Partei auf Extremismusliste: Warum AfD-Mitglieder in RLP kaum noch Bürgermeister werden können

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„AfD-Logo mit rotem Pfeil, Menschen im Vordergrund im Schatten, Quelle: dpa“
„AfD-Logo bei einer Veranstaltung. Quelle: dpa“

Rheinland-Pfalz. Eine Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums sorgt derzeit landesweit für eine politische Debatte ungekannten Ausmaßes. Grund ist eine als Arbeitshilfe gedachte Extremismusliste, die Behörden zur Einschätzung der Verfassungstreue von Bewerberinnen und Bewerbern für den öffentlichen Dienst verwenden sollen. In dieser Liste wird – neben rechtsextremen Gruppierungen, Reichsbürgerstrukturen und islamistischen Organisationen – auch ausdrücklich die Partei AfD als extremistische Organisation geführt.

Die nun öffentlich gewordene Praxis wirft erhebliche Fragen auf: Welche Folgen hat diese Einstufung für Beamte, Bewerber für den öffentlichen Dienst und insbesondere für AfD-Mitglieder, die ein Bürgermeisteramt anstreben?

Die Verwaltungsvorschrift: Verfassungstreueerklärung Pflicht – AfD explizit genannt

Wer in Rheinland-Pfalz in den öffentlichen Dienst eintreten möchte, muss eine sogenannte Verfassungstreue-Erklärung unterschreiben. Darin heißt es wörtlich:

„Ich war in den letzten fünf Jahren nicht Mitglied einer in der Anlage 2 aufgeführten extremistischen Organisation.“

In dieser Anlage – veröffentlicht im Ministerialblatt vom 15. August 2025 – wird unter dem Abschnitt „Rechtsextremismus“ ausdrücklich genannt:

„Partei ‚Alternative für Deutschland‘ (AfD)“

Damit ergibt sich eine zentrale Konsequenz: AfD-Mitglieder können diese Erklärung nicht wahrheitsgemäß unterschreiben.

Eine Falschangabe könnte disziplinarrechtliche Folgen haben. Eine wahrheitsgemäße Angabe kann die Ernennung in ein Beamtenverhältnis verhindern.

Bürgermeister betroffen – auch wenn sie demokratisch gewählt werden

Hauptamtliche Bürgermeister in Rheinland-Pfalz sind Wahlbeamte auf Zeit. Nach der Wahl muss die Kommune die gewählte Person verbeamten. Ohne unterschriebene Verfassungstreue-Erklärung ist diese Ernennung nicht möglich.

Das bedeutet:

  • Eine Wahl kann gewonnen werden – aber die Ernennung scheitern.

  • Ohne Ernennung → kein Amtsantritt.

In Ludwigshafen wurde bereits ein AfD-Kandidat ausgeschlossen, in anderen Kommunen – darunter Nieder-Olm – prüfen Wahlausschüsse derzeit ähnliche Fälle.

Empfehlung oder Verpflichtung? Das rechtliche Kernproblem

Die Extremismusliste gilt verbindlich für Landesbehörden. Für Kommunen formuliert das Ministerium eine Empfehlung:

„Den kommunalen Gebietskörperschaften wird empfohlen, entsprechend zu verfahren.“

Formal ist diese Empfehlung rechtlich nicht bindend. Praktisch aber folgen viele Kommunen dem Standard des Landes – auch, weil:

  • Bürgermeister Teil des öffentlichen Dienstes sind,

  • die Kommunalaufsicht (ADD) entsprechende Hinweise gegeben hat,

  • erhebliche Rechtsrisiken drohen, wenn ein Kandidat trotz Einstufung zugelassen würde.

Damit entsteht eine Situation, in der eine Empfehlung faktisch den Charakter einer Verpflichtung annimmt.

Konsequenz für AfD-Kandidaten: theoretisch wählbar, praktisch kaum zulassungsfähig

Rechtlich bleibt das passive Wahlrecht unangetastet. Faktisch jedoch werden AfD-Mitglieder durch die Verwaltungsvorschrift vor erhebliche Hürden gestellt:

  • Sie können die Verfassungstreueerklärung nicht unterschreiben.

  • Ohne Erklärung keine Ernennung als Bürgermeister.

  • Viele Kommunen prüfen die Erklärung bereits vor der Wahlzulassung.

Damit entscheidet häufig nicht der Wähler, sondern ein Verwaltungsverfahren darüber, ob ein AfD-Kandidat überhaupt auf dem Stimmzettel erscheint.

Reaktionen der AfD

Die AfD Rheinland-Pfalz spricht von einem „demokratischen Tabubruch“. Fraktionschef Jan Bollinger kritisiert:

„Der Versuch, AfD-Kandidaten über ein verwaltungsrechtliches Hintertürchen auszuschließen, ist ein Angriff auf die Demokratie.“

Die Partei kündigt an:

  • juristische Schritte gegen die Einstufung,

  • parlamentarische Initiativen im Landtag,

  • rechtliche Überprüfung laufender Wahlverfahren.

Das sagt das Innenministerium

Innenminister Michael Ebling (SPD) verteidigt die Maßnahme:

  • Die Einstufung stütze sich auf Erkenntnisse des Verfassungsschutzes.

  • Es gehe nicht um „pauschale Verbote“, sondern um Einzelfallprüfungen.

  • Amtsträger müssten „zweifelsfrei zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen“.

Gleichzeitig verweist das Ministerium auf die Empfehlungslage für Kommunen – die Wirkung in der Praxis sei jedoch unübersehbar.

Juristisches Spannungsfeld: Wehrhafte Demokratie vs. Wahlrecht

Die aktuelle Lage bewegt sich in einem sensiblen Bereich zwischen:

  • verfassungsrechtlich geschütztem Wahlrecht,

  • Vorsorgepflicht des Staates gegenüber extremistischen Bestrebungen,

  • kommunaler Selbstverwaltung,

  • Beamtenrecht und Treuepflichten.

Juristen rechnen damit, dass die Frage, ob die AfD-Einstufung in kommunalen Wahlverfahren verwendet werden darf, bald Verwaltungsgerichte beschäftigen wird – möglicherweise sogar den Verfassungsgerichtshof.

Fazit

Die AfD ist nicht verboten. Sie steht aber in Rheinland-Pfalz offiziell auf einer Extremismusliste. Dadurch entsteht eine Lage, die formal keine Verbote enthält, aber faktisch zu einer politischen Sperre für Bürgermeisterkandidaturen führen kann.

Empfehlung oder nicht – in der Praxis entscheidet die Extremismusliste über die Zulassung von AfD-Kandidaten.

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2 Kommentare

  1. Eine Verwaltungsvorschrift ,welche
    meinen demokratischen Überzeugungen
    entspricht…

    Echte Demokratie lässt sich nur, durch
    Verbote durchsetzen…

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