Über alle Hindernisse hinweg: Faszination Parkour in Trier

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Parkour ist ein sportlicher Hindernislauf innerhalb einer Stadt, bei dem die Läufer auf dem schnellsten Weg zum Ziel gelangen wollen. Auf diesem Weg springen, klettern und nutzen sie alle Hindernisse. Dahinter steckt nicht nur eine interessante Sportart, sondern auch eine besondere Lebensphilosophie.

Für die Parkourläufer ist es mehr als nur Sport, es ist die Kunst der Fortbewegung, da sie Hindernisse nicht als Barrieren sondern als Möglichkeiten sehen und nutzen. Zurückzuführen ist der Parkourlauf auf eine Fortbewegungsart, die von den Soldaten im Indochinakrieg eingesetzt worden ist. Diese mussten sich oft durch eine unwegsame Landschaft durchkämpfen.

Raymond Belle, einer der Vietnamsoldaten, übernahm diese Fortbewegungstechniken und brachte sie nach der Rückkehr nach Frankreich seinem Sohn David bei. David nutzte diese beim Spielen, indem er und seine Freunde über kleinere Sträucher, Bäche oder Papierkörbe sprangen. In den 90ern übertrug er die gelernten Techniken auf größere Hindernisse wie Mauern, Zäune und Gerüste innerhalb der Stadt. So entstand “le Parkour“ und entwickelte sich weltweit zu einer Bewegung und Sportart.

Tom begründete die Parkour-Szene in Trier.
Tom begründete die Parkour-Szene in Trier.

Im Gespräch mit lokalo.de erklären Tom Lichtmes und Vanessa Herschler, beide Mitglieder des Parkour Trier e.V., ein von Tom ins Leben gerufener Verein, was sie an Parkour fasziniert.

Tom, wie und wo bist Du zum ersten Mal mit diesem Sport in Berührung gekommen?

Tom Ich habe im Internet Videos davon gesehen, zu der Zeit ist es auch in allen möglichen Filmen und Musikvideos mal aufgeblitzt und ich dachte, warum nicht mal ausprobieren? Ich kam eigentlich aus einer Phase, wo ich längere Zeit keinen Sport getrieben habe – vorher habe ich Kampfsport gemacht. Ich war immer schon an sehr bewegungsintensiven Sportarten für den ganzen Körper interessiert und habe eigentlich erst über Parkour festgestellt, dass der Kampfsport so gar nicht mein Thema ist. Ich habe gemerkt, dass diese Kunst des Weglaufens, die Kunst von A nach B zu kommen und Hindernisse als Sprungbretter einzusetzen, genau das war, was ich mir immer unter Sport vorgestellt habe.

Also ist Parkour deine Leidenschaft.

Tom Genau. Ich war zirka ein Jahr lang alleine in Trier unterwegs bis mir dann irgendwann jemand an der Basilika entgegengelaufen kam, das war Florian. Er ist mittlerweile ein guter Freund, unser Schriftführer und der zweite Vorsitzende im Verein.

Tom liegt vor allem eines am Herzen: dass alle Mitglieder Spaß an Parkour haben und abgesichert sind.
Tom liegt vor allem eines am Herzen: dass alle Mitglieder Spaß an Parkour haben und abgesichert sind.

Tom und Florian beschlossen zusammen zu trainieren. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Interessierte dazu, auch Kinder. Tom wurde schnell klar, dass die Gruppe eine Versicherung braucht. Der Jugendtreff vom Weidengraben sowie Mitglieder der Vereinsgemeinde Ruwer halfen dem jungen Verein auf die Beine zu kommen.

Der Verein zählt mittlerweile 30 Mitglieder, wovon 15 regelmäßig trainieren. Für Erwachsene kostet die Mitgliedschaft 4 Euro im Monat. Kein hoher Beitrag – Tom ist es wichtig, dass alle gut abgesichert sind und kein finanzieller Gewinn erzielt wird.

„Parkour ist mehr als nur Sport, es ist eine Lebenseinstellung“, sagt Vanessa.
„Parkour ist mehr als nur Sport, es ist eine Lebenseinstellung“, sagt Vanessa.

