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TRIER. Bernd Posselt, der Präsident der Paneuropa-Union Deutschland, stellte heute bei einer Pressekonferenz die Schwerpunktthemen des Jahreskongresses der ältesten europäischen Einigungsbewegung vor, der heute Abend in der Europahalle eröffnet wird.
Ein Bericht von Alexander Scheidweiler
Bernd Posselt beginnt seine Pressekonferenz mit einer Liebeserklärung an Trier: Er komme zwar aus München, so der langjährige CSU-Europaabgeordnete, dennoch habe er eine ganz besondere Verbindung zur Römerstadt an der Mosel. Trier sei nicht nur eine der schönsten Städte ganz Europas, sondern hier, im Herzen der europäischen Großregion Saar-Lor-Lux, sei der europäische Geist wirklich lebendig.
Posselt sitzt in einem Tagungsraum im Mercure-Hotel mit Blick direkt auf die Porta Nigra und beantwortet die Fragen der anwesenden Journalisten. Über dem Tisch, an dem er Platz genommen hat, sowie an einer Pinnwand hinter ihm sind Europaflaggen angebracht, in deren Sternenkranz eine goldene Sonne, Symbol für das Licht der Aufklärung, und ein rotes Kreuz, Symbol der Humanität, prangen. Es sind die Flaggen der Paneuropa-Union Deutschland, die heute in der Trierer Europahalle ihre 47. Jahrestage eröffnet, die bis Sonntag andauern werden. Seit 1975 werden die Paneuropa-Tage abgehalten, Trier sei die einzige Stadt, in der es ihm und seinen Mitstreitern so gut gefallen habe, dass sie nun zum zweiten Mal Veranstaltungsort ist, so Posselt. Beim ersten Trierer Gastspiel der Paneuropa-Union – es war im Jahre 1998 – wurde er zum Vorsitzenden gewählt, daher auch seine ganz persönliche Affinität zu Trier.
Der Europapolitiker gibt einen kurzen Abriss der Historie seines traditionsreichen Verbandes: 1922 in Wien gegründet, ist die Paneuropa-Union die älteste, heute noch aktive europäische Einigungsbewegung. Große Namen, Intellektuelle und Politiker, zählten bereits in der Zwischenkriegszeit zu ihren Mitgliedern: Thomas Mann und Franz Werfel, Konrad Adenauer, Aristide Briand und der spätere österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky. Von Anfang an stand der Kampf gegen Nationalismus und National-Egoismus im Zentrum, so Posselt. Im Nationalsozialismus verboten und verfolgt, trat für die Paneuropäer nach dem Zweiten Weltkrieg der Kampf gegen den Kommunismus als wichtige Aufgabe hinzu. Die Organisation unterstützte freiheitliche Bewegungen in Mittelosteuropa und konnte mit dem Paneuropäischen Picknick an der österreichisch-ungarischen Grenze 1989, bei dem fast 700 DDR-Bürgern die Flucht in die Freiheit gelang, ein wichtiges Zeichen setzen. Im kommenden Jahr begeht die Bewegung also ihr 100-jähriges Jubiläum, erstarrt sei sie jedoch nicht. Man entwickele ständig neue Ideen, um der europäischen Einigung frische Impulse zu verleihen. Zudem verfüge man über eine starke und lebendige Jugendorganisation.
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Es sei vor diesem Hintergrund bemerkenswert, so Posselt, dass heute in Straßburg die „Konferenz zur Zukunft Europas“ beginnt, bei der die Bürger ihre Ideen einbringen sollen. Mit den Vorträgen und Diskussionsforen bei den Paneuropa-Tagen in Trier wolle die Paneuropa-Union auch auf diese Konferenz einwirken. Deshalb habe die PEU drei Schwerpunktthemen gesetzt, von denen man sich Perspektiven für eine tragfähige Weiterentwicklung der EU erhofft.
Zunächst soll es um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit gehen. Schon im vergangenen Jahr war das fränkische Hof bewusst als Tagungsort ausgewählt worden, liegt es doch inmitten der Europaregion Egrensis, die Teile Deutschlands und Tschechiens umfasst. Trier, in der erwähnten deutsch-luxemburgisch-französisch-belgischen Großregion Saar-Lor-Lux gelegen, ist da eine naheliegende Wahl für die diesjährige Veranstaltung. Die Euroregionen sind „grenzüberschreitende Lebensräume, und keine Grenzräume mehr“, meint Posselt.
