Nach der Wahl: Wo Rheinland-Pfalz am stärksten nach rechts rückt

In Westdeutschland ist die AfD in Kaiserslautern und Gelsenkirchen bei der Bundestagswahl stärkste Kraft geworden. Wie kam es in der Pfalz zum Erfolg der Partei?

0
Pfaff-Werk, Kaiserslautern
Kaiserslautern steht sinnbildlich für einen Standort im Wandel, ein Beispiel ist das frühere Areal des Nähmaschinenherstellers Pfaff. Foto: Andreas Arnold/dpa

KAISERSLAUTERN. Wie sehr Rheinland-Pfalz bei der Bundestagswahl nach rechts gerückt ist, wird wohl nirgendwo im Land so sichtbar wie in Kaiserslautern.

Mit 25,9 Prozent landete die AfD in der pfälzischen Stadt bei den Zweitstimmen auf dem Spitzenplatz, gefolgt von CDU (24,9 Prozent) und SPD (20,5 Prozent). Das gelang der AfD in Westdeutschland nur noch in Gelsenkirchen (24,7 Prozent). Der Wahlerfolg lässt aufhorchen.

Beate Kimmel ist in Kaiserslautern geboren und sitzt seit September 2023 als Oberbürgermeisterin in dem markanten 84 Meter hohen Rathaus. «Es ist für mich als Oberbürgermeisterin schwierig, eine Partei, die in Teilen als rechtsextremistisch bezeichnet werden darf, mit einem so hohen Zuspruch zu sehen», sagt die SPD-Politikerin. Nötig sei nun eine sachliche Analyse.

Standort im Wandel

Kaiserslautern steht sinnbildlich für einen Standort im Wandel, nicht nur in Rheinland-Pfalz. Mit der geplanten Ansiedlung eines Batteriezellwerks sollen neue Arbeitsplätze entstehen, auf dem ehemaligen Gelände des Nähmaschinenherstellers Pfaff und dem Betzenberg entsteht weiterer Wohnraum. Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und die Fraunhofer-Institute sind längst über die Region hinaus als renommierte Standorte anerkannt.

«In meinen Augen hat Kaiserslautern den Strukturwandel hervorragend bewältigt», sagt Kimmel. «Es ist ein schönes Zeichen für die Substanz, wenn der Wandel vom Industrie- zum Wissenschaftsstandort so geräuschlos funktioniert. Es ist eine Stadt mit hoher Lebensqualität.»

Allerdings bleibe einiges zu tun in der Kommune mit rund 100.000 Einwohnern, räumt die Oberbürgermeisterin ein. «Offenkundig fehlt es manchmal etwas an Selbstbewusstsein.» Die Menschen bräuchten mehr Orientierung. «Wir benötigen Lösungen, die erkennbar sind.» Jedoch bleibe manches aus finanziellen Gründen auf der Strecke.

null

Rasanter Aufstieg der AfD

Wie in vielen Wahlkreisen in Deutschland, erlebte die AfD bei den Zweitstimmen in Kaiserslautern einen rasanten Aufstieg: von 4,4 Prozent (2013) über 12,4 Prozent (2021) bis zu einer fast Verdoppelung auf 25,9 Prozent. Wie kam das?

Kaiserslautern sei eine Region, die wirtschaftlich Schwierigkeiten habe und tendenziell überaltert sei, sagt Frank Burgdörfer. Der CDU-Kandidat landete bei den Erststimmen mit 24,1 Prozent auf dem dritten Platz. «Die AfD ist oft ein Indikator dafür, dass es an Zuversicht und einer Idee von der Zukunft fehlt, man sich in der Defensive sieht und nicht zu Kompromissen bereit ist.»

