Medien-Skandal: Machte Spiegel (Grüne) Parteienwerbung über Ministerium?

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Foto: dpa-Archiv

MAINZ. Ganz Deutschland sorgt sich um die Medienpolitik in Österreich, so könnte man meinen. Denn gestern stürzte die deutsche Presse sich allenthalben auf die laufenden Ermittlungen gegen Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und sein Umfeld. Der konservative Politiker, bekannt für seine restriktive Migrationspolitik und von manchen in der CDU als mögliches Vorbild für die Neuordnung der Partei in der Zeit nach Armin Laschet gehandelt, soll auf Umwegen positive Berichterstattung in einem großen Boulevardblatt bestellt haben – finanziert mit Geldern des österreichischen Finanzministeriums.

Nun zeichnet sich ab, dass die rheinland-pfälzische Umweltministerin und Vize-Ministerpräsidentin Anne Spiegel (Grüne) ein ähnliches Problem haben könnte: Schon seit Jahren wirbt das von Spiegel geführte Ministerium intensiv auf Facebook, was an sich übliche Praxis und nicht zu beanstanden ist – vorausgesetzt, die Werbung steht im Dienst der Anliegen des Ministeriums, nicht der Partei der Ministerin. Genau dies, also Parteienwerbung aus dem Ministerium, scheint es aber unter Spiegels Ägide gegeben zu haben.

Die Frage ist dabei, nach welchen Kriterien die Facebook-Nutzer ausgewählt wurden, denen Spots des Spiegel-Ministeriums, etwa zu Tierschutz oder E-Mobilität, angezeigt wurden. Um bestimmte Zielgruppen zu erreichen und die Reichweite der Werbung zu steigern, werden Nutzer nach ihren Interessen ausgewählt, z.B. danach, dass sie bei Facebook angegeben haben, sich für Umweltschutz zu interessieren. Das nennt sich Microtargeting. Das Problem, auf das als erster Jan Böhmermann aufmerksam gemacht hat, ist nun, dass das Umweltministerium von Rheinland-Pfalz die Spots auch gezielt Nutzern anzeigen ließ, die sich für die Partei Bündnis 90/Die Grünen interessieren – ein klarer Rechtsbruch, sagen Experten.

Und es handelt sich nicht um Einzelfälle: Laut einem Bericht des SWR wurde das Interesse an den Grünen seit 2018 nur in seltenen Fällen nicht als Zielgruppenmerkmal ausgewählt. Erst nach Böhmermanns Sendung und genau einen Tag vor der Bundestagswahl ruderte das Ministerium zurück: Die Kritik sei berechtigt und man werde die Praxis künftig ändern. Dass das umstrittene Vorgehen gegen das für staatliche Stellen geltende Neutralitätsgebot verstoßen habe, will man im Ministerium nicht sehen. Es habe keine Parteienwerbung stattgefunden, heißt es aus Spiegels Haus.

Doch Top-Juristen sehen das anders: Ministerien-Werbung an die Sympathisanten der eigenen Partei auszuspielen, könnte rechtlich als verbotene Parteienwerbung oder illegale Parteispende gewertet werden. Die Praxis könnte sogar verfassungswidrig gewesen sein! Diese Ansicht vertritt etwa Diana zu Hohenlohe, Jura-Professorin an der Sigmund Freud Privatuniversität in Wien, die vom SWR mit der Aussage zitiert wird, Microtargeting für Parteianhänger mache Behördenmitarbeiter faktisch zum Wahlkampfteam ihrer Behördenleiterin – ein klarer Verstoß gegen die von der Verfassung gebotene Neutralitätspflicht staatlicher Stellen!

Während sich also deutsche Medien um den Umgang des österreichischen Kanzlers mit der Presse sorgen, könnte eine Wiener Juristin richtig erkannt haben, dass die Landesregierung von Rheinland-Pfalz jetzt ein faustdickes, medienpolitisches Problem hat.

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