Gerade deshalb haben ihn die pauschalen Grenzschließungen in der Pandemiebekämpfung besonders geärgert: „Notmaßnahmen sind richtig, aber punktuell.“ Die pauschale Abriegelung nationaler Grenzen sei aber irrational gewesen und habe auch auf der menschlichen Ebene schlimme Folgen gehabt: Pendler aus Tschechien beispielsweise wurden von deutschen Grenzern mit Maschinenpistolen abgewiesen, so als könne man das Virus erschießen: „Da kommen die wildesten Emotionen hoch“, so Posselt. „Wir müssen schauen, dass nicht die alten Gespenster wiederkehren.“ Und schließlich: „Wir müssen die Wunden heilen, damit die Menschen wieder zueinander finden.“
Der zweite Schwerpunkt betrifft die Demokratie und Europas Rolle in der Welt. Beides gehört zusammen, denn eine demokratische EU soll nach den Vorstellungen der PEU die Interessen ihrer Bürger auf der Weltbühne wirksam vertreten. Auch in diesem Punkt wollen die Paneuropäer auf die Konferenz zur Zukunft Europas einwirken, damit sich die Debatten nicht verzetteln, sondern eine „ernsthafte Diskussion, wie man Europa stärker machen kann“, stattfindet. Um dieses Ziel zu erreichen, fordert die Paneuropa-Union ein gestärktes Europaparlament und eine Kommission, die wirklich vom Parlament gewählt und nach Kompetenz statt nach nationalstaatlichem Proporz besetzt wird. Zudem müsse das Einstimmigkeitsprinzip in der Außen- und Sicherheitspolitik abgeschafft werden, damit Europa als eigenständiger Partner in der Geopolitik mitspielen kann.
Dass dies gegenwärtig noch nicht der Fall ist, habe die Europareise Joe Bidens in dieser Woche gezeigt, erklärt Posselt. Zwar habe dieser sich, anders als sein Vorgänger, auch mit den Spitzen der EU koordiniert. Am Ende aber trafen sich der amerikanische und der russische Präsident in einer europäischen Stadt und verhandelten unter vier Augen über die Zukunft des Kontinents. „Wo war Europa?“, fragt Posselt mit Blick auf den Genfer Gipfel.
Deshalb freue man sich auch besonders, Jean-Claude Juncker, unter dessen Schirmherrschaft die Veranstaltung steht, am Samstag die höchste Auszeichnung des Verbandes, die Sonderstufe der Paneuropa-Verdienstmedaille, verleihen zu können: „Wenn’s einen glühenden Europäer gibt, dann ist es Jean-Claude Juncker“, sagt Posselt. Und weiter: „Er steht für ein Europa, das nicht nur ein Sekretariat der Nationalstaaten ist.“
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Dass ein Mehr an außenpolitischer Handlungsfähigkeit aber kein Selbstzweck bzw. bloße Interessenpolitik ist, zeigt der dritte Schwerpunkt, das Thema Menschenrechte. „Europa ist eine Kultur, die unendlich viel älter ist als die Nationalstaaten“, erläutert Posselt. Das sehe man in Trier am besten, das schon 2000 Jahre europäisch gewesen sei, bevor der Nationalstaat überhaupt aufkam. Und die Quintessenz der europäischen Kultur, das seien nun einmal die Menschenrechte. Deshalb sei es wichtig, dass die europäischen Institutionen sich dafür einsetzen, was bei den Autokraten dieser Welt durchaus wahrgenommen werde.
Er sei selbst seit Jahrzehnten Menschenrechtspolitiker, meint Posselt. Und dass dieses europapolitische Engagement für die Menschenrechte Wirkung zeige, könne man auch daran sehen, dass die Regierung Putin ihn vor fünf Jahren auf eine Liste von 89 Personen hat setzen lassen, die nicht mehr nach Russland einreisen dürfen. „Ich bin ein Freund des russischen Volkes“, sagt der Paneuropa-Präsident bestimmt. „Aber ich bin ein Gegner eines Regimes, das die Menschenrechte mit Füßen tritt.“ Sein Stellvertreter, der Europaabgeordnete Michael Gahler (CDU), der morgen an dem Diskussionsforum zum Thema Menschenrechte teilnimmt, sei von den Chinesen mit einem Einreiseverbot belegt worden. Gleiches gelte für dessen Kollegen Reinhard Bütikofer (Grüne), der ebenfalls bei der Menschenrechtsdiskussion dabei sein wird.
Man freue sich zudem, am morgigen Nachmittag nach Echternach zu einem katholischen Festgottesdienst fahren zu können, den der luxemburgische Kardinal Jean-Claude Hollerich, Vorsitzender der EU-Bischofskonferenz COMECE, zelebrieren werde. Danach steht eine Schiffsfahrt auf der luxemburgischen Mosel mit landestypischem Abendessen auf dem Programm, so dass das Großherzogtum einbezogen und dem grenzüberschreitenden Charakter der Paneuropa-Tage Rechnung getragen ist.
Den Abschluss macht am Sonntag ein evangelischer Gottesdienst sowie die Bundesdelegiertenversammlung der Paneuropa-Union Deutschland.
Zum Abschluss seiner Pressekonferenz betont Posselt: „Europa kann nur gelingen, wenn es von den Menschen kommt.“ Und diese hätten, trotz Grenzschließungen während der Pandemie, den Zusammenhalt nicht vergessen. „Kultur und menschliche Beziehungen sind systemrelevant“, sagt Posselt, deshalb sei ihm auch die Formulierung vom „grenzüberschreitenden Lebens- und Kulturraum“ für die Europaregionen so wichtig.
Dies wird zweifellos heute Abend zur Sprache kommen, wenn die Paneuropa-Tage mit dem Podium „Gemeinden und Regionen als Elemente Europas“ eröffnet werden.