Stadtarchiv Trier zeigt kostbares Glückwunschschreiben für Reichskanzler Bismarck

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Foto: Presseamt der Stadt Trier

TRIER. Mit Beginn des Jahres 2022 präsentieren die Wissenschaftliche Bibliothek und das Trierer Stadtarchiv künftig monatlich ein interessantes Buch, ein Archivale oder ein Objekt und möchten auf diese Weise die vielfältigen Bestände im Haus an der Weberbach vorstellen, wie die Stadt Trier mitteilt.

Das Überbringen von Glückwünschen zu einem Ereignis ist ein besonderes Zeichen der Verbundenheit und der Wertschätzung für eine Person. In der heutigen Zeit, in der Glückwünsche in Schriftform oftmals nur noch als flüchtige SMS oder Whatsapp-Nachricht verschickt werden, scheint eine so genannte Glückwunschadresse, wie sie vom 16. bis ins beginnende 20. Jahrhundert üblich war, eine übersteigerte Form der Gratulation zu sein. Doch wurde sie von den damaligen Zeitgenossen als angemessen empfunden und fand weite Verbreitung.

Das Stadtarchiv Trier verwahrt ein besonders interessantes Exemplar einer Glückwunschadresse, das 1885 zum 70. Geburtstag von Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck angefertigt wurde. Das aufwändig gestaltete Schmuckblatt zeigt im Zentrum die eigentliche Widmung an den Empfänger und darunter ein Zitat aus dem Schauspiel „Torquato Tasso“ von Johann Wolfgang von Goethe, in dem die selbstlosen Verdienste des Dichterhelden auf Bismarck übertragen werden. Widmung und Text sind von einem Rahmen aus Rollwerk und seitlichen Ornamentfüllungen eingefasst, die stilistisch auf den Dekor des 16. Jahrhunderts zurückgehen, der im späten 19. Jahrhundert sehr beliebt war.

Das Medaillion im oberen Rahmenbogen mit dem Porträt des Reichskanzlers wird vom preußischen Adler bekrönt und von zwei speerwerfenden Jünglingsfiguren flankiert, die aus Rankenwerk erwachsen, Auf deren Schilden sind die Worte „Liebe des Volkes“ und „Stolz des Volkes“ zu lesen. Auch die weiblichen Assistenzfiguren in den seitlichen Füllungen dienen der Programmatik des Blattes. Die links stehende bläst eine Fanfare in Richtung von Bismarck und trägt Lorbeerkränze als Symbol von Sieg, Ruhm und Ehre. Die rechts sitzende, geflügelte Figur im antiken Gewand dürfte ebenfalls als eine Personifikation des Sieges in der Darstellung der Göttin Victoria aus der römischen Mythologie zu interpretieren sein. Indem sie den Namen Bismarck auf eine Schriftrolle verewigt, verweist sie auf den Sieg Deutschlands über die Franzosen und die sich daran anschließende Gründung des deutschen Kaiserreichs 1870/71, welche maßgeblich auf Bismarcks Politik zurückgeht. Dieser Deutung entsprechen auch die über den Figuren angebrachten Inschrifttafeln „Ruhm“ und „Geschichte“.

Am meisten verblüfft jedoch die im unteren Bereich des Blattes angebrachte Autorschaft. Man mag kaum glauben, dass der „technische Eisenbahn Secretair zu Trier“ Wilhelm Thyssen aus der Saarstraße – noch dazu katholischer Konfession – als Entwerfer und Zeichner für eine solch dichte Programmatik und künstlerisch ansprechende Ausführung verantwortlich zeichnet. Im unteren Bogenfeld ist das Verwaltungsgebäude des Königlichen Eisenbahnbetriebsamts in Trier mit Dampflok im Hintergrund zu sehen. Die Inschriften in den Bogenzwickeln und die eingerückten Wappen des Königreichs Preußen und der Stadt Trier links und rechts darüber sind als dezidiertes Bekenntnis einer Zugehörigkeit zur preußischen Rheinprovinz anzusehen, der man einen industriellen Aufschwung und Wohlstand nach dem Anschluss an das Eisenbahnnetz 1856 und besonders nach der Reichsgründung zu verdanken hatte. Die damit verbundenen Vorteile lassen offenbar die Konflikte des erst 1878 überwundenen Kulturkampfes, in dem gerade das katholische Trier als Hochburg des päpstlichen Katholizismus Federn lassen musste, in den Hintergrund treten.

Die aquarellierte Federzeichnung als Einzelblatt und nicht als Druck vervielfältigt, war nur für ihren Empfänger bestimmt. Bismarck erhielt als Reichskanzler und erst recht nach seiner Entlassung 1890 täglich beutelweise solche Verehrungsbekundungen, was nach seinem Tod 1898 in einem regelrechten Bismarck-Kult gipfelte. Über den Auktionshandel fand dieses aussagekräftige Stück 2014 wieder zurück in seine Trierer Heimat. Über die zahlreichen historischen Inhalte hinaus ruft es dazu auf, vielleicht auch einmal wieder zu Papier und Stift zu greifen, um einer nahestehenden Person einen handgeschriebenen Glückwunsch zu schicken, der auf diese Weise der Nachwelt erhalten bleibt.

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