Klöckner will de Maizière als Sonderbeauftragten für Wiederaufbau

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Julia Klöckner (CDU). Foto: Fabian Sommer/dpa/Archivbild

BAD KREUZNACH/MAINZ. Der Aufbau der von der Flutkatastrophe schwer beschädigten Ahrregion wird lange dauern. CDU-Landeschefin Klöckner – einzige Bundesministerin aus Rheinland-Pfalz – macht Vorschläge dafür.

Die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner hat in der Flutkatastrophe einen Sonderbeauftragten für das Bundesland gefordert. «Jemand muss den Hut aufhaben», sagte Klöckner im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Bad Kreuznach.

Die Koordination der vielen privaten Helfer aus dem In- und Ausland mit den professionellen Helfern wie dem Technischen Hilfswerk (THW) sowie Feuerwehr, Bundeswehr und Bundespolizei funktioniere rund drei Wochen nach der Katastrophe noch immer nicht gut. Zwar leite der Chef der Landesaufsichtsbehörde ADD, Thomas Linnertz, den Krisenstab des Landes. Aber das reiche nicht. «Das Land hat damit auch viel zu lange gewartet.»

Klöckner schlug im Sender SWR Thomas de Maizière als Landesbeauftragten für den Wiederaufbau im Ahrtal vor. Der CDU-Politiker war zwischen 2005 und 2018 Chef des Bundeskanzleramts sowie Innen- und Verteidigungsminister in Berlin.

Notwendig sei auf Landesebene ferner ein «ständiges, auf Jahre angelegtes Sondergremium» über Parteigrenzen hinweg, in dem permanent über den Aufbau vor allem in dem besonders schlimm getroffenen Ahrtal informiert und entschieden werde. «Nur so, mit Transparenz, gewinnt man Vertrauen.»

Der Koalitionsvertrag der neuen Ampel-Landesregierung müsse zudem nach der Flutkatastrophe noch einmal abgeklopft werden, forderte Klöckner. Man müsse diskutieren, ob in gefährdeten Gebieten die Bauweise von Häusern geändert werden müsse oder dem Gewässer künftig mehr Raum gelassen werde. Das sei Sache von Experten, aber in enger Abstimmung mit den Betroffenen. «Sie müssen eng eingebunden werden», sagte Klöckner.

Sie wolle bei der EU-Kommission darauf hinwirken, dass die Katastrophenregion auf klassische Genehmigungs- und Ausschreibungsregelungen verzichten könne, sagte die Ministerin. «Sonst sind die Leute bis zu einer Entscheidung weggezogen. Wir wollen aber, dass die Menschen im Ahrtal wieder ihre Heimat haben können.»

Für die stark getroffenen Winzer an der Ahr brauche es Sonderregelungen, betonte Klöckner. «65 der 68 Betriebe sind massiv geschädigt.» Als Beispiel nannte die für Landwirtschaft und Weinbau zuständige Bundesministerin die Richtlinien für den Boden im Weinbau.

Viele kleine Regelungen müssten außer Kraft gesetzt werden, um den Menschen zu helfen. So etwa, dass Schadensmeldungen in der Landwirtschaft innerhalb von 15 Tagen gemacht werden müssen. «Den Geschädigten in der Region dürfen auch definitiv keine Nachteile entstehen», sagte die CDU-Chefin mit Blick auf bereits begonnene Sanierungen und laufende private Kredite.

Klöckner sprach sich – wie Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) – für einen nationalen Aufbaufonds über ein Bundesgesetz aus. Dieser müsse zur Hälfte vom Bund und zur Hälfte von allen Bundesländern finanziert und das Gesetz noch vor der Bundestagswahl am 26. September verabschiedet werden. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) schätzt die Kosten für den Wiederaufbau der betroffenen Gebiete in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen auf mehr als sechs Milliarden Euro. Andere gehen von noch höheren Summen aus.

Die CDU-Landeschefin lobte die anhaltend hohe Spendenbereitschaft, auch von Winzern aus aller Welt. «Die privaten Spenden dürfen aber nicht staatliche Aufgaben übernehmen», sagte sie mit Blick auf die Landesregierung.

Zur Prüfung der Staatsanwaltschaft, ob sie nach der Flutkatastrophe ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung einleitet, und der Rolle von Landrat Jürgen Pföhler (CDU), äußerte sich Klöckner mit dem Hinweis auf das laufende Verfahren nicht. «Man wird das Ganze aufarbeiten müssen», betonte die CDU-Chefin.

Auch Innenminister Roger Lewentz (SPD) habe sich 20 oder 30 Minuten im Katastrophenstab in Bad Neuenahr-Ahrweiler aufgehalten, diesen dann aber verlassen. «Ich war nicht dabei, ich kann das nicht beurteilen», betonte Klöckner.

So eine Lage dürfe in allen Bundesländern nicht mehr den Kreisen und Kommunen überlassen werden. «Das ist eine Überforderung.» Dies müsse vielmehr auf Landesebene gemanagt werden. Dafür brauche es genau festgelegte Kaskaden-Warnketten, wer, wann was zu tun habe und wen informieren müsse.

Klöckner sprach sich auch für eine grundlegende Reform des Warnsystems aus. Zu den digitalen Apps und Warnungen auf Handys müsse es «ein analoges Backup» geben, mit neu definierten Sirenen-Signalen, Lautsprecher-Durchsagen und möglicherweise auch schon in den Schulen eingeübtem Verhalten für den Katastrophenfall. Das System der Sirenen sollte zudem flächendeckend ausgebaut werden. (dpa)

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