RLP: Tauschen ist im Kommen – „Die Zeit des ewigen Konsums ist vorbei“

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Die 83-jährige Renate aus Mainz sieht sich die Tauschwaren im Mainzer Umweltladen ganz genau an. Foto. Andreas Arnold / dpa

MAINZ/NEUWIED/LUDWIGSHAFEN. Ungenutzte Gegenstände weitergeben, das geht auf Tauschmärkten. Dabei gibt es große Unterschiede. Wo Menschen in Rheinland-Pfalz alten Dingen zu neuem Leben verhelfen.

Von Nina Gross (Wort) und Andreas Arnold (Foto), dpa

Die 83-jährige Renate hat einen Wunsch: Salz- und Pfefferstreuer. Die rüstige Seniorin steht zwischen zwei vollgepackten Tischen im Mainzer Umweltladen und sucht. Vor ihr stapeln sich neben Büchern, Dekoartikeln und Tassen auch zwei Paar Schlittschuhe und Taucherflossen. Sie gehören zum Warentauschmarkt, der bis Ende März in den Räumen des Umweltladens gastiert.

Wo die Mainzer sonst alles rund um Abfallentsorgung erfahren, wird nun Allerlei getauscht. Wer nicht auf der Suche nach etwas ist, kann Ungenutztes einfach abgeben. Und wer nichts zum Tauschen hat, kann die Gegenstände im Laden auch gegen eine Spende von einem Euro mitnehmen.

Die Tische mit den Tauschartikeln sind gut gefüllt. Foto: Andreas Arnold / dpa

«Tauschen macht glücklich»

«Mich macht das Tauschen richtig glücklich», sagt eine Besucherin, die ihren Namen nicht nennen will, mit leuchtenden Augen. Dinge nicht einfach wegzuschmeißen, auch wenn sie einem selbst nutzlos und alt erscheinen, sei ihr sehr wichtig. Das sieht die Leiterin des Umweltladens, Cordula Zimper, ähnlich: «Die Grundidee des Warentauschmarkts dreht sich um Nachhaltigkeit und Müllvermeidung.»

Dass der Markt im Umweltladen nur wenige Wochen existiert, scheint die meisten nicht zu stören. Besucherin Elvira meint vielmehr: «Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit ist fokussierter, wenn es eine zeitlich begrenzte Aktion ist, da kann man auch mal öfter kommen.»

Der Warentauschmarkt ist ein temporäres Projekt im Mainzer Umweltladen.
Foto: Andreas Arnold / dpa

Neuwied: Tauschobjekte für ukrainische Soldaten an der Front

In Neuwied sind zwei Garagen zu einem Treffpunkt geworden, wo getauscht wird. Das erzählt die Initiatorin des Projekts am Stadtrand, Christine Monzen. Vom Kochtopf bis zum Hochzeitskleid werden verschiedene Waren getauscht und verschenkt.

«Man kommt miteinander ins Gespräch», sagt Monzen. «Manche Gäste bringen auch mal Essen mit, das sie selbst gekocht haben. Es geht also auch um den sozialen Aspekt.» Die Gründe, warum die Menschen kommen, seien vielfältig. «Die Bandbreite reicht von Armut bis zur Suche nach Liebhaberstücken.» Es gebe sogar ukrainische Gäste, die regelmäßig warme, winterfeste Kleidung aus der Tauschgarage an die Kriegsfront schickten.

Unterstützung fehlt

Das rund 20-köpfige Team, zu dem auch ukrainische Geflüchtete gehören, darf die beiden Garagen derzeit noch kostenlos nutzen – doch es regnet hinein. «Sobald das Dach repariert ist, werden wir Miete dafür zahlen», sagt Monzen. Die Suche nach Sponsoren für das Projekt läuft – bislang allerdings erfolglos.

Monzen geht es auch um Nachhaltigkeit: «Die Zeit des ewigen Konsums ist vorbei», sagt die Lehrerin. «Man muss überlegen, ob man immer wieder neu bei den üblichen Versandhäusern bestellen muss oder etwas benutzt, was schon ein anderer gebraucht hat.»

Tauschmärkte in Ludwigshafen analog und digital gefragt

Dass Tauschmärkte auch auf digitalem Weg funktionieren, zeigt das Beispiel der Stadt Ludwigshafen. Schon 2008 riefen Mitarbeiter der städtischen Abfallberatung eine Online-Plattform zum Tauschen und Verschenken ins Leben. Das Online-Angebot sei eine unkomplizierte Möglichkeit, Gebrauchtes anzubieten, sagt Stadtsprecher Christophe Klimmer. «Das Interesse an diesem Portal ist stetig vorhanden.» Er stelle immer wieder fest, dass die Menschen lieber gut erhaltenen Gegenstände verschenken wollten, als sie zu entsorgen.

«Je länger etwas benutzt wird, desto ressourcenschonender ist es», betont er. Die Stadt weitet ihre Angebote sogar noch aus, auch «analog» sei das Tauschen inzwischen sehr gefragt. Im November vergangenen Jahres habe man erstmals eine Plastiktauschparty gefeiert. «Hier hat man die Möglichkeit, nicht mehr benötigte Plastikgegenstände zu tauschen.» Dahinter stecke eine Initiative, um Plastikmüll zu reduzieren und auf das Thema Nachhaltigkeit aufmerksam zu machen.

Eine «Win-win-Situation im Sinne der Nachhaltigkeit»

Für Ruth Preywisch, Expertin für nachhaltigen Konsum bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, sind solche Tauschprojekte eine «Win-win-Situation im Sinne der Nachhaltigkeit»: Einerseits entfalle die Entsorgung und andererseits werde statt eines neuen Objektes ein gebrauchtes weiter genutzt. «Sie sind eine niedrigschwellige Möglichkeit, Menschen einen bewussteren Umgang mit Konsum und Entsorgung zu vermitteln.»

Nicht gesucht, aber gefunden

In Mainz hat die 83-jährige Renate keinen Salz- oder Pfefferstreuer gefunden. Trotzdem geht sie nicht mit leeren Händen nach Hause: Sie nimmt eine dunkelblaue Tasse mit der Silhouette Chicagos mit.

Renate mit ihrem Fundstück. Foto: Andreas Arnold / dpa

Sie werde dem Warentauschmarkt in der Mainzer Altstadt in den nächsten Wochen wieder einen Besuch abstatten, sagt sie. Um dann selbst nicht mehr benötigten Alltagsgegenständen aus ihrem Zuhause zu einem neuen Leben zu verhelfen. (Quelle: dpa)

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