Vanessa, wie lange machst Du schon Parkour?

Vanessa Noch nicht so lange, seit März 2014. In einer schweren Lebensphase kam es mir genau richtig. Ich habe früher viel gefeiert und viel Alkohol getrunken. Dank des Parkour habe ich gelernt mehr auf meinen Körper zu achten, ihn nicht mehr zu zerstören. Ich habe viel an meinem Leben verändert, unter anderem den Alkohol weggelassen. Durch die Geschichte habe ich auch Tom kennengelernt und zwar beim Joggen, was auch schon cool war, jemanden nicht betrunken beim Feiern kennenzulernen, sondern bei den schönen Dingen, sportlichen Aktivitäten. Er hatte mir dann erzählt, was er so macht und mich zum Parkour-Training eingeladen.

Frederick und Jonas gehören zu den jüngsten Parkourläufern und zeigen, dass Parkour in jedem Alter Spaß macht.
Frederick und Jonas gehören zu den jüngsten Parkourläufern und zeigen, dass Parkour in jedem Alter Spaß macht.

Ist Parkour etwas für jedermann oder muss man dafür besondere Voraussetzungen mitbringen?

Tom Diese Frage bringt mich immer auf die Biologie zurück. Jeder Primat kann das von Kindesbeinen an, aber wir trainieren es uns ab. Bei Kids ist da am meisten rauszuholen, weil die Reflexe noch vorhanden sind. Kinder haben noch nicht abgebaut, was ihnen der Körper zu der Bewegung und zu Gefahrenmomenten sagt. Die sind einfach viel flexibler, insgesamt sogar auch fitter und wenn sie hinfallen, verletzen sie sich auch weniger. Der Mensch wird mit der Zeit zunehmend steifer.

Vanessa Was mich bei meinem ersten Training total weggeflasht hat, war die ganze Mentalität in der Gruppe. Ich wurde sofort aufgenommen, teilweise schon mit Umarmungen begrüßt, obwohl ich die Leute noch gar nicht kannte. Alle waren super nett, haben sich für einen interessiert, dir geholfen und dir Sachen gezeigt. Es war halt nicht so „Oh, da kommt jemand Neues in die Gruppe“ und du musst dich erstmal beweisen, was kannst du überhaupt schon und passt du hier rein oder nicht. Ich konnte damals in der Hinsicht gar nichts – habe ich zumindest gedacht. Dann haben es mir die anderen erklärt und ich habe es ausprobiert. Du merkst schnell, welche Ressourcen dein Körper hat, die du aber im Laufe deines Lebens aufs Abstellgleis stellst, da du dich auf andere Sachen konzentrierst und dein Potenzial gar nicht ausschöpfst.

Abhängen mal anders – Parkour bietet unzählige Möglichkeiten.
Abhängen mal anders – Parkour bietet unzählige Möglichkeiten.

Ist Parkour für weibliche Mitglieder schwieriger auszuüben? 

Tom Würde ich nicht sagen. Es ist sehr interessant, da Frauen eine andere Variante mit reinbringen, da sie anatomisch anders arbeiten, bedingt durch den veränderten Körperschwerpunkt. Dadurch können beide Geschlechter voneinander lernen.

Wie sieht denn ein typischer Trainingstag bei euch aus?

Tom Wir treffen uns meistens sonntags um 15 Uhr zum offiziellen Training. Dann ist Aufwärmen angesagt und anschließend dann freies Training. Großes Thema ist auch learning by teaching, das heißt wenn man jemandem etwas beibringen kann, dann sieht man auch an sich selbst, was man vielleicht noch verbessern könnte und das ist ein sehr positiver Synergie-Effekt. Jeder unterstützt jeden.

Mit perfekter Körperspannung kriegen Maximilian und Dennis spektakuläre Figuren hin.
Mit perfekter Körperspannung kreieren Maximilian und Dennis spektakuläre Figuren.

Viele Sprünge und Figuren sehen sehr spektakulär und gefährlich aus, kommt es da beim Training zu Verletzungen?