Heikles Thema Brandmauer

Wie hat Burgdörfer den eher kurzen Wahlkampf erlebt? Hat die sogenannte Brandmauer eine Rolle gespi

Mit Ausnahme von 1953 und 1957 wurde der Wahlkreis von Direktkandidaten der SPD gewonnen – auch dann, wenn die CDU die meisten Zweitstimmen holte. Auch diesmal war dies so: Erster bei den Erststimmen wurde Matthias Mieves mit 28,0 Prozent – er ist der einzige Sozialdemokrat in Rheinland-Pfalz, dem es gelang, seinen Wahlkreis zu gewinnen und sein Mandat zu verteidigen.

Hinter ihm liegt Sebastian Münzenmaier für die AfD mit 25,5 Prozent. Münzenmaier war auch Spitzenkandidat der AfD für die Bundestagswahl in Rheinland-Pfalz und zog über die Landesliste ins Parlament ein.

Zerrbild oder Realität?

Womit punktet die AfD programmatisch? Auf ihrer Internetseite wendet sich die Partei etwa gegen eine Verpackungssteuer in Kaiserslautern. «Wer bisher die Burger- oder Dönerverpackung achtlos weggeworfen hat», heißt es dort, «der wird das weiter tun, auch wenn er mit 20 oder 30 Cent pro Mahlzeit mehr zur Kasse gebeten wird.» Kritik wird auch laut an den möglichen Kosten für das 750-Jahre-Jubiläum 2026. Feiern sei schön, aber das Geld dafür müsse da sein.

Die Arbeitslosigkeit im Landkreis Kaiserslautern betrug im Januar 2025 rund 5,5 Prozent – fast wie im Land (5,6 Prozent). Und was die Stadt Kaiserslautern betrifft, scheinen etwa die Zahlen am oft als kriminellem «Hotspot» bezeichneten Einkaufszentrum nicht fulminant. 2024 registrierte die Polizei rund um die Mall 94 Fälle – 13 mehr als im Vergleichszeitraum 2023: meist Körperverletzung. Mehrmals täglich sind Polizeistreifen dort präsent.

Geben solche Zahlen eine «Krise» her, von der die AfD profitieren könnte? CDU-Politiker Burgdörfer wiegt den Kopf. «Man muss als Demokrat akzeptieren», sagt er, «dass das, was Leute empfinden, die Realität ist, in der sie leben. Die Frage ist, wie dieses Bild entsteht.»

elt, das grundsätzliche Nein einer Zusammenarbeit mit der AfD? «Es gibt Leute, die mich wegen der Brandmauer beschimpft haben und aggressiv werden, wenn man ihnen erklärt, warum das ausgeschlossen ist», erzählt er. Die Vorschläge der AfD würden inhaltlich und sachlogisch «keinen Sinn» ergeben. «Wenn man das aber sagt, ist die Diskussion am Ende.»

Kaiserslautern. Luftbild.
Kaiserslautern: Fehlt es der Stadt manchmal an Selbstbewusstsein? Foto: Andreas Arnold/dpa

«Erreichen wir die Menschen?»

Ähnlich sieht es Steffen Egle, Direktor des Museums Pfalzgalerie (mpk) in Kaiserslautern. «Am Ende geht es um die Frage – gerade auch in der Kultur: Erreichen wir die Menschen? Und hören wir umgekehrt wirklich zu?» Setze man die richtigen Themen, und setze man sie so, dass sich alle angesprochen fühlen – und nicht nur die sogenannte Bubble? «Für mich ist das Wahlergebnis ein Auftrag: das Museum noch stärker als Ort zu profilieren», betont Egle, «an dem gesellschaftlicher Zusammenhalt erlebt werden kann.»

Vorheriger ArtikelPorta3-Festival 2025: Diesen Special Guest bringen die Donots mit!
Nächster ArtikelMit freiem Oberkörper eskaliert: Randalierer mit Hammer festgenommen

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Die Redaktion behält sich vor, Lesermeinungen zu kürzen. Es besteht kein Anspruch auf die Veröffentlichung Ihrer zugesandten Meinungen. Klarname ist nicht erforderlich. Eine E-Mail-Adresse muss angegeben werden, wird aber nicht veröffentlicht.