüsse und Explosionen am rechten Dnjepr-Ufer. Der ukrainische Journalist Illia Ponomarenko berichtete von „extrem schweren Kämpfen“ in der Nähe des Kiewer Zoos. Die ukrainische Armee erklärte, einen russischen Angriff auf eine ihrer Stellungen auf der Siegesstraße, einer Hauptverkehrsader von Kiew, abgewehrt zu haben.
Russische Fallschirmjäger versuchten nach FAZ-Angaben, einen Luftwaffenstützpunkt in der 37.000-Einwohner-Stadt Wassylkiw, ca. 30 Kilometer südlich von Kiew, einzunehmen. Sie sollen auf heftigen Widerstand gestoßen sein. Auch der Nachrichtensender CNN berichtet von massiven Kämpfen in Wassylkiw. Unter Berufung auf die Bürgermeisterin berichtet CNN, es habe rund 200 Tote gegeben. Ferner waren nach CNN-Angaben um ca. 4.45 Uhr Schüsse in der Nähe des Stadtzentrums von Kiew zu hören. Eine Reuters-Reporterin hatte zuvor gemeldet, vom Stadtzentrum aus sei Artilleriefeuer zu hören.
Von russischer Seite wurde gemeldet, dass Truppen in Asow am Asowschen Meer gelandet und die Kleinstadt Melitopol ohne Widerstand eingenommen hätten. Der staatlichen ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform zufolge sind kleine Gruppen russischer Soldaten in die Stadt eingedrungen und versuchen, wichtige Infrastruktur zu besetzen. Der in Polen ansässige Nachrichtenkanal Nexta meldet, dass die ukrainische Luftabwehr in der Millionenstadt Odessa am schwarzen Meer zu Feuern begonnen habe.
Unterdessen ist der Versuch, den russischen Angriff auf die Ukraine im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu verurteilen am Veto Russlands gescheitert. China enthielt sich. Nach den USA, der EU, dem Vereinigten Königreich und Kanada kündigte auch Australien in der Nacht Sanktionen gegen Russland an. Die Ukraine bat derweil den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Finanzhilfen.