Tom Bis jetzt hatten wir extrem wenige Unfälle, höchstens kleinere Verletzungen. Parkour ist von der Philosophie her weniger auf einen Wettbewerb ausgerichtet als andere Sportarten. Man tritt nicht unbedingt miteinander in Konkurrenz und versucht den anderen zu übertrumpfen, sondern macht immer das, was den eigenen Fähigkeiten entspricht. Man lernt auch ein Gefühl dafür zu entwickeln, wozu man bereit ist und wozu nicht und praktisch auch auf den Angstreflex zu hören und ihn konstruktiv einzusetzen.

Wie reagieren denn die Leute auf euch?

Vanessa Es bleiben echt viele Leute stehen. Gerade die Basilika ist ein Durchlaufort für Touristen und da bleiben oft Grüppchen stehen und dann staunen sie, machen Videos oder Fotos. Auch kleine Kinder sind immer sehr fasziniert und zeigen „Oh, guck mal da!“

Wenn Tom in der Gegend ist, kann Spiderman einpacken.
Wenn Tom in der Gegend ist, kann Spiderman einpacken.

Wenn man euch so sieht, erinnert ihr ja auch an Superhelden. Spiderman zum Beispiel.

Tom Man sieht es eben auch immer mehr in Filmen, es setzt sich öffentlich immer weiter durch. Man muss allerdings unterscheiden zwischen Parkour und Free Running. Free Running ist eher darauf ausgerichtet, dass es spektakulär ist und die einzelnen Tricks stehen im Vordergrund. Beides wird immer populärer. Ich denke, es ist eine positive Entwicklung, da es zeigt, wozu der menschliche Körper in der Lage ist. Viele stehen daneben, staunen und denken, wieso könnt ihr das? Meine Antwort darauf ist: „Ihr habt das auch mal gekonnt!“ Es steckt eigentlich in jedem Körper drin und wenn man es fördert, dann ist es erstaunlich, was so ein Säugetier alles hinbekommen kann.

Paul gehört noch zu den Frischlingen.
Paul gehört zu den Frischlingen, scheut sich aber nicht vor den Übungen für Fortgeschrittene.

Was fasziniert euch so an Parkour?

Tom Freiheit und das Gefühl der Selbstbestimmtheit, Selbstvertrauen. Man merkt, wie viele Dinge man eigentlich in der Hand hat, wie viel man selbst steuern und verändern kann. Einfach nur durch Körpereinsatz und bewusstes Training. Dann wandelt sich auch das Bewusstsein für die Umgebung. Wir sind oft dort unterwegs, wo mehrere Leute vorbeikommen, da entwickelt man auch einen Blick für andere Verkehrsteilnehmer und passt mit für andere auf. Das wird dann auch den Jüngeren schnell beigebracht, dass sie sich in gefährlichen Situationen bewegen und lernen müssen mit dieser Gefahr umzugehen. Man nimmt seine Umgebung völlig anders, positiver, intensiver und einfach chancenreicher wahr. Die Barriere wird uns ja erst in der Erziehung als Barriere erklärt, aber man muss es nicht so sehen. Parkour ist eine Möglichkeit aus diesem Gedanken auszusteigen und sich das Ganze aus anderen Perspektiven anzusehen.

Vanessa Wir betrachten es als Lebenseinstellung. Das hat mir ein ganz anderes Lebensgefühl gegeben und auch eine andere Wahrnehmung für meine Umwelt und für meine Mitmenschen. Wenn ich jetzt irgendwo durch die Weltgeschichte laufe und einfach nur ein Geländer oder eine Mauer sehe, frage ich mich nicht, was es da zu suchen hat, sondern es gehört einfach dazu und du kannst es einbauen. Ein Beispiel: Normalerweise geht ein Mensch ganz normal über einen Zebrastreifen aber wir springen von einem Streifen zum nächsten. Wir bauen halt alles irgendwie mit ein, um unseren Körper die ganze Zeit in Aktion zu halten.

Jedes Objekt kann als Trainingsgegenstand genutzt werden.
Jedes Objekt kann als Trainingsgegenstand genutzt werden.

Also kann praktisch jedes Hindernis als Trainingsgegenstand genutzt werden.

Vanessa Genau, du kannst alles in deinen Gang, in deinen Weg von A nach B einbeziehen. Du gehst nicht einfach nur eine gerade Strecke, sondern siehst irgendwas, springst drauf, springst drüber, beziehst es irgendwie mit ein. Es ist einfach und es macht Spaß. Du wirst zwar von manchem Menschen komisch beäugt, die denken, was macht sie denn da, wieso springt sie durch die Gegend (lacht).

Für Max ist Parkour ein anmutiger Sport, der viel Training und Körperbeherrschung benötigt.
Für Max ist Parkour ein anmutiger Sport, der viel Training und Körperbeherrschung benötigt.

Vanessa Was auch so schön ist, ich bin Schneiderin, studiere Modedesign und gehe nebenbei noch sehr viel arbeiten. Daher habe ich lange Zeit viele Probleme mit dem Rücken und dem Nacken gehabt, hatte Tennis-Ellenbogen und oft Schmerzen, weil ich meinen Körper einseitig beansprucht habe. Seitdem ich Parkour mache, habe ich kaum noch Probleme, weil ich meinen Körper voll einsetze und nicht nur ein Körperteil, wie das bei vielen anderen Sportarten so ist. Der Körper verändert sich. Ich habe einen stärkeren Rücken bekommen, insgesamt ist alles gefestigter. Ich fühle mich nicht mehr so zerbrechlich, sondern stark und voller Energie. Ich will es nicht mehr missen, es ist ein tolles Gefühl.

Tom Das Sprichwort hierzu lautet: Müßiggang ist aller Laster Anfang. Man gewöhnt sich über die Jahre viele Bequemlichkeiten an und stellt dann fest: der Körper hat sich auch schon daran gewöhnt. Da ist es dann oft eine große Erleichterung, wenn man feststellt, dass man allein durch konsequentes Bewegen den Körper wieder in Schuss bekommt. Viele Leiden entstehen aufgrund mangelnder Bewegung und die kann man selbst korrigieren.

  Schnell ins Kino jumpen? Parkour fördert die Kreativität und kann überall ausgeübt werden.
Schnell ins Kino jumpen? Parkour fördert die Kreativität und kann überall ausgeübt werden.

Trainiert ihr auch, wenn es regnet?

Tom Wir haben momentan zwar die Möglichkeit ab und an die Sporthalle im Exhaus mitzubenutzen, uns fehlt jedoch ein fester Trainingsort. Für uns wäre es schön, wenn der Verein einen Platz bei der Stadt bekäme, wo wir sagen könnten, wir beteiligen uns, zahlen was dazu und können dafür die Halle mitbenutzen. Dann könnten wir das Training vor allem für Jüngere und für Anfänger erst mit Matten und Kästen  gestalten. Das ist am Anfang viel angenehmer, da es eine sehr große Hemmschwelle gibt, sich Dinge zu trauen. Zudem könnten wir mit Geräten den Parkour so gestalten, dass er den Fähigkeiten besonders der jüngeren Mitglieder entspricht. Eine Halle mit einer Ausstattung für Schulsport würde schon reichen. Das wäre für uns ein echter Glücksfall.

Tom, Vanessa und die anderen Parkourläufer freuen sich über Verstärkung!
Tom, Vanessa und die anderen Parkourläufer freuen sich über Verstärkung.

Parkour fördert nicht nur die Kreativität, sondern stärkt den eigenen Körper, den Glauben an sich selbst und die eigenen Kräfte. Dieser Sport zeigt, dass man jedes Hindernis im Leben als Möglichkeit sehen und aus eigener Kraft heraus überwinden kann.

Wer Lust bekommen hat Parkour auszuprobieren, kann sich per Facebook in der Gruppe Parkour Trier e.V. bei dem Verein melden oder einfach zum offiziellen Training sonntags ab 15 Uhr an der Basilika vorbeikommen.

Bei Informationen, die dem jungen Verein auf der Suche nach einer geeigneten Trainingshalle helfen könnten, melden Sie sich bitte unter [email protected] oder per Kontaktformular auf www.parkourtrier.de

 

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