KOBLENZ. Herbert Mertin war so etwas wie die graue Eminenz im rheinland-pfälzischen Ampel-Kabinett. Der FDP-Politiker gehörte von 1999 bis 2006 schon einmal als Justizminister dem Kabinett an, das seinerzeit von einer rot-gelben Koalition unter Kurt Beck (SPD) regiert wurde. Seit 2016 war er wieder Chef dieses Ressorts – erst unter Malu Dreyer, dann unter ihrem Nachfolger Alexander Schweitzer (beide SPD).
Geboren wurde Mertin am 29. April 1958 in Chile – als Sohn einer ostpreußischen Mutter und eines schlesischen Vaters. Seine Familie war nach dem Zweiten Weltkrieg in die Ferne geflohen. 1971 kehrte sie nach Deutschland zurück. Seit vielen Jahren war Koblenz, die Justiz-Hauptstadt von Rheinland-Pfalz, sein Zuhause, in Juristenkreisen genoss er stets allerhöchste Anerkennung. Große Emotionen sind seine Sache eher nicht gewesen – der Anwalt war eher der Freund ruhiger, analysierender Worte.
Plakative Forderungen waren seine Sache nicht
Auch in der mitunter hitzigen Debatte um die Migrationspolitik in den vergangenen Monaten riet er immer wieder zu Sachlichkeit. Er warnte vor schnellen Rufen nach vermeintlichen Lösungen im Asyl- oder Strafrecht. Plakative Forderungen würden der Aufgabe des Staates gerecht, die Bürger zu schützen, nicht gerecht, sagte der FDP-Politiker etwa im vergangenen August der Deutschen Presse-Agentur.
Doch er konnte auch anders. Nachdem seine FDP 2006 aus der Landesregierung ausgeschieden war, lieferte er sich im Landtag mitunter emotionale Wortgefechte mit den Sozialdemokraten – beispielsweise, wenn es um den überdimensionierten Ausbau des Nürburgrings ging. Zuvor hatte er noch bis 2006 mit der SPD regiert, bis diese die absolute Mehrheit gewann und nicht mehr auf die Liberalen angewiesen war.
In seiner politischen Laufbahn leitete der Jurist beispielsweise als Vorsitzender souverän den Untersuchungsausschuss des Landtags zur früheren unzulässigen Parteienfinanzierung der CDU. Für bundesweite Schlagzeilen sorgte Mertin Ende 2010, als er seinen Parteichef Guido Westerwelle als «Klotz am Bein» bezeichnete.
Tiefer Fall und Wiederaufstieg
2011 erlebte er als Fraktionsvorsitzender der FDP im Mainzer Landtag den tiefen Fall der rheinland-pfälzischen Liberalen in die außerparlamentarische Opposition mit – und 2016 dann den Wiedereinzug und gleich die Beteiligung an einem rot-gelb-grünen Bündnis.
Charakteristisch für Mertin waren unter anderem sein Bart und sein rollendes «R». Nach seiner Geburt im chilenischen Temuco hatte er zunächst die Deutsche Schule in Santiago de Chile besucht. Sein Abitur absolvierte er dann in Linz am Rhein. Nach dem Wehrdienst studierte er in Mainz und Bonn Jura. Der verheiratete Vater von vier Söhnen sprach perfekt Spanisch, hatte neben dem deutschen auch einen chilenischen Pass. Mertin war ein weltoffener Mensch. Sein Blick ging stets über Rheinland-Pfalz und seine Ressortgrenze hinweg.