Emotionaler Auftritt von Spiegel: Opposition fordert Rücktritt – Grünen-Spitze schweigt

3
Anne Spiegel ( Bündnis 90/die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Foto: Annette Riedl/dpa

BERLIN. Sichtlich angeschlagen tritt Familienministerin Spiegel vor die Presse, um ihren Urlaub nach der Flutkatastrophe zu erklären. Sie räumt persönliche Fehler und falsche Angaben ein. Zu Forderungen nach ihrem Rücktritt äußert sie sich nicht. Was machen jetzt die Grünen?

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) hat ihren vierwöchigen Familienurlaub nach der Flutkatastrophe im vergangenen Sommer als Fehler bezeichnet und sich dafür entschuldigt. Sie begründete ihre damalige Entscheidung als Ministerin für Familie und Umwelt in Rheinland-Pfalz in einem denkwürdigen Auftritt vor Journalisten am Sonntagabend unter anderem mit dem Gesundheitszustand ihres Mannes, der im März 2019 einen Schlaganfall erlitten hatte. Ihre Familie habe den Urlaub gebraucht, «weil mein Mann nicht mehr konnte», sagte die 41-Jährige, die sichtlich angeschlagen wirkte und der während des Auftritts mehrfach die Stimme stockte. «Das war ein Fehler, dass wir so lange in Urlaub gefahren sind und ich bitte für diesen Fehler um Entschuldigung.»

Als weitere Begründung gab die Ministerin an, dass Corona für ihre Familie «eine wahnsinnige Herausforderung» gewesen sei. Die Pandemie habe ihre vier Kinder im Kita- und Grundschulalter «ganz klar mit Spuren versehen».

Grünen-Spitze schweigt – Vorstandsklausur am Montag

Zu den Rücktrittsforderungen aus der Opposition äußerte Spiegel sich nicht. Die Beantwortung von Fragen lehnte sie ab. Von ihrer Partei, den Grünen, gab es am Sonntagabend auf Nachfrage zunächst keine Stellungnahme. Am Montag kommt der Bundesvorstand der Partei im schleswig-holsteinischen Husum zu einer Klausurtagung zusammen. «Bild» berichtete, dass es am Sonntag eine Krisensitzung mit den Grünen-Ministern Robert Habeck, Annalena Baerbock, und den Partei- und Fraktionsvorsitzenden gegeben habe. Dabei sei Spiegel der Rücktritt nahegelegt worden, sie habe aber darum gebeten, noch eine Chance zu bekommen, berichtete Blatt. Eine Stellungnahme der Grünen zu dem Bericht gab es zunächst nicht.

Die 41-jährige Spiegel und die gleichaltrige Baerbock sind die jüngsten Mitglieder des Kabinetts von Kanzler Olaf Scholz (SPD), das erst vor vier Monaten vereidigt wurde. Am Wochenende war durch einen Bericht der «Bild am Sonntag» bekannt geworden, dass die damalige Umweltministerin in Rheinland-Pfalz zehn Tage nach der Flutkatastrophe zu einem vierwöchigen Familienurlaub nach Frankreich aufgebrochen war und diesen nur einmal für einen Ortstermin im Ahrtal unterbrochen hatte.

Überforderung durch Ämterhäufung: «Es war zu viel»

Spiegel legte in ihrer emotionalen Erklärung detailliert ihre privaten Beweggründe dar. Sie räumte ein, sich selbst mit einer Häufung von Ämtern überfordert zu haben. Zuerst habe sie sich entschlossen, neben ihrem Amt als Familienministerin in Rheinland-Pfalz die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl zu übernehmen. Als Fehler bezeichnete sie, dass sie dann ab Januar 2021 auch noch das Umweltministerium geschäftsführend übernommen habe, mit dem sie dann später mitverantwortlich für die Bewältigung der Flutkatastrophe wurde. «Ich habe diese Aufgabe sehr ernst genommen, und es war zu viel. Das hat uns als Familie über die Grenze gebracht», räumte Spiegel ein.

Die Entscheidung für den Urlaub sei eine schwere Abwägung zwischen ihrer Verantwortung als Ministerin und der Verantwortung als Mutter mit vier kleinen Kindern gewesen, die nicht gut durch die Corona-Pandemie gekommen seien. Während ihres Urlaubs sei sie immer erreichbar gewesen, habe Telefonate geführt und sich informiert. «Wenn es irgendeinen Anlass gegeben hätte, den Urlaub abzubrechen, dann hätte ich das sofort getan», sagte Spiegel.

Falsche Angaben zur Teilnahme an Kabinettssitzungen

Die Familienministerin musste aber Angaben korrigieren, die sie am Samstag gegenüber der «Bild am Sonntag» gemacht hatte. Anders als ursprünglich mitgeteilt, habe sie sich nicht aus dem Urlaub zu den Kabinettssitzungen zugeschaltet. Die Sitzungen seien zwar in ihrem Kalender verzeichnet gewesen. Eine Überprüfung der Kabinettsprotokolle habe aber am Sonntag ergeben, dass sie nicht teilgenommen habe.

Rücktrittsforderungen aus der Opposition

CDU-Chef Friedrich Merz hatte bereits vor der Erklärung der Familienministerin Spiegels Entlassung gefordert. Mehrere andere Unions-Politiker forderten die Ministerin ebenfalls zum Rücktritt auf, so der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion und Abgeordnete für den Wahlkreis Bitburg, Patrick Schnieder. Bereits am Samstag hatte Schnieder auf einen Bericht der Zeitung „Die Welt“ hin, demzufolge Spiegel den Bürgern zu einem Corona-Schnelltest vor Ostern rate, getwittert: „Ich rate Bundesfamilienministerin Spiegel zum Rücktritt vor Ostern.“ Nach Spiegels emotionalem Pressestatement, bei dem die Ministerin sich zwar entschuldigte, aber nicht ihren Rücktritt erklärte, legte Schnieder auf dem Kurznachrichtendienst nach. Unter den Hashtags #InJederHinsichtÜberfordert und #IstSpiegelnochimAmt schrieb Schnieder: „Das lässt mich in jeder Hinsicht sprachlos zurück.“

Der familienpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Martin Reichardt, verlangte ebenfalls Spiegels Rücktritt.

«Wer in der Politik keine Maschinen will, bekommt Menschen.»

Der Parlamentarische Staatssekretär im Familienministerium, Sven Lehmann (Grüne), verteidigte Spiegel dagegen auf Twitter. «Am Beispiel Anne Spiegel wird auch verhandelt, wie menschlich Politik sein darf», schrieb er. «Politiker*innen sind Menschen. Menschen können Fehler machen oder in harten Abwägungen Entscheidungen treffen, die sie später bereuen. Wer in der Politik keine Maschinen will, bekommt Menschen.»

Bei der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 sind in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen, davon 134 im Ahrtal. Rund 750 Menschen wurden in Rheinland-Pfalz verletzt und große Teile der Infrastruktur sowie Tausende Häuser zerstört. Viele Menschen leben noch immer in Not- oder Ausweichquartieren.

Kritik am Pressestelle

Spiegels emotionaler Auftritt, bei dem sie am Ende hilfesuchend zur Seite blickte, augenscheinlich den Tränen nahe war und den Eindruck machte, als sei ihr nicht klar, dass es sich um ein Live-Statement handelte, löste bei Journalisten auch Kritik an der Pressestelle aus. So schrieb Ann-Kathrin Büüsker vom Deutschlandfunk bei Twitter: „Als Pressestelle kannst du deine Ministerin nicht so vor laufende Kameras schicken. Authentizität hin oder her, nein.“ Auch Markus Feldenkirchen vom „Spiegel“ schrieb: Ich weiß nicht, ob ihr Ministerium gerade über eine Pressestelle verfügt, aber ich hätte Anne Spiegel von Herzen eine bessere Beratung für diesen Auftritt gewünscht.“

Rücktritt in NRW wegen Mallorca nach der Flut

In Nordrhein-Westfalen hatte die dortige Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) ihr Amt am Donnerstag niedergelegt, nachdem bekannt geworden war, dass sich die 56-jährige Ministerin wenige Tage nach der Flutkatastrophe auf der Ferieninsel Mallorca für ein Wochenende mit weiteren Regierungsmitgliedern getroffen hatte, um den Geburtstag ihres Mannes zu feiern. (dpa/Lokalo)

Vorheriger ArtikelDrogenfahrten unter Kokain und Cannabis: Wochenend-Kontrollen der Polizei Bitburg
Nächster ArtikelRegion: PKW-Fahrerin dreht sich mit 1,3 Promille aus Kreisel in den Graben

3 Kommentare

  1. Zunächst möchte ich sagen, dass es mir ein Herzensbedürfnis wäre, Frau Spiegel die Hand zu schütteln für die dreisteste Ausrede, die ein Politiker (Achtung dies ist nicht gendergerecht) in den letzten Jahren für sein persönliches Versagen vorgebracht hat.
    Für diese Ausrede hätte Frau Spiegel einen Orden verdient und ich schlage sie für das Bundesverdienstkreuz vor.
    Zunächst sind hier aber noch einige Hürden zu nehmen:
    1. Würde ich gerne ein Attest eines medizinischen Gutachters sehen, das bescheinigt, dass der Mann von Frau Spiegel tatsächlich einen Schlaganfall erlitten hat, denn meines Erachtens hat Frau Spiegel den Punkt, an dem sie noch zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden kann, bereits überschritten.
    2. finde ich es erstaunlich, wenn sie so angeschlagen und gestresst ist, dass sie sich unmittelbar nach der Flut im Ahrtal noch Gedanken um ihr Image machen konnte.
    3. behaupte ich, dass das AufDieTränendrüseDrücken während ihres Auftritts nur Masche war um Mitleid zu heischen, das ist ja der Vorteil bei einigermassen passabel aussehenden Frauen, sie müssen sich nur doof stellen und schon fühlt jeder sich bemüssigt ihnen zu helfen. Ein Mann mit dem gleichen Studienabschluss wie Frau Spiegel wäre nicht so einfach in dieses Amt gerutscht.
    4. Wenn ihre Familie tatsächlich so unter ihrem Amt leidet sollte sie zugunsten ihrer Familie aufs Amt verzichten.
    5. Es wäre dringend angebracht, dass sich das zuständige Jugendamt mal die Verhältnisse im Hause Spiegel ansieht, woher weiss man, dass der offensichtlich schwer gezeichnete Ehemann in der Lage ist, den Haushalt zu führen?

  2. naja , auf die Tränendrüsen drücken….Ihre Probleme haben tausende von Menschen die nicht so rum jammeren…dachte Corona wäre nicht sooo schlimm. SIE will im Amt bleiben , klar, wo bekommt man sonst für´s nichts tun soviel Kohle ?

  3. Das die grüne Spitze sich in Schweigsamkeit übt, wundert mich nicht.

    Hat doch eine der Ihren durch ihr Verhalten bewiesen, das alle, für sich selbst
    und die Partei in Anspruch genommenen Werte nur Worthülsen sind.

    “ …Hochmut kommt vor dem Fall „

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Die Redaktion behält sich vor, Lesermeinungen zu kürzen. Es besteht kein Anspruch auf die Veröffentlichung Ihrer zugesandten Meinungen. Klarname ist nicht erforderlich. Eine E-Mail-Adresse muss angegeben werden, wird aber nicht veröffentlicht.