Gerichtsurteil „Leseweisung“: Bücher sollen straffälligen Jugendlichen helfen

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Foto: Uwe Anspach/dpa/Symbolbild

GERMERSHEIM. Bei Jugendstrafverfahren hat die Justiz im Kreis Germersheim künftig eine Möglichkeit mehr – die sogenannte Leseweisung. Straffällig gewordene Jugendliche erhalten dann als mögliche Weisung, ein Buch zu lesen, dessen Inhalt mit ihrer Straftat zusammenhängt. Den Inhalt müsse der- oder diejenige dann zusammenfassen und Fragen dazu beantworten, sagte Johanna Krämer, Jugendhelferin im Strafverfahren bei der Kreisverwaltung Germersheim. «Das ermöglicht ihnen, sich mit ihrer Tat auseinanderzusetzen.»

In Jugendstrafverfahren sind bisher etwa Arbeitsstunden, Teilnahme an sozialen Trainingskursen oder eine Suchtberatung möglich. Bei den Büchern handelt es sich um altersgerechte Werke, in denen es zum Beispiel um Gewalt, Raub oder Drogen geht – etwa der Jugendroman «Keine halben Sachen» oder das Theaterstück «Im Strudel der Gewalt». Bei dieser Erweiterung des Maßnahmenkatalogs gehe es auch um neue Akzente im Jugendstrafrecht, teilte die Kreisverwaltung mit.

Jugendhelferinnen und -helfer im Strafverfahren der Kreisverwaltung achten darauf, dass Jugendliche die Leseweisung umsetzen. Dabei helfen ein Merkblatt sowie Fragen zum jeweiligen Buch mit Abgabefrist – und sie prüfen, ob die Antworten selbst erdacht und nicht etwa aus dem Internet abgeschrieben sind. Die Beurteilung geht dann an das Gericht oder die Staatsanwaltschaft, die über alles Weitere entscheiden.

In der Jugendhilfe im Strafverfahren gebe es etwa 1.000 Fälle im Jahr, sagte die Leiterin des Jugendamtes Germersheim, Denise Hartmann-Mohr. «Rund die Hälfte mündet in ein Verfahren. Es gibt ein bis zwei Prozent Hilfeverweigerer.» Andere Jugendämter arbeiteten bereits erfolgreich mit dem Konzept. «Es geht um Hilfe statt Strafe.»

Rechtsexperten wie die Anwältin Jenny Lederer sprechen bei geeigneten Fällen von einer guten Möglichkeit, pädagogisch einzuwirken. «Ich halte die Weisung grundsätzlich für eine sinnvolle Erweiterung und einen sehr interessanten Weg», sagte die Fachanwältin für Strafrecht und Mitglied des Strafrechtsausschusses im Deutschen Anwaltverein (DAV). «Falls man geeignete Bücher hat, die mit der Tat thematisch zusammenhängen, ist da eine gute Chance, die eigene Tat zu reflektieren.» Bei Jugendlichen gehe man bewusst andere Wege als bei Erwachsenen. «Jugendstrafrecht ist geprägt vom Erziehungsgedanken.» (dpa